Abbildung 1: Klinische Situation einer beginnenden Initialkaries an den Oberkieferfrontzähnen. Die weißlichen Entkalkungen der Zähne manifestieren sich zuerst an den Glattflächen und erscheinen wie ein Band am Zahnfleischrand. Ursache für die sogenannten „White spots" sind Demineralisationsprozesse, bedingt durch die Umspülung der Zähne mit zucker- und/oder säurehaltigen Getränken. Fotos: © Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Greifswald

Kariöse Milchzähne können zu massiven Gesundheitsproblemen führen. Und die Zerstörung der Zähne setzt viel früher ein, als die Eltern es wahrnehmen oder wahrhaben wollen. Dreh- und Angelpunkt ist eine frühzeitige Aufklärung, schon in der Schwangerschaft. Hier sind Hebammen wichtige Multiplikatorinnen.

Konsequent umgesetzte Präventionsmaßnahmen konnten in den letzten Jahrzehnten die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen erheblich verbessern. Bei der Milchzahnkaries stagniert allerdings der sogenannte „caries decline” – der Rückgang der Karies. Wie die Zahlen belegen, nimmt Karies gerade bei Kleinkindern eher schleppend ab (DAJ 2010).

Zucker ist destruktiv

Ursache für diese unbefriedigende Situation ist die bereits kurz nach dem Zahndurchbruch auftretende, rasch voranschreitende frühkindliche Karies, auch als Early Childhood Caries (ECC) bekannt. Die American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) definiert diese frühkindliche Karies als eine Erkrankung von Kindern unter 72 Monaten (sechs Jahre), bei der ein oder mehrere Zähne kariös, gefüllt oder aufgrund einer Karies extrahiert sind (AAPD 2008). Detaillierter ist die Klassifikation nach Amjad H. Wyne (1999): Abzugrenzen ist die „allgemeine Milchzahnkaries” (Typ 1), die im Alter von zwei bis fünf Jahren aufgrund mangelnder Mundhygiene vorrangig auf den Kauflächen und in den Zahnzwischenräumen im Milchmolarenbereich auftritt. Daneben tritt die sogenannte Nuckelflaschenkaries auf (Typ 2 und 3). Dabei manifestieren sich neben Zahnbelägen Zahnfleischentzündungen (gerötetes und geschwollenes Zahnfleisch mit Blutungsneigung) und kreidig-weiße (Initial-)Läsionen beziehungsweise kariöse Defekte vornehmlich an den Oberkieferfrontmilchzähnen (Typ 2, siehe Abbildung 1 bis 3). In schweren Fällen greifen sie auf das Gesamtgebiss über (Typ 3).

Abbildung 1: Klinische Situation einer beginnenden Initialkaries an den Oberkieferfrontzähnen. Die weißlichen Entkalkungen der Zähne manifestieren sich zuerst an den Glattflächen und erscheinen wie ein Band am Zahnfleischrand. Ursache für die sogenannten „White spots" sind Demineralisationsprozesse, bedingt durch die Umspülung der Zähne mit zucker- und/oder säurehaltigen Getränken. Fotos: © Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Greifswald

Abbildung 2: Die rasch voranschreitende frühkindliche Karies führt bei progressivem Verlauf zur Zerstörung der Zahnkronen. Bei dem rechten mittleren Milchschneidezahn hat sich bereits eine Entzündung an der Wurzelspitze mit einer sichtbaren Fistel gebildet.

Abbildung 3: Klinische Situation der frühkindlichen Karies mit kariöser Zerstörung der Milchbackenzahme im Ober- und Unterkiefer.

Die Ursachen der frühkindlichen Karies sind multifaktoriell. Als Risikofaktoren werden der exzessive Gebrauch der Nuckelflasche mit kariogenen beziehungsweise erosiven Getränken genannt (AAPD 2008), und dies insbesondere nachts (Deichsel et al. 2012). Hinzu kommen die frühzeitige orale Infektion mit kariesauslösenden Bakterien (Mutans-Streptokokken) (Smith et al. 2002) meist von der Mutter und ein niedriger sozioökonomischer Status (Deichsel et al. 2012). Nach der „Infektion” mit kariogenen Keimen in den ersten Lebensmonaten verstoffwechseln diese den Zucker aus Lebensmitteln und Getränken zu Säure. Sie bewirken einen rapiden und tiefen Abfall des pH-Wertes und erhöhen dementsprechend das Kariesrisiko. Dabei wirkt eine hohe Frequenz der Zuckeraufnahme, die meist auch eine größere Zuckermenge bedingt, enorm Karies fördernd (Rodrigues et al. 2000).

Durch das permanente Nuckeln an der Flasche werden die oberen Milchzähne von süßen Getränken ständig umspült. Je häufiger Kinder diese kariogene Nahrung trinken, desto eher treten Demineralisationsprozesse an ihren Zähnen auf. Daher sind die „Selbstbedienung”, der Dauergebrauch sowie das nächtliche Trinken mit der Nuckelflasche zu vermeiden. Die Flüssigkeitsaufnahme soll ausschließlich als „Durstlöscher” erfolgen. In diesem Zusammenhang wird das kariogene Potenzial von Muttermilch mit einem Lactosegehalt von sieben Prozent in der Literatur unterschiedlich beschrieben (Caplan et al. 2008; Mohebbi et al. 2008). Mehrere aktuelle Studien haben gezeigt, dass das Stillen allein nicht das Kariesrisiko bei Säuglingen erhöht (Mohan et al. 1998; Iida et al. 2007; Mohebbi et al. 2008), mit der Ausnahme des nächtlichen Dauerstillens (Valaitis et al. 2000; Johannson et al. 2010).

In einer Studie von Borutta et al. (2006) konnte gezeigt werden, dass sich mit einer drastischen Reduzierung von ungesüßtem Tee und gleichzeitigem Anstieg von Fruchtsaftkonsum über zwei Jahre die naturgesunden Kindergebisse von 90 Prozent auf 53 Prozent minimierten, indem ein Anstieg an kariösen, gefüllten oder zerstörten beziehungsweise fehlenden Zähnen zu verzeichnen war.

Das kariesfördernde Ernährungsverhalten geht häufig mit einer inadäquaten Zahn- und Mundhygiene des Kleinkindes einher. So versäumen die Eltern oftmals, mit dem Zähneputzen zu beginnen, wenn der erste Milchzahn durchbricht. Gleichzeitig ist die Zufuhr von Fluoriden, die den Demineralisierungsprozessen der Karies entgegenwirken, unregelmäßig oder unzureichend (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Aktuelle Fluoridempfehlungen zur Kariesprophylaxe für Kinder beginnend ab dem 6. Lebensmonat (BZÄK, DGZMK 2013)

Mehr Karies in sozialen Brennpunkten

Nicht nur in Deutschland, sondern auch international ist die frühkindliche Karies eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Klein- und Vorschulkindern. Sie kommt fünfmal häufiger als Asthma und siebenmal öfter als Heuschnupfen vor (USDHHS 2000). Damit stellt die frühkindliche Karies national und international ein ernsthaftes und bislang ungelöstes Versorgungsproblem dar (Vadiakas 2007).

Derzeitig existieren zu dieser Altersgruppe nur regionale Daten, so dass ein Vergleich nur bedingt möglich ist. Aktuellen Literaturangaben zufolge liegt die durchschnittliche Prävalenz der frühkindlichen Karies unter Einbeziehung der Initialläsionen in Deutschland bei 10 bis 15 Prozent (siehe Abbildung 5). International liegt die Prävalenz zwischen 3 und 45 Prozent. Im Land Brandenburg konnten Gudrun Rojas und KollegInnen (2013) feststellen, dass bereits 5,3 Prozent der untersuchten Kinder zwischen 13 und 36 Monaten eine manifeste frühkindliche Karies aufwiesen und sich bei 7,4 Prozent eine beginnende Karies zeigte. Zur Häufigkeit von initialer frühkindlicher Karies existieren Unterschiede zwischen der sozialen Einstufung (Robke 2008). Dies deutet auf eine stärkere Umsetzung prophylaktischer Maßnahmen bei höherem Bildungsstand hin, die eine Manifestation von „Löchern” verhindern. Generell weisen besonders Kinder mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status oder mit Migrationshintergrund ein erhöhtes Risiko auf, an frühkindlicher Karies zu erkranken (Winter et al. 2010; Tinanoff 1998). Sie haben eine doppelt so hohe Karies­prävalenz (Pieper et al. 2008). In sozialen Brennpunkten steigen die Prävalenzen bis auf 35 bis 41,7 Prozent (Nies et al. 2008).

Abbildung 5: Regionale Studien zur Prävalenz von frühkindlicher Karies (Typ 2.) (Quellen: Baden et al. 2008; Berndt et al. 2007; Born et al. 2008; Gräßler et al. 1998; Pieper et al. 1999; Deichsel et al. 2012; Hirsch et al. 2000; Plotzitzka et al 2005; Robke et al. 2002; Robke 2008; Senkel et al. 2008; Nies et al. 2008; Borutta et al. 2006)

Diese Durchschnittswerte kaschieren allerdings die realistische Kariesverteilung. Die verstärkte Polarisierung der Karies wird mehrfach bestätigt (DAJ 2010; Senkel et al. 2008): Das heißt, ein hoher Anteil der gesamten Karieslast konzentriert sich auf immer weniger Kinder. Bei den Dreijährigen konnte nachgewiesen werden, dass sich 95 Prozent des Kariesbefalls auf nur 12 Prozent der Kinder begrenzt (Senkel et al. 2008). Die Kinder mit Karies bekommen länger die Nuckelflasche. Ihre Eltern sind oft jünger als 20 Jahre und weisen einen signifikant geringeren Sozialstatus auf (Rojas et al. 2013).

Ernsthaftes Gesundheitsproblem

Die frühe Milchzahnkaries stellt häufig ein ernsthaftes Problem für die kleinen PatientInnen, die Eltern und natürlich die behandelnden ZahnärztInnen dar. Denn die Compliance der betroffenen Kinder reicht noch nicht für die erforderliche, meist invasive und umfangreiche Therapie. Folglich bleiben viele behandlungsbedürftige Zähne bei Kleinkindern unversorgt. Ein unzureichender Sanierungsgrad wird in zahlreichen Studien belegt (Robke et al. 2002; DAJ 2010). Bleiben kariöse Milchzähne unversorgt, können – neben Zahnschmerzen – Fisteln oder Abszesse auftreten, die zum vorzeitigen Milchzahnverlust mit allen negativen Folgen für die spätere Gebissentwicklung führen. Kinder mit frühkindlicher Karies entwickeln auch im permanenten Gebiss signifikant mehr Karies (Jordan et al. 2012). Präventionsbemühungen im Kleinkindalter brauchen daher verstärkte Aufmerksamkeit.

Allgemeinmedizinisch weisen die von Karies betroffenen Kinder aufgrund des erhöhten Nahrungskonsums Übergewicht auf (Neumann-Vogel 2008). Eine erhöhte Infektanfälligkeit insbesondere der oberen Atemwege wird beschrieben (Wetzel 1993). Als Spätfolge von frühkindlicher Karies wird ein negativer Einfluss auf die kindliche Entwicklung (Ace et al. 1997), auf die schulische Leistungsfähigkeit und auf das Sozialverhalten festgestellt.

Das Erkrankungsbild der frühkindlichen Karies mit den sogenannten „White spots” (siehe Abbildung 1) ausgehend von den Glattflächen nehmen die Eltern häufig nicht oder zu spät wahr, so dass sie erst im fortgeschrittenen Stadium mit ihrem Kind zum Zahnarzt gehen. Demzufolge machen diese von Karies betroffenen Kinder ihre ersten Zahnarzterfahrungen nicht mehr, um schmerzfreie Präventionsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Sondern sie müssen bei ihrem ersten Besuch bereits auf die Schmerzausschaltung ausgerichtete Maßnahmen ertragen. Kleinkinder können aufgrund der psychomentalen Entwicklung häufig nur in Vollnarkose behandelt werden (Stürtzenbaum et al. 2006). Das Ziel von Therapiemaßnahmen sollte eine lange Überlebensdauer und hohe Erfolgsraten beinhalten (Krämer 2002) (siehe Abbildung 6a und b). Allerdings verursacht die mangelnde Compliance der Eltern bei bereits sanierten Kinderzähnen oft einen erneuten Behandlungsbedarf, so dass das bestehende Kariesrisiko nicht beherrschbar wird (Eidelmann et al. 2000). Die betroffenen Kinder brauchen neben Prophylaxe auch umfangreiche Therapien, wie zahnerhaltende (endodontische) Maßnahmen, Stahlkronen und anschließendes Lückenmanagement. Kann der Hauszahnarzt eine adäquate zahnärztliche Betreuung nicht gewährleiten, sollte das Kind an spezialisierte Kollegen oder an den Fachzahnarzt für Kinderzahnheilkunde überwiesen werden.

Abbildungen 6a und 6b: Oft stellt die Extraktion der kariös zerstörten Milchfrontzähne die einzige Therapiemaßnahme dar, mit folglich auftretenden Sprachproblemen und ästhetischen Konsequenzen für das Kind. Eine Kinderprothese (rechts) kann hier eine Ergänzungstherapie darstellen.

Aufgrund des rapiden Voranschreitens der Karies und ihrer ungleichen Verteilung in der Bevölkerung müssen intensive Präventionsbemühungen frühzeitig zum Einsatz kommen. Sie müssen flächendeckend alle Bevölkerungsgruppen erreichen und intersektoral durch eine Zusammenarbeit zwischen ZahnärztInnen, KinderärztInnen, Hebammen und öffentlichem Gesundheitsdienst ausgerichtet sein (Rojas et al. 2013). Nur so lässt sich der Grundstein für eine Kindheit ohne Karieserfahrung legen.

Prophylaxe in der Schwangerschaft

Idealerweise beginnt die zahnärztliche Prophylaxe der frühkindlichen Karies, bevor die Milchzähne da sind. Prophylaktische Bemühungen sollten sich zielorientiert an werdende und junge Eltern richten. Zur besseren Umsetzung ist künftig ein Ausbau der interdiziplinären Zusammenarbeit zwischen GynäkologInnen, Hebammen und KinderärztInnen essenziell (Borutta et al. 2006).

Im Gegensatz zu gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen werden zahnärztliche Untersuchungen während der Schwangerschaft von nur 51 Prozent der werdenden Mütter wahrgenommen. Insgesamt 70,9 Prozent der Schwangeren erhalten keinerlei Aufklärung über Mund- und Zahnpflege (Goepel et al. 1991). Mit der Etablierung des zahnärztlichen Kinder- oder Prophylaxepasses, den Eltern bereits in der Schwangerschaft erhalten sollten, ist der erste Grundstein für interdisziplinäre Informationen gelegt (siehe Abbildung 7). Die Mutter wird bereits mit Erhalt ihres Mutterpasses an frühzeitige zahnärztliche Vorsorgetermine hingewiesen, die in der Schwangerschaft beginnen. Sie bekommt zudem Hinweise über Keimübertragungen, Mundhygiene und Ernährungsgewohnheiten, das Kariesrisiko und den Zahndurchbruch.

Abbildung 7: Der zahnärztliche Kinderpass empfiehlt Schwangeren zwei Vorsorgetermine vor der Geburt.

Dieser Kinderpass ist gleichzeitig Grundlage für die zahnärztliche Begleitung der Schwangeren und des Kleinkindes. Der erste Besuch beim Zahnarzt sollte mit sechs bis neun Lebensmonaten erfolgen, wenn die ersten Zähne durchbrechen. Für gesetzlich krankenversicherte Kinder steht anschließend die jährliche Früherkennungsuntersuchung ab dem 30. Lebensmonat als individualprophylaktische Maßnahme zur Verfügung. Sie ist insbesondere für die Kinder wichtig, die keine öffentliche Einrichtung besuchen, in der gruppenprophylaktische Maßnahmen durchgeführt werden. Da die frühkindliche Karies mit dem ersten Zahndurchbruch im Alter von sechs bis acht Monaten auftreten kann (Borutta et al. 2002), kommen diese individualprophylaktischen Maßnahmen in der zahnärztlichen Praxis häufig zu spät. Hinzu kommt, dass gerade Familien mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund nicht selten Präventionen scheuen (Bauch et al. 1998). Obwohl gerade ihr Bedarf am größten ist, nehmen sie zahnärztliche Betreuungsmaßnahmen nur eingeschränkt in Anspruch (Kühnisch et al. 2003).

Um die Risikogruppen zu erreichen, sollten sich Präventionsprogramme auf das Drittel mit den schlechtesten Werten konzentrieren. Denn von einer Prophylaxe, die sich auf die ganze Bevölkerung verteilt, profitieren die RisikopatientInnen nur bedingt (Burt 1998). Präventive Maßnahmen, die auf einer „Komm-Struktur”, wie der Zahnarztpraxis, basieren, sind für diese Zielgruppe ungeeignet (Splieth et al. 2005).

Der aufsuchende Ansatz beispielsweise in öffentlichen Einrichtungen wäre wesentlich effektiver und zudem mit der Fluoridierung und gleichzeitigen Plaqueentfernung kostengünstiger (Splieth et al. 2004) (siehe Abbildung 8). Darüber hinaus kann damit ebenfalls die bestehende Kariespolarisation reduziert werden (Weiß 2007). Denn diese Maßnahmen erreichen gerade Gruppen mit Compliance-Problemen und bieten gleiche Chancen auf orale Gesundheit. Allerdings ist dafür dringend der Ausbau gruppenprophylaktischer Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes ab dem ersten Milchzahn notwendig.

Abbildung 8: Tägliches Zähneputzen in Kinderkrippen, -gärten und bei Tagesmüttern ermöglicht eine regelmäßige Plaqueentfernung und Lokalfluoridierung, die ausgesprochen wirksam ist und häusliche Probleme bei der Mundhygiene erfolgreich kompensieren kann.

Prävention

Da Eltern einen entscheidenden Einfluss auf die Mundgesundheitserziehung und das Herausbilden gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen ihrer Kinder haben, sollte hier die präventive zahnärztliche Betreuung ansetzen. Eine intensive zahnmedizinische Betreuung von schwangeren Frauen im Sinne einer Gesundheitsfrühförderung (Primär-Primär-Prophylaxe) bringt entscheidende Vorteile für die Mundgesundheit der Kinder (Ercan et al. 2007; Meyer et al. 2010). Kariesrisikoerkennung und -minimierung stehen dabei im Mittelpunkt.

Ein zahnärztlicher Behandlungsbedarf in der Mundhöhle der Mutter sollte möglichst vor der Geburt behoben werden. Denn hohe DMFT-Werte – die Anzahl der kariösen, gefüllten und fehlenden Zähne – der Mutter treten im Zusammenhang mit einer hohen Keimbelastung auf und bedeuten eine erhöhte Kariesprävalenz für das Kind (Bergmann et al. 1998). Insbesondere während der Durchbruchsphasen der Milchzähne bewirkt eine Streptococcus mutans-Reduktion der Mutter eine langfristige Keimsenkung beim Kind und folglich eine geringere Kariesprävalenz (Ercan et al. 2007).

Neben der zahnärztlichen Sanierung gehören professionelle Zahnreinigung mit Empfehlungen zur besseren häuslichen Mundhygiene und Aufklärungsgespräche zur Präventionsarbeit. Bereits in der Schwangerschaft sollten in den Aufklärungsgesprächen Hinweise zur Prophylaxe beim Kleinkind gegeben werden (Kneist et al. 2004): Wie übertragen sich kariespathogene Keime von den Eltern zum Kind? Was ist eine zahngesunde Ernährung oder eine altersgerechte Mundhygiene? Wie ist eine gute Fluoridierung möglich? Welche Informationen sind zum ersten Zahndurchbruch und zur frühkindlichen Karies nötig?

Es empfiehlt sich, Eltern Informationsmaterial mit nach Hause zu geben (siehe Kasten). Um positive Verhaltensweisen zu etablieren, ist je nach individuellem Risiko eine regelmäßige motivierende Unterstützung notwendig. Denn eine reine Risikoaufklärung führt noch lange nicht zur Änderung des tatsächlichen Handelns.

Richtungsweisend für die präventive Betreuung von unter Dreijährigen in zahnärztlichen Praxen sind die aktuellen Handlungsempfehlungen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KZBV). Sie sollen die Defizite durch eine Erweiterung des Leistungskataloges für zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen beheben (BZÄK, KZBV 2014). Demnach beginnen zahnärztliche Frühuntersuchungen ab dem 6. Lebensmonat und ergänzen die bisherigen Frühuntersuchungen ab dem 30. Lebensmonat um drei zusätzliche Zahnarztbesuche. Zudem ist im ärztlichen Kinderuntersuchungsheft des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ein verbindlicher Hinweis auf zahnärztliche Frühuntersuchungen ab dem ersten Milchzahn vorgesehen. So soll die notwendige Zusammenarbeit zwischen den Kinder- und Zahnärzten stärker vernetzt werden. Bereits mit der U5 macht somit der Kinderarzt auf die notwendige erste zahnärztliche Untersuchung aufmerksam. Mit den nachfolgenden Untersuchungen (U6 und U7) kontrolliert der Kinderarzt, ob die zahnärztlichen Untersuchungen dokumentiert wurden.

Tipps an die Eltern zur Babyzahnpflege – so bleiben die Zähne gesund
  1. Sobald Ihr Kind ein Jahr ist, lassen Sie es aus einer Tasse oder einem Becher trinken. Meist wird noch gekleckert – geben Sie Wasser, das macht keine klebrigen Flecken. Eine Trinklerntasse brauchen die meisten Kinder nicht. Wenn doch, nur einen Monat lang – dann weg damit!
  2. Verzichten Sie auf die Gabe von zuckerhaltigen Getränken (insbesondere gesüßte Tees, Instanttees, Obstsäfte oder verdünnte Fruchtsäfte) aus der Nuckelflasche. Die Säfte enthalten viel Fruchtzucker und -säure, auch wenn „ohne Zuckerzusatz” auf der Verpackung steht und sind damit schlecht für die Zähne. Nehmen Sie stattdessen ungesüßten Tee oder Mineralwasser.
  3. Überlassen Sie Ihrem Kind die Nuckelflasche nicht zur „Selbstbedienung”. Das Trinken sollten zum Durstlöschen erfolgen und nicht als Nuckelersatz. Geben Sie Ihrem Kind die Nuckelflasche nicht zum Dauergebrauch oder in der Nacht.
  4. Schon der erste Milchzahn sollte gepflegt werden: Beginnen Sie mit einer kleinen, weichen Zahnbürste. Wichtig ist das elterliche Putzen. Abends bitte eine erbsengroße Menge Kinderzahnpaste mit Fluoriden auf die Bürste geben. Die Fluoridtabletten sind dann nicht nötig. Nach dem Zähneputzen gibt es dann auch nichts Süßes mehr zu trinken oder zu essen.
  5. Schauen Sie beim Zähneputzen immer wieder die Zähne Ihres Kindes genauer an. Schieben Sie die Oberlippe nach oben. Sind die Schneidezähne sauber oder ist Zahnbelag zu sehen? Achten Sie darauf, dass Sie beim Zähneputzen alle Zähne und alle Zahnflächen reinigen. Setzen Sie die Zahnbürste mit den Borsten leicht schräg zum Zahnfleischsaum an und rütteln dann auf der Stelle.
  6. Putzen Sie die Zähne des Kindes im Schoß eines Elternteils oder auf dem Wickeltisch.
  7. Ab dem zweiten Geburtstag sollten die Zähne des Kindes morgens und abends mit fluoridhaltiger Kinderzahnpasta gereinigt werden.
  8. Verwenden Sie zum Kochen und Salzen Speisesalz mit der Aufschrift „Fluorid”, wenn in Ihrer Familie ein hohes Kariesrisiko vorliegt – fragen Sie Ihren Zahnarzt. Kleinkinder sollten nicht zu viele Fluoridpräparate zu sich nehmen – Ihr Zahnarzt berät Sie.
  9. Vermeiden Sie viele Zwischenmahlzeiten. Insgesamt reichen vier bis fünf Mahlzeiten am Tag.
  10. Zahnfreundliche Süßigkeiten sind ein wunderbarer Ersatz zu den „herkömmlichen” und verursachen keine Karies.
  11. Zahnärztliche Vorsorge fängt schon bei den ganz Kleinen an. Vereinbaren Sie den ersten Zahnarzttermin, wenn Ihr Kind sechs Monate alt ist.

Herausgegeben von: Dr. Anja Treuner, Prof. Christian H. Splieth, Abteilung für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde der Universität Greifswald

Zitiervorlage
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