Da nicht alle Frauen einen Rückbildungskurs besuchen, sind Beckenbodenübungen in der Wochenbettbetreuung wichtig. Foto: © Michael Plümer

Gymnastik im Wochenbett ist wichtig, um Thrombosen und Inkontinenz vorzubeugen. Studien belegen das Potenzial einer individuellen Anleitung.

In der Schwangerschaft sind Frauen in Deutschland mit zunehmenden Vorsorge-Untersuchungen und IGEL-Leistungen oft schon überversorgt. Dagegen sind heute etwa die Hälfte der Mütter und deren Kinder etwa ab dem dritten Tag nach der Geburt auf sich gestellt, da sie nicht von Hebammen zu Hause nachbetreut werden (siehe Seite 46ff.). Dabei können sie nach der Geburt von vielen kleineren und größeren Beschwerden bis hin zu ernsthaften Erkrankungen betroffen und ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden erheblich eingeschränkt sein. Was wissen wir darüber, bei welchen Beschwerden und Heilungsprozessen die frühe Wochenbettgymnastik wirksam ist?

Klassische Hebammenaufgabe: die Prophylaxe

Da das Wochenbett auch nach unkomplizierten, insbesondere aber nach operativen Geburten Frauen in ihrer Bewegungsaktivität mindestens in den ersten Tagen einschränkt, muss die nachsorgende Hebamme an die Vorbeugung der seltenen, aber schweren Komplikation der Thrombose denken. Eine Thrombose bedeutet den Verschluss eines Blutgefäßes durch ein festsitzendes Blutgerinnsel, was im Wochenbett am häufigsten in den Beinen oder im Becken vorkommt. Als Thromboseprophylaxe bezeichnet man alle medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Vorbeugung von Blutgerinnseln.

Eine Crossover-Kohorten-Studie mit 1.687.930 Frauen nach der ersten Geburt zeigte, dass Mütter unabhängig vom Geburtsmodus postpartal noch mindestens sechs bis zwölf Wochen lang ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko haben (siehe Abbildung 1, Kamel et al. 2014). Bei Verdacht ist die sonografische Abklärung angezeigt, die im Zweifel durch Szintigrafie oder Computertomografie zu validieren ist (Sanchez 2018).

In der S3-Leitlinie zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) heißt es: »Das individuelle Risiko setzt sich aus expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren zusammen. Das expositionelle Risiko ist durch Art und Umfang eines operativen Eingriffs oder Traumas beziehungsweise einer akuten Erkrankung mit Immobilisation charakterisiert. Das dispositionelle Risiko umfasst angeborene und erworbene personenbezogene Faktoren. Beide Aspekte sollen bei der Einschätzung des individuellen VTE-Risikos berücksichtigt werden.« (AWMF-Leitlinie 2015, S. 24).

Besonders wichtig ist es, in der Anamnese frühere venöse Thromboembolien zu erheben und klinisch zu beurteilen, da sie mit einem hohen Risiko für das Wochenbett verbunden sind. Zusätzlich zum Status post partum können für die Frauen folgende Risikofaktoren relevant sein:

  • eine venöse Thromboembolie bei Verwandten ersten Grades
  • bei der Wöchnerin chronische Herzinsuffizienz
  • Übergewicht (BMI über 30)
  • akute Infektionen und entzündliche Erkrankungen mit Immobilisation (mittleres Risiko)
  • nephrotisches Syndrom oder stark ausgeprägte Varikosis
  • eine Entbindung per Kaiserschnitt erhöht das Risiko eines VTE-Ereignisses um den Faktor fünf im Vergleich zur vaginalen Entbindung (Lindqvist et al. 1999; Simpson et al. 2001, benannt in der AWMF-Leitlinie 2015).

Daher ist es eine wesentliche Aufgabe der Hebamme, das individuelle Risiko einer Frau im Wochenbett zu ermitteln. Sie muss eine entsprechende Mobilisation anregen und fortsetzen, bis das Risiko auf das normale Niveau zurückgegangen ist – ohne weitere Risikofaktoren ist das nach rund 16 Wochen erreicht. »Allgemeine Basismaßnahmen sind Frühmobilisation, Bewegungsübungen, Anleitung zu Eigenübungen. Diese sollten regelmäßig bei allen Patienten zur Anwendung kommen« (AWMF 2015, S. 27). Neben der Frühmobilisation sind vor allem Bewegungsübungen angezeigt, die die Wadenmuskulatur aktivieren und die Venenpumpe unterstützen.

Bei der klassischen Übung, bei der die Füße auf und ab bewegt werden (»Fußwippen«), sollte die Frau darauf achten, dass sie dabei durchgehend die Beine aktiv streckt, da sonst der Effekt der Venenpumpe nicht vollständig erreicht wird!

Aktuelle Evidenzen zur Wirksamkeit der bekannten Übungen liegen leider nicht vor.

»Darüber hinaus ist auf eine adäquate Hydrierung des Patienten zu achten« (SIGN 2002 in AWMF 2015, S. 27). Zum Entstauen der Beine kann die Frau sie zusätzlich einige Minuten hochlegen. Bei höherem Thromboserisiko sollte der/die betreuende GynäkologIn individuell angepasste Kompressionsstrümpfe verschreiben, gegebenenfalls auch Heparin (AWMF 2015).

Anatomische Veränderungen

Die offensichtlichste körperliche Veränderung bei Schwangeren ist das enorme Bauchwachstum während des zweiten und dritten Trimenons, das die vier Lagen der Bauchmuskulatur stark ausdehnt und schwächt. Zu den Folgen dieser Beanspruchung sind in den vergangenen 20 Jahren so gut wie keine größeren Studien erschienen. Dabei ist eine intakte und leistungsfähige Bauchmuskulatur ebenso wichtig für viele Funktionen des Körpers wie ein kräftiger Beckenboden, beispielsweise bei der Atmung, der Aufrichtung und als Stabilisatoren der Rückenmuskulatur (Swanson 2001). Mögliche Folgen der häufigen und oft fehlerhaft angewendeten Kristeller-Technik auf die Bauchmuskulatur sind bisher überhaupt nicht erforscht worden.

Alle Organe des Harntraktes werden durch Schwangerschaft und Geburt mehr oder weniger reversibel verändert. Dazu gehören massive Änderungen der Lage und des Druckes, der Durchblutung und der Enervation von Uterus, Blase und Harnröhre, der Mobilität der Urethra, eine Vergrößerung des Levatorspaltes und manchmal Verletzungen des Levator ani (Preyer et al. 2006; Dietz 2003; Shek & Dietz 2010; Chan et al. 2013).

Das Kristeller-Manöver erhöht deutlich das Risiko eines Levatorabrisses (Youssef et al. 2018). Auch Forzepsgeburten erhöhen das Risiko (Handa et al. 2018).

Mögliche Folgen dieser meist nicht diagnostizierten inneren Verletzung können Harninkontinenz und Senkungen der Beckenorgane sein (Eisenberg et al 2010; Dietz et al. 2012; Chan et al. 2013).

Viele der leichteren Veränderungen bilden sich nach der Geburt spontan zurück. Manche – wie ein Muskel- oder Bänderabriss – bleiben dauerhaft bestehen und können sich in Beschwerden äußern. Dazu zählen Senkungs- oder Druckgefühle, Funktionseinbußen, Vernarbungen, Schmerzen oder sexuelle Störungen. Die Zahlen zu deren Prävalenz differieren stark, je nach Definition.

Durch einfache visuelle oder manuelle Diagnose wie auch durch bildgebende Verfahren lassen sich zahlreiche Verletzungen und anatomische Veränderungen darstellen. Aber nicht alle diese Veränderungen müssen tatsächlich Beschwerden machen. Und nicht allen Symptomen lassen sich eindeutige anatomische Veränderungen zuordnen.

Eine genaue Anamnese der Beschwerden und Einschränkungen post partum ist daher wichtig für eine adäquate, den individuellen Erfordernissen angepasste Rückbildungsgymnastik, die möglichst alle betroffenen Körperpartien unterstützt.

Erkenntnisse für die Praxis
  • Die Hebamme sollte immer das individuelle Thrombose-Risiko einer Frau im Wochenbett ermitteln und eine entsprechende Mobilisation anregen sowie ausreichend lange fortsetzen.
  • Beim klassischen »Fußwippen« sollte die Frau darauf achten, dass sie die Beine aktiv streckt, da sonst der Effekt der Venenpumpe nicht vollständig erreicht wird!
  • Eine genaue Anamnese der Beschwerden und Einschränkungen post partum ist wichtig, um die Rückbildungsgymnastik den individuellen Erfordernissen anzupassen und möglichst alle betroffenen Körperpartien zu unterstützen.
  • Ideal für eine erste dosierte Wochenbett-Rückbildungsgymnastik und aufbauende Beckenbodenarbeit ist der 10. bis 21. Tag post partum, nach Kaiserschnitt etwa ab dem 14. Tag.
  • Bereits in der späten Schwangerschaft hilft das Beckenbodentraining, das Risiko für Inkontinenz wie auch bestehende Beschwerden zu verringern.
  • Postpartal verringert es bei Frauen ohne vorherige Inkontinenz das Risiko anhaltender Inkontinenz. Bei Frauen mit Inkontinenz drei Monate nach der Geburt werden die Beschwerden bis zwölf Monate post partum geringer. Je intensiver das Training, desto besser die Ergebnisse.

Was tun gegen Inkontinenz?

Harninkontinenz unterschiedlicher Stärke ist bereits in der Schwangerschaft extrem häufig, sie betrifft etwa die Hälfte aller schwangeren Frauen. Von den Frauen, die vor der Schwangerschaft kontinent waren, ist etwa jede Dritte in der Schwangerschaft harninkontinent (39,1 %) (Wesnes et al. 2007). Vor der ersten ausgetragenen Schwangerschaft haben bereits etwa 10 % aller Frauen Episoden von Harninkontinenz erlebt (Brown et al. 2010). Im dritten Trimester der Schwangerschaft haben mehr als die Hälfte aller Frauen eine Form der Harninkontinenz (55,9 %). Dabei ist die Stressinkontinenz am häufigsten (36,9 %), gefolgt von gemischten Formen (13,1 %).

Ein Jahr nach der Geburt ist die Rate der Harninkontinenz immer noch fast doppelt so hoch wie bei Frauen ohne eine durchlebte Schwangerschaft und liegt noch bei etwa 29,3 % (Hansen et al. 2012). Zwölf Jahre nach der Schwangerschaft sind mehr als die Hälfte aller Frauen weiterhin stressinkontinent. Von den Frauen, bei denen das schon in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt auftrat, sind 57 % davon betroffen (Viktrup et al. 2006).
Auch Stuhl- und Flatusinkontinenz sind keine seltenen Probleme von Frauen nach der Geburt. In einer Studie von Erica Eason und KollegInnen mit 949 Frauen, die vor der Geburt Dammmassagen durchgeführt hatten, berichteten 3,1 % von Stuhlverlusten und 25,5 % von Schwierigkeiten beim Halten von Winden. Besonders häufig betroffen waren Frauen mit Dammrissen dritten und vierten Grades oder vaginal operativen Geburten (Eason 2004).

Es hat sich gezeigt, dass sich das Risiko anhaltender Inkontinenz bei Frauen ohne vorherige Inkontinenz mit einem postpartalen Beckenbodentraining verringern lässt. Auch bei Frauen mit Inkontinenz drei Monate post partum werden die Beschwerden bis zwölf Monate post partum geringer. Je intensiver das Training, desto besser scheinen die Ergebnisse zu sein. Auch in der späten Schwangerschaft hilft das Beckenbodentraining, das Risiko wie auch bestehende Beschwerden zu verringern (Boyle et al. 2012).

Hilft Beckenbodentraining wirklich?

Ein aktuelles Cochrane-Review zeigt, dass Beckenbodentraining für Frauen mit Stress-Harninkontinenz unabhängig von einer Geburt eine deutliche Verbesserung bringen kann (Dumoulin 2018). Die 31 im Review eingeschlossenen Studien untersuchten die Angaben von 1.817 Frauen mit Stress-, Drang- oder kombinierter Harninkontinenz aus 14 Ländern. Die Frauen wurden zufällig Gruppen mit oder ohne Beckenbodentraining zugeteilt. Frauen mit Stressinkontinenz hatten in der Beckenbodentrainings-Gruppe eine achtmal höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Inkontinenz vollständig heilt, bei anderen Formen eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit. Negative Nebenwirkungen des Beckenbodentrainings waren sehr selten und unerheblich.

Ein weiteres Cochrane-Review untersuchte 38 Studien mit 9.892 Frauen vor oder nach der Geburt aus 20 Ländern (Woodley et al. 2013). Mütter, die ihr Baby maximal drei Monate zuvor geboren hatten, mit einer Urin- und/oder Stuhlinkontinenz oder ohne Inkontinenz, wurden zufällig Gruppen mit oder ohne Beckenbodenübungen zugeteilt. Frauen, die die Übungen bereits in der Schwangerschaft begonnen hatten, berichteten seltener von ungewolltem Urinverlust während der späten Schwangerschaft und bis zu sechs Monate nach der Geburt. Unklar blieb, ob diese Wirkung bis zu einem Jahr post partum anhielt. Wurde erst nach der Geburt mit den Übungen begonnen, war die Wirkung auf den ungewollten Urinverlust ein Jahr nach der Geburt unklar.

Eine Schwäche der Analyse war, dass die Beckenbodenübungen sich erheblich zwischen den Studien unterschieden und oft unzureichend beschrieben waren. Die AutorInnen werteten die Qualität der Evidenz als insgesamt niedrig bis sehr niedrig. Es gebe demnach keine Kenntnisse zum Kosten-Nutzen-Verhältnis von Beckenbodenübungen, da keine der Studien eine gesundheitsökonomische Analyse beinhaltete.

Mônica Faria Felicíssimo und KollegInnen untersuchten, ob ein Beckenbodentraining bei Frauen mit Stressinkontinenz in einer physiotherapeutisch geleiteten Gruppe wirksamer ist, als wenn sie es täglich selbstbestimmt zu Hause durchführen, wie es bei der Anleitung durch eine Nachsorgehebamme der Fall ist (Felicíssimo et al. 2010). Beide Studiengruppen zeigten nach acht Wochen ähnliche signifikante Verbesserungen in allen untersuchten Ergebnissen, wie der Stärke der Beckenbodenmuskeln, der Übungshäufigkeit, messbaren Anzeichen von Inkontinenz und den subjektiven Empfindung von Urinverlust.

Da nicht alle Frauen einen Rückbildungskurs besuchen, sollte die Betreuung im Wochenbett immer zur Stärkung der Beckenbodenmuskeln wie auch zur gezielten Behandlung von Inkontinenz nach der Geburt genutzt werden.

Welche Gymnastik funktioniert?

Eine randomisiert kontrollierte Studie mit 845 Erstgebärenden mit Einlingsschwangerschaft untersuchte den Effekt eines intensiven zwölfwöchigen Körper- und Beckenbodentrainings zwischen der 20. und 36. Schwangerschaftswoche im Vergleich zu einer Gruppe Schwangerer ohne angeleitetes Training (Mørkved et al. 2003). Die Teilnehmerinnen beider Trainingsgruppen erhielten Informationen über Lage, Funktion sowie eine einmalige praktische Anleitung zur Aktivierung des Beckenbodens inklusive einer Rückmeldung durch eine vaginale Untersuchung bei der Anspannung. Die Kontrollgruppe erhielt keine weitere Trainingsanleitung, sondern nur die üblichen Informationen über die Möglichkeit des Beckenbodentrainings durch ihre Betreuenden.

Das Training der Interventionsgruppe mit 10 bis 15 Frauen dauerte jeweils 60 Minuten und begann mit einer Aufwärmphase auf dem Fahrrad-Ergometer. Die Beckenbodenübungen wurden so durchgeführt, dass die Frauen eine beinahe maximale Anspannung für sechs bis acht Sekunden hielten, mit drei bis vier anschließenden kurzen Kontraktionen und sechs Sekunden Pause. Diese Übung führten sie in verschiedenen Körperhaltungen mit geöffneten Beinen durch, und zwar im Sitzen, Liegen, Knien und Stehen. Dazwischen wurden kräftigende Übungen für Bauch, Rücken, Oberschenkel zu Musik angeleitet. Ergänzend gab es Übungen zur Körperwahrnehmung, Atmung und Entspannung.

Außerdem wurden die Frauen dazu angeregt, zu Hause weiter zu üben, indem sie zweimal täglich zwölf starke Beckenbodenanspannungen in einer Körperhaltung ihrer Wahl durchführten und dies dokumentierten.

Das Training brachte deutliche Erfolge in der eigenen Einschätzung der Häufigkeit und Schwere von Harninkontinenz für die Schwangerschaft und auch noch nach der Geburt (siehe Abbildung 2). Als inkontinent gewertet wurden Frauen, die über mindestens einmaligen Urinverlust pro Woche berichteten.

Auch die Stärke der Beckenbodenmuskeln nahm zu, gemessen mit einer vaginalen Untersuchung sowie einem Druckmesser mithilfe eines Vaginalballons, und das sowohl am Ende des Trainingskurses als auch noch drei Monate nach der Geburt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 2: Nach dem Beckenbodentraining in einer angeleiteten Gruppe litten die Frauen weniger unter Inkontinenz als ohne Anleitung.

Abbildung 3: Nach dem angeleiteten Trainingskurs hat die Beckenbodenstärke messbar zugenommen.

Zur körperlichen Aktivität anregen

Möglicherweise kann sich der häufige ärztliche Rat an Schwangere, bei jeder Schwäche oder fraglichem Risiko auf körperliche Aktivität zu verzichten, hemmend auf die Zeit nach der Geburt auswirken. Hierzu gibt es keine Untersuchungen. Hebammen können in der (Re-)Aktivierung der Frau zu Bewegung in Schwangerschaft und Wochenbett eine wichtige Rolle einnehmen. Sie sind die Fachfrauen, die der Mutter nach der Geburt Anregung und Anleitung, Raum und Motivation zur (Wieder-) Aufnahme gesunder und bewusster Bewegung geben können.

Sanfte und zugleich effektive Übungen, die dem Zustand der Frau angepasst sind, können frühzeitig verschiedene körperliche und seelische Beschwerden lindern. Dies kann auch ein Beitrag sein, damit die Frau ein Gefühl von Kontrolle, Wirksamkeit und Lust an ihrem Körper und über ihr Leben zurückgewinnt. Wenn aber die Nachsorge-Hebamme die Rückbildungsgymnastik nicht oder nur sehr rudimentär in ihre Betreuung einbezieht, ist sie kein gutes Vorbild für die Mutter.

Hebammen können im Wochenbett aktiv durch ihre Anleitung und ihren Zuspruch Frauen darin bestärken, Sport und Bewegung als eine wichtige Ressource zu sehen, um körperlich und seelisch gesund und leistungsfähig zu bleiben – für sich und die Familie. Eine qualitative Erhebung zum Präventionspotenzial der sanften und indirekten Beckenbodenarbeit im Frühwochenbett zeigte, dass den Wöchnerinnen eine Unterstützung zu folgenden Themen bedeutsam war: die Gesundheitsförderung, angepasste Aktivität und Schonung im Wochenbett, Wahrnehmen-Können der Mutterrolle, Gelegenheit zur Orientierung, Erholungsinseln und Aktivierung der eigenen Ressourcen (explorativ deskriptive Studie, Röthlisberger 2013). »Wiederholte Information und Anleitung mit alltagstauglichen Übungen und Verhaltensanregungen, idealerweise angeknüpft an bereits Bekanntes, begünstigen die Integration in den Familienalltag.« (Röthlisberger 2015, S. 269).

In den ersten Tagen post partum ist die Entlastung des Beckenbodens durch häufiges Liegen sinnvoll, da die Thromboseprophylaxe und Spür-Übungen für Atmung und Körper im Vordergrund stehen.

Für eine erste dosierte Wochenbett-Rückbildungsgymnastik und aufbauende Beckenbodenarbeit ist der 10. bis 21. Tag post partum ideal, nach Kaiserschnitt etwa ab dem 14. Tag (Röthlisberger 2015).

Etwa ab der vierten Woche kann die Frau – unter Rücksichtnahme auf Anzeichen von Ermüdung oder Schmerzen – zu stärkeren Übungen für den Aufbau der Beckenboden- und Bauchmuskulatur angeleitet werden und selbst weiter üben, bis der Rückbildungskurs beginnt.

Hilfsmittel verwenden?

Rückbildungsgymnastik im Wochenbett sollte zunächst ohne vaginale Übungsgeräte beginnen, da die Vagina und der Levatormuskel nach einer Schwangerschaft und Geburt meist noch zu geweitet ist für diese Methode. Nach einer Regenerationsphase, einigem Training und je nach Bedürfnis und Empfinden der Frau kann sie gegen Ende des Wochenbettes aber mit einem Konustraining beginnen. Dazu muss sie die einzuführenden Gewichte bereits mit dem Levator umschließen und für einige Minuten festhalten könnten. Vaginalkonen können die Muskeln des Beckenbodens schneller wieder kräftigen und festigen helfen (Herbison & Dean 2013).

Inzwischen gibt es auch digitale Geräte, die mit Muskelanspannung im Liegen funktionieren und mit Feedbackmethoden auf dem Smartphone arbeiten (beispielsweise der »Elvie Trainer«).

Studien, die die Wirkung von Beckenbodentraining, Elektrostimulation oder beidem auf Urinverlust, Lebensqualität und vaginale Muskelkontraktion untersuchten, zeigten, dass der Urinverlust sich bei allen Therapien verringerte (Patil et al. 2010; Lo et al. 2003; Demirtürk et al. 2008; Barroso et al. 2004). Im Gruppenvergleich schnitt die kombinierte Therapie jedoch signifikant besser ab als das reine Beckenbodentraining. Am Ende der Wochenbettbetreuung sollte bei anhaltender Stressinkontinenz daher auch daran gedacht werden, die Frau zur Verschreibung einer Elektrostimulation an die/den GynäkologIn weiterzuleiten.


Hinweis: Im zweiten Teil des Beitrags wird Tara Franke mehr aktuelles Wissen zur Bedeutung von Bewegung und Sport nach der Geburt vorstellen.


Zitiervorlage
Franke T: Rückbildungsgymnastik und Evidenz, Teil 1: Viel hilft viel. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2019. 71 (2): 34–39
Literatur

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