Eine Online-Umfrage in Österreich hat die Haltung des geburtshilflichen Fachpersonals zu Geburtsplänen ermittelt: Welche Vor- und Nachteile sehen Hebammen und GynäkologInnen darin?

Die ersten schriftlichen Geburtspläne wurden in den 1970er Jahren eingeführt. Mit ihrer Hilfe kämpften Eltern während der Hochphase der medikalisierten Geburtshilfe für eine aktivere und selbstbestimmtere Rolle (DeCoster 2019). Seitdem gewinnt der Geburtsplan in westlichen Ländern immer mehr an Popularität (Medeiros et al. 2019).

Auf Seiten des Fachpersonals macht es den Eindruck, dass unter Hebammen und GynäkologInnen große Skepsis gegenüber solchen Plänen herrscht (Mei et al. 2016). Warum dies der Fall ist und welche Vor- oder Nachteile die Erstellung eines Geburtsplanes haben kann, geht aus der Fachliteratur nicht klar hervor. Daher erfolgte im Master-Studium „Health Care Management – Midwifery“ an der Donau-Universität Krems eine Online-Fragebogenerhebung unter österreichischen Hebammen und GynäkologInnen.

Die Online-Befragung

Beim Fragebogen handelte es sich um eine quantitative Datenerhebung, die durch qualitative Fragen ergänzt wurde, um detailliertere Informationen zu den einzelnen Antworten der TeilnehmerInnen zu erfragen. Der Online-Fragebogen setzte sich aus 31 offenen und geschlossenen Fragen zusammen und konnte in die folgenden drei Teile untergliedert werden:

  • derzeitige Situation in Österreich
  • Vor- und Nachteile von Geburtsplänen
  • demografische Daten.

Die Erhebung richtete sich an alle österreichischen Hebammen und GynäkologInnen, letztlich nahmen 284 Hebammen und 14 ÄrztInnen an der Umfrage teil. Die Auswertung der Daten erfolgte mithilfe des Statistikprogramms SPSS. Für die Analyse der qualitativen Komponenten wurde die Inhaltsanalyse nach Mayring verwendet (Mayring 2010).

77 % der befragten Hebammen gaben an, dass sie hauptsächlich in einem Krankenhaus tätig sind. Von ihnen gehen 30 % daneben auch einer freiberuflichen Tätigkeit ohne Hausgeburtshilfe nach. 5 % arbeiten in einem Privatkrankenhaus oder Sanatorium – davon sind 2,9 % zusätzlich freiberuflich tätig. 10 % arbeiten in der Hausgeburtshilfe und 8 % arbeiten ausschließlich freiberuflich ohne Hausgeburtshilfe.

Von den teilnehmenden ÄrztInnen sind 13 in einem öffentlichen Krankenhaus angestellt – davon ist eine Person zusätzlich in einer Ordination und eine in einem privaten Krankenhaus/Sanatorium tätig. Eine arbeitet in einem Privatkrankenhaus und in einer Ordination.

Wozu ein Geburtsplan?

Für 99 % der TeilnehmerInnen sind die Wünsche der Frau relevant, wenn es um die Betreuung während der Geburt geht. Zudem ist ein von der Frau mitgebrachter Geburtsplan hinsichtlich der Betreuung für 49 % der TeilnehmerInnen »eher relevant« und für 34 % sogar »sehr relevant«.

Trotzdem empfehlen 72 % der befragten Hebammen und GynäkologInnen die Erstellung eines Geburtsplans nicht. Dies begründeten die TeilnehmerInnen beispielsweise mit Aussagen wie: »Um eine große Enttäuschung zu vermeiden! Weil Geburt nach Plan eine Illusion ist!« (TN16, 2020). Andere sagten: »Weil so ein Plan meiner Meinung nach unrealistische Vorstellungen schaffen kann. Frauen versteifen sich auf solche Pläne und sind oft sehr negativ eingestellt, wenn etwas anders kommt« (TN22, 2020). Alle genannten Gründe und die Häufigkeit ihrer Nennung sind Abbildung 1 zu entnehmen.

Die 82 TeilnehmerInnen, die sich für die Erstellung eines Geburtsplans aussprachen, nannten als Gründe zum Beispiel: »Damit sie sich schon vor der Geburt überlegen, was für Möglichkeiten sie überhaupt haben. Damit sie ohne Wehen entscheiden können, was sie möchten und was nicht« (TN259, 2020). Eine Befragte erzählte: »Ich habe in England gearbeitet, wo ein Geburtsplan obligatorisch ist. Es gibt keine negativen Aspekte über den Geburtsplan, wenn dieser vor der Geburt von der Hebamme überprüft wird und der Frau die Möglichkeit gibt, ihre Wünsche zu besprechen. Die Hebamme kann moderieren, was möglich ist und wo die Frauen flexibel bleiben sollten. Sie sind das beste Instrument, das es gibt, wenn es der Hebamme wirklich darum geht, den Frauen eine Geburtserfahrung zu ermöglichen, die sie sich wünscht.« (TN316, 2020). Warum die Erstellung eines Geburtsplans empfohlen wird, zeigt Abbildung 2.

Abbildung 1: Hauptgründe für die breite Ablehnung von Geburtsplänen in der Umfrage bei Hebammen und GynäkologInnen war, das Geburt nicht planbar sei und ein fester Plan die Gebärende auf einen »falschen« Weg führe.

Abbildung 2: Hauptargumente, einen Geburtsplan zu empfehlen, waren Selbstbestimmung und die Auseinandersetzung mit dem Thema Geburt.

Die Vorteile

Die möglichen Vorteile von Geburtsplänen wurde zunächst mithilfe mehrerer Antwortmöglichkeiten ermittelt. Die Mehrheit der TeilnehmerInnen gab an, dass Geburtspläne als gutes Informationsinstrument gesehen werden könnten. Beinahe die Hälfte der Befragten sieht Geburtspläne als Möglichkeit zur Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit und zur Förderung der Kommunikation zwischen dem Fachpersonal und der Frau. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Befragung zu Vorteilen von Geburtsplänen.

Ergänzend wurde eine offene Frage gestellt: »Gibt es weitere Vorteile, die der Einsatz eines Geburtsplans haben könnte?« Antworten der Befragten waren beispielsweise: »Wünsche und Vorstellungen können vorab auf Möglichkeit geprüft werden. So könnten Missverständnisse vermieden werden. Die Schwangere beschäftigt sich mit ihrem Körper, ihrem Kind und (den Möglichkeiten) der Geburt« (TN46, 2020). Oder: »Wenn mehr Frauen mit einem Geburtsplan an einer Klinik vorsprechen, wäre das medizinische Personal mehr sensibilisiert, achtsamer mit Gebärenden umzugehen. Die strukturelle Gewalt während einer Geburt/Wochenbett wäre nicht so ein großes Thema.« (TN242 2020). Alle weiteren genannten Vorteile zeigt Abbildung 4.

Abbildung 3: 65 % der GeburtshelferInnen sehen in Geburtsplänen ein Instrument zur Information der Frau.

Abbildung 4: Weitere Antworten zu Vorteilen von Geburtsplänen

Die Nachteile

Zu den möglichen Nachteilen, die das geburtshilfliche Fachpersonal im Einsatz von Geburtsplänen sieht, wurde ebenso zuerst eine Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten und anschließend eine offene Frage gestellt. Mit 85 % ist das »Schaffen unrealistischer Vorstellungen« der häufigste genannte Nachteil von Geburtsplänen. Zur Darstellung der möglichen Nachteile wurde ein Kreisdiagramm erstellt (siehe Abbildung 5).

Weitere Anmerkungen der Befragten zu den möglichen Nachteilen von Geburtsplänen waren unter anderem: »Dass sich betreuendes Personal angegriffen und bevormundet fühlen könnte (bei vielen meiner Kolleginnen habe ich dies leider beobachtet und vor allem bei Ärzten) weil es in seiner Kompetenz angezweifelt wird – keine gute Basis für eine Betreuung.« (TN122, 2020). Und: »Ablehnen von notwendigen Maßnahmen kann zu geburtshilflichen Komplikationen führen (beispielsweise protrahierte Geburt, Erschöpfung der Mutter, kindlicher Stress etc.).« (TN128, 2020) Alle Antworten der TeilnehmerInnen wurden kategorisiert und nach der Anzahl ihrer Nennungen in Abbildung 6 aufgelistet.

Abbildung 5: Das Schaffen unrealistischer Vorstellungen wird mit 85 % als stärkster Nachteil unter den Befragten wahrgenommen.

Abbildung 6: Weitere Antworten zu Nachteilen von Geburtsplänen

Unterschiede zwischen Jung und Alt

92 % der TeilnehmerInnen wurden im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem Thema Geburtsplan konfrontiert. Überraschenderweise gab jedoch die Mehrheit an, dass sie sich seltener als einmal pro Monat mit Geburtsplänen auseinandersetzt. Aufgrund der steigenden Beliebtheit solcher Pläne unter den Frauen und werdenden Eltern wurde vor der Erhebung vermutet, dass das geburtshilfliche Fachpersonal in der Praxis häufiger mit Geburtsplänen in Kontakt käme.

Die Datenanalyse zeigte, dass der Informationsbedarf zu Geburtsplänen mit dem Alter der TeilnehmerInnen abnimmt. Als Begründung käme einerseits in Frage, dass ältere Fachpersonen bereits viele Erfahrungen mit Geburtsplänen sammeln konnten und es ihrer Ansicht nach nicht notwendig ist, weitere Informationen einzuholen. Andererseits wäre es möglich, dass das jüngere Fachpersonal eine höhere Motivation aufweist, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Auch könnte unter jüngeren Fachkräften ein größeres Interesse an Geburtsplänen bestehen, da sie möglicherweise bereits in ihrer Ausbildung damit konfrontiert wurden.

Generell entsteht aufgrund der erhobenen Daten der Eindruck, dass die älteren TeilnehmerInnen eher dazu tendieren, Geburtspläne negativ zu sehen, als die jüngeren. Dies widerspricht den Ergebnissen einer US-amerikanischen Studie von Yalda Afshar und KollegInnen (Afshar et al. 2019). Demnach ist die Sicht auf Geburtspläne umso positiver, je älter die Befragten sind.

Die Vor- und Nachteile von Geburtsplänen aus der Sicht der Hebammen und GynäkologInnen stimmen mit den in der Fachliteratur beschriebenen positiven und negativen Aspekten von Geburtsplänen zu großen Teilen überein.

Interessanterweise zeigte sich: Je jünger die TeilnehmerInnen waren, desto häufiger gaben sie an, dass Geburtspläne negative Einflüsse auf die mütterliche Zufriedenheit haben könnten. Die Gruppe der jüngeren TeilnehmerInnen gab jedoch generell mehr Vorteile und auch mehr Nachteile an als die Gruppe der älteren Befragten.

Die Mehrheit der TeilnehmerInnen ist der Meinung, dass sich Geburtspläne mit aktuellen Leit- und Richtlinien vereinbaren lassen. An dieser Stelle wäre ein Abgleich der Inhalte von Geburtsplänen mit aktuellen Leitlinien und Standards interessant, um zu prüfen, ob sie tatsächlich vereinbar wären.

Einen realistischen Weg finden

Generell tendieren Fachliteratur und österreichische Fachpersonen eher zu einer negativen Sichtweise, was den Einsatz von Geburtsplänen betrifft. Dies scheint vor allem aus der Sorge zu resultieren, dass ein Geburtsplan bei der Frau zu unrealistischen Vorstellungen über den Ablauf der Geburt führen und Spannungen zwischen der Frau und den betreuenden Personen entstehen könnten.

Fest steht, dass eine Geburt nicht geplant werden kann. Doch Vorlieben können mitgeteilt werden. Es gilt als Aufgabe der betreuenden Personen sicherzustellen, dass angesichts der unvorhersehbaren Natur der Geburt alle Beteiligten anpassungsfähig und flexibel bleiben (Afshar et al. 2019).

Demnach wäre es für die Zukunft wichtig, dass Frauen, ehe sie einen Geburtsplan erstellen, von Fachpersonen über die Geburt und die möglichen Verläufe aufgeklärt werden. Zudem sollten ihnen die Betreuungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die sie an dem gewählten Geburtsort erwarten können, damit sie ihre Wünsche und Vorstellungen daran anpassen können. Dadurch könnten Geburtspläne in den Augen der Hebammen und GynäkologInnen zukünftig realistischer erscheinen. Sie wären besser umsetzbar und würden möglicherweise positiver wahrgenommen werden.

Zitiervorlage
Buttazoni, K. (2021). Umfrage zu Geburtsplänen: Wunsch und Wirklichkeit. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (4), 44–47
Literatur
Afshar Y, Mei J, Fahey J, Gregory KD: Birth Plans and Childbirth Education: What Are Provider Attitudes, Beliefs, and Practices?. The Journal of Perinatal Education 2019. 28, 10–17

Afshar Y, Wang ET, Mei J, Esakoff TF, Pisarska MD, Gregor KD: Childbirth Education Class and Birth Plans Are Associated with a Vaginal Delivery. Birth 2017. 44, 29–34

Buttazoni K: Vor- bzw. Nachteile von Geburtsplänen aus der Sicht von Hebammen und GynäkologInnen in Österreich. Donau-Universität Krems 2020

DeCoster B: Pushing for Empowerment: The Ethical Complications of Birth Plans. Janus Head 2019. 17, 76–92

Medeiros R, Figueiredo G, Correa A Barbieri M: Repercussions of using the birth plan in the parturition process. Revista Gaúcha de Enfermagem 2019. 12, 1–12

Mei JY, Afshar Y, Gregory KD, Kilpatrick SJ, Esakoff TF: Birth Plans: What Matters for Birth Experience Satisfaction. Birth 2016. 43, 144–150

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