Dr. Arnd Grosch ist Arzt und Unternehmer. Seit 2005 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Grosch Consulting GmbH. Foto: © GHS Grosch Hebammen Service

Die Geburtshilfe ist von Personalengpässen geprägt. Leiharbeitsfirmen könnten dazu beitragen, Hebammen dorthin zu vermitteln, wo sie benötigt werden. Die Leiharbeitsfirma GHS Grosch Hebammen Service hat sich speziell dem Hebammenberuf verschrieben. Ein Gespräch über das Potenzial einer zielgerichteten Vermittlung zwischen Hebamme und der Klinik als Arbeitsplatz.

Foto: © GHS Grosch Hebammen Service

Birgit Heimbach: Sie haben vor fast vier Jahren eine Agentur für Leihhebammen gegründet. Ursprünglich sollte es eine Vermittlungsagentur für Pflegekräfte werden, denn Sie sahen in dem Bereich großen Bedarf. Wie kam es dazu, stattdessen eine solche Agentur für die Hebammen zu gründen?

Anette GroschEs war wie so oft: Man denkt an nichts Besonderes und dann klopft es an der Tür. »Könnt ihr auch Hebammen«, wurden wir gefragt. Und als Dienstleistungsunternehmerin gibt es da nur eine Antwort: »Ja, können wir!«

Wie viele Hebammen sind derzeit bei Ihnen angestellt?

Dr. Arnd Grosch: Die 50er Marke haben wir geknackt. Das Schöne ist: Wir wachsen langsam, aber stetig. Dadurch verlieren wir nicht den Kontakt zu unseren Hebammen und Kliniken. In anderen Geschäftsbereichen ist Wachstumsschnelligkeit das Maß der Dinge. Das funktioniert aber bei Hebammen nicht. Manche sind mit uns schon seit drei Jahren in Kontakt, bis sie dann so viel Vertrauen in GHS geschöpft haben, dass sie tatsächlich zu uns kommen. Unser Hebammenservice ist ein Marathon, kein Sprint.

Es gibt überwiegend Agenturen, die innerhalb des Pflege- und Medizinbereichs vermitteln – teils auch Hebammen. Sind Sie die einzige Agentur, die sich auf Hebammen konzentriert?

Anette Grosch: Unseres Wissens ja. Diese Spezialisierung werden wir auch weiterverfolgen. Hebamme ist ein ganz besonderer Beruf, den es auch entsprechend zu würdigen gilt. Hebammen gehören in der Klinik nicht zur Pflege, sondern zum Funktionspersonal, tragen aber eine ungeheure Verantwortung und agieren häufig mit dem ärztlichen Dienst auf Augenhöhe.

Arbeiten Sie mit bestimmten Krankenhäusern zusammen oder kann sich im Grunde jede Klinik bei Ihnen bei Bedarf melden?

Arnd Grosch: Prinzipiell arbeiten wir bundesweit von der kleinen Geburtsklinik bis zum Level-1-Haus. Es ist der Personalmangel, der Personal-, Pflegedienst- oder Klinikleiter:innen zum Hörer greifen lässt. Als Faustregel gehen wir davon aus, dass von den etwa 650 Geburtskliniken mindestens 250 einen massiven Personalmangel haben.

An wie viele Klinken haben Sie schon wie viele Hebammen vermittelt?

Anette Grosch: Wir sind mit gut 200 Kliniken im Austausch, mit 100 bestehen vertragliche Beziehungen und 60 Kliniken haben wir in diesem Jahr konkret bedient.

Auf Ihrer Homepage steht: Egal ob Vollzeit oder Teilzeit: Hebammen können bei der Klinik angestellt, als Beleghebamme oder Leihhebamme arbeiten. Die Modelle können auch kombiniert werden. Wie kann das funktionieren?

Arnd Grosch: Der volkswirtschaftliche Nutzen von Grosch Hebammen Service besteht darin, Hebammen, die dem Kreißsaal den Rücken gekehrt haben oder kehren wollen, einen Wiedereintritt oder Verbleib in der Geburtshilfe zu ermöglichen. Das geht nur, wenn wir flexible Arbeitszeitmodelle umsetzen. Die Zauberworte heißen Planung und Kommunikation. Dabei ist es egal, ob wir mit der angestellten Klinik-Stammbesetzung oder Beleghebammen oder anderen Arbeitnehmerüberlassungs­kräften kooperieren.

Sind die Leihhebammen über Ihre Firma haftpflichtversichert?

Anette Grosch: Was die Haftpflichtversicherung angeht, so werden unsere Hebammen über die Klinik versichert. Das ist in unseren Rahmenverträgen mit den Kliniken vereinbart.

Was ist der Hauptgrund, warum Hebammen bei Ihnen arbeiten möchten und nicht angestellt?

Anette Grosch: Da möchte ich zunächst einmal mit einem Missverständnis aufräumen: Alle unsere Hebammen sind fest und unbefristet bei GHS angestellt. Der Hauptgrund, der für uns spricht, ist ganz trivial: Wir kümmern uns. Als Dienstleistungsunternehmen können wir nur existieren, wenn unsere Hebammen zufrieden sind und unsere Kunden. Da stecken viel Planung, viel Trouble-Shooting und viel Leidenschaft dahinter. Na ja, und es gibt auch Hebammen, die Spaß daran haben, in verschiedenen Kliniken zu arbeiten.

Gibt es von Seiten der Klinik auch mal Probleme, über Sie Leihhebammen zu buchen?

Anette Grosch: Gelegentlich. Ein Beispiel – in einer Reihe von kleineren geburtshilflichen Abteilungen beobachten wir folgendes Paradoxon: Obwohl Pflegedienstleitung und Leitende Hebamme gerne mit uns zusammenarbeiten würden und wir auch qualifizierte Hebammen hätten, die gerne in den betreffenden Kliniken arbeiten würden, wird die Zusammenarbeit von der Geschäftsleitung blockiert. Dies lässt sich teilweise mit einem gezielten und politisch abgesprochenen Schrumpfungsprozess bis hin zur Schließung erklären. Ganz anders in den von uns belieferten Häusern, in denen der politische und unternehmerische Wille zum Wachstum in der Größenordnung von 1.000 Geburten pro Jahr vorhanden ist. Für GHS ist es eine Freude, diesen Aufbruch mit Personallösungen im Kreißsaal und Beratung zu begleiten.

Krankenhausplanung ist Ländersache und wird nicht vom Bund geregelt. Herr Dr. Grosch, Sie beraten Kliniken. Sie finden, dass zu viel Chaos herrscht. Was empfehlen Sie Kreißsälen für die Zukunft?

Arnd Grosch: Bessere Organisation! Wir erleben immer wieder organisatorische Mängel, unabhängig vom Krankenhausträger. Hier setzen wir mit der GHS Prozess- und Qualitätsmanagement­beratung an. Ein einfaches Beispiel: Jeder Flughafen weiß, wann ungefähr welches Flugzeug landen möchte. Im Kreißsaal ist es nichts anderes: Die Wahrscheinlichkeiten der Geburtstermine zeigen die Wochen an, in denen es voraussichtlich viele Geburten geben wird. Damit lässt sich die Personalplanung verbessern. Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber die Summe aller Maßnahmen macht den Unterschied.

Und warum wird das nicht verwirklicht?

Arnd Grosch: Die Personalengpässe sind häufig eine Folge von hoher Arbeitsbelastung, fehlender Führung, inadäquater Entlohnung, fehlender Anerkennung und Ausbleiben einer beruflichen Perspektive. Für letztere entwickelt GHS gerade eine Qualifikations­offensive von Praxisanleiter:innen und leitenden Hebammen. Ein schwieriges Feld, aber wenn nicht wir, wer sonst? Und für die übrigen Punkte empfehlen wir sowohl ein Qualitäts- als auch ein Marketingbewusstsein. Im digitalen Zeitalter sind alle Unternehmen, auch Kliniken, transparenter denn je.

Am Ende schließt GHS mit seinen Hebammen in Arbeitnehmerüberlassung einen Teil der Personallücken in der Geburtshilfe. Wir empfehlen den Kliniken, rechtzeitig zu buchen und nicht erst, wenn die Schließung des Kreißsaals kurz bevorsteht.

Was sollten angestellte Hebammen Ihrer Meinung nach verdienen?

Anette Grosch: Vorsicht! Geld ist nicht alles! Häufig sind die Planbarkeit des Lebens, die Entpflichtung von hebammenfremden Arbeiten, und das Vermeiden von der häufigen Leitung von Parallelgeburten genauso wichtig wie die Entlohnung. Konkret: Wir halten ein monatliches Gehalt von 4.000 Euro brutto plus Zuschläge für eine junge Hebamme ab dem dritten Jahr für angemessen.

Auf Ihrer Homepage steht: Trotz einiger Kritikpunkte stellt die IGES-Studie eine gute Arbeitsgrundlage für Kliniken und Dienstleister:innen wie GHS Grosch Hebammen Service dar. Welche Kritikpunkte haben Sie an der Studie?

Arnd Grosch: Oh, das sind eine ganze Menge. Ich empfehle hierzu den Artikel auf unserer Homepage (> www.grosch-hebammen-service.de/wohin-soll-es- mit-der-geburtshilfe-in-deutschland-gehen/). Im Kern der Kritik steht aus meiner Sicht der Wille des Gesetzgebers, kleine unökonomische Geburtskliniken zu schließen. Und das IGES Institut hat alles so hinbekommen, dass es für etwa 120 Geburtskliniken vor allem in ländlichen Gebieten eng werden wird. Viele der realen Probleme wurden aber ausgeblendet: Qualitätsmanagement, DRG-System, Akademisierung der Hebammenausbildung, Ärzt:innenmangel, ausländische Hebammen, u.a.m.

IGES-Studie zur geburtshilflichen Versorgung
Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2019 beim Forschungs- und Beratungsinstitut IGES in Berlin eine Studie zur stationären Hebammenversorgung in Auftrag gegeben, die im September 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das Institut hat dazu Hebammen, Kliniken und Mütter befragt. Zuvor hatte es ähnliche Untersuchungen bereits in Sachsen, Thüringen und Bayern durchgeführt.

Ein Schlusswort?

Arnd Grosch: Zwischen 750.000 und 800.000 Neugeborene wollen jedes Jahr das Licht der Welt erblicken. Um diese Geburten zu leiten, bedarf es mindestens 8.000 Vollzeit-Hebammen, die es bis auf weiteres nicht gibt. Diesen Mangel zu lindern durch Arbeitnehmerüberlassung und Qualifizierung von Hebammen sowie Beratung von Kliniken ist unsere Mission. Aber das letzte Wort hat immer meine Frau!

Anette Grosch: Geburtshilfe ist das lebensbejahendste Fach der Medizin und ich habe in den fast vier Jahren viele fantastische Hebammen kennengelernt. Das motiviert mich jeden Tag.

Zitiervorlage
Heimbach, B. (2022). Interview mit Anette und Arnd Grosch – über Leihhebammen: »Zauberworte: Planung und Kommunikation«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 74 (1),
Links
IGES Studie, vorgestellt von Grosch Hebammen Service (GHS): www.grosch-hebammen-service.de/wohin-soll-es-mit-der-geburtshilfe-in-deutschland-gehen/
https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png