Ein sogenanntes Meggie‘s Centre in Schottland: Krebskranke Menschen sollen hier seelisch und körperlich Unterstützung erfahren – die schlichte Architektur schafft dafür den Rahmen. Foto: © Snohetta, Oslo

Die Arbeit von Architekten und Ingenieuren wird gemäß der Honorarordnung in neun Leistungsphasen eingeteilt. Die Leistungen setzen jedoch eine detaillierte Anforderungsbeschreibung voraus. Bereits davor, nämlich bei der Projektvorbereitung oder Bedarfsplanung eines Kreißsaalneubaus oder -umbaus, kann man sich Beratung holen, um mit dem Architekten schneller ans Ziel zu kommen. Was kann in der sogenannten Phase Null so vorbereitet werden, dass die unterschiedlichen Sichtweisen aller Beteiligten einbezogen und später auch umgesetzt werden? Was ist zu organisieren, dass die Realisierung und die Inbetriebnahme optimal laufen? Ein Raumbuch kann Hebammen dabei helfen.

Das Krankenhaus der Zukunft stellt sich als Gesundheitsdienstleister dar. Sektoren übergreifende Angebote der ambulanten und stationären Versorgung, ergänzt durch Prävention und die Übergänge zur Reha, ermöglichen eine ganzheitliche Versorgung der PatientInnen. Mit der Entwicklung zu sogenannten Gesundheitshäusern über die Grund- und Regelversorgung kranker Menschen hinaus, wandeln sich auch die Außendarstellung und das Marketing. Hier hat die Geburtshilfe schon immer Pionierarbeit geleistet. In keinem Krankenhausbereich wurde in den vergangenen Jahren mehr Wert auf Außenwirkung und ein einladendes Erscheinungsbild gelegt. Diese Vorreiterrolle gilt es nunmehr, während der Kosten- und Veränderungsdruck zeitgleich zunehmen, nicht nur auf andere Klinikbereiche zu übertragen, sondern auch in der Geburtshilfe zu wahren.

Andere Raumansprüche

Auch in der Geburtshilfe wurden Effizienzsteigerung und technisch medizinische Risikominimierung zur vermeintlichen Verbesserung der Betriebsqualität gefordert. Daraus folgten auch andere Ansprüche an die Räumlichkeiten:

  • Weniger Entbindungsräume und mehr Sectio-OPs aufgrund der Erhöhung der Sectiorate in den vergangen Jahren auf über 30 Prozent
  • Vermehrte Technik in den Geburtsräumen durch Technisierung der Geburtshilfe und Verlust der übergeordneten Verantwortungsposition der Hebammen.

Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen wirkt sich direkt auf die Gesundheitsarchitektur aus. Aktuelle Betriebsorganisationsplanungen (BOP) propagieren die Konzentration von investitions- und betriebskostenintensiven Geräten, beispielsweise interdisziplinäre Akutversorgungseinheiten, sowie Vergrößerung der Stationen. Diese Organisationsformen verlangen kompakte flexible Gebäude, die für die meisten bestehenden Krankenhäuser eine grundlegende bauliche Umstrukturierung und damit zusätzliche Belastungen für das Personal bedeuten. In dieser Diskussion kommt der Geburtshilfe (noch immer) eine Sonderrolle zu. Weil gebärende Frauen als einzige PatientInnen in der Regel aus einem freudigen Anlass in die Klinik kommen und nicht als Kranke, nimmt die Geburtsabteilung auch in der Außenwirkung eine Ausnahmerolle ein. Deshalb ist dieser Bereich in die Entwicklung einer Medizinstrategie und in der Betriebsorganisationsplanung gesondert einzubeziehen. Änderungen in den Fachbereichs- und Abteilungsstrukturen sind im Zusammenhang des gesamten Krankenhauses sowie der Prozessbeschreibungen zu erarbeiten. Die Hebammen sind als zentral Verantwortliche in der Geburtshilfe aufgerufen, sich an diesen Prozessen zu beteiligen. Die Mitwirkung gibt die Möglichkeit, sowohl die Art der Geburtshilfe als auch die Raumausstattung beeinflussen zu können.

Projektziele: Was wollen die NutzerInnen?

Am Anfang eines Projektes zur Veränderung steht immer die Klärung der Ziele. Diese können aus betrieblichen oder baulichen Mängeln resultieren oder auf veränderte „Kundenbedürfnisse“ reagieren. Strategische Fragen vor der Planung sind beispielsweise:

  • Auf wie viele Geburten soll die Abteilung ausgelegt werden?
  • Wie hoch ist der Anteil der Risikogeburten?
  • Wie werden sich die Geburtenzahlen verändern?
  • Wie entwickeln sich die Zahlen bei Spontangeburt und Kaiserschnitt?
  • Welche Ausstattung brauchen die Räume?
  • Welches Image möchte sich die Klinik geben?
  • Welche atmosphärischen Ansprüche bestehen für die Frauen und die MitarbeiterInnen?

Es ist die ureigene Aufgabe des Bauherrn, sowohl quantitativ als auch qualitativ die Antworten und damit die Projektziele zu formulieren. Aus den strategischen Überlegungen und der darauf aufbauenden BOP ergeben sich die spezifischen Projekt­anforderungen für die einzelnen Kliniken und Betriebsbereiche. Erst darauf aufbauend kann die Nutzerbedarfsplanung in Form von Raumprogrammen und funktionalen Anforderungen (Funktionsplanung) erarbeitet werden. Dies alles hat vor der eigentlichen Gebäudeplanung zu geschehen.

Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems, wie beispielsweise dem RADAR-Logik Modell (siehe DHZ 1/2014, Seite 27).

Im täglichen Funktions- und Gebäudebetrieb, dem Lebenszyklus (siehe Abbildung), entsteht immer wieder Änderungsbedarf. Die Überprüfung, ob diese in den baulicher Strukturen umzusetzen sind, erfolgt durch den Bereich Gebäudebetrieb im Kleinen. Ist größerer Veränderungsbedarf absehbar, ist ein in der Nutzerbedarfsplanung erfahrener Berater einzuschalten. Der Bedarf setzt sich zusammen aus dem Raumbedarf (Raumprogramm) aus den Leistungszahlen der Klinik (Anzahl Geburten und Leistungsspitzen, Dauer einer durchschnittlichen Raumbelegung, Aufbereitungszeit des Raumes) sowie der Betriebsplanung mit den funktionalen Anforderungen (Raumbeziehungen, Raumstruktur). Diese Planung ist in engem Dialog mit den Nutzern und den späteren technischen Betreibern zu erbringen. Eine differenzierte Projektgrundlage bietet dem Planer und auch dem Bauträger die Gelegenheit, sich auf die technischen Anforderungen der Planungsaufgabe zu konzentrieren. Dies spart Planungs- und Realisierungszeit und mindert damit das Änderungsrisiko in der Projektabwicklung. Der Nutzer wird dann nur noch hinzugezogen, wenn Abweichungen von den Zielformulierungen bestehen oder Details zu klären sind. Die überwiegenden Qualitäten können vor der Gebäudeplanung als Projektgrundlage eindeutig definiert werden. Nach dieser Ziel- und Qualitätsdefinition schließen sich der Schritt „Vorgehen – Planen“ mit der technischen Gebäudeplanung und das Umsetzen als Realisierung und Inbetriebnahme an. Aus dem Gebäudebetrieb werden sich wiederum Anforderungen zur ständigen betrieblichen Verbesserung entwickeln – wie im Qualitätsmanagement.

Im Spannungsfeld

Die Qualität der Projektvorbereitung hängt davon ab, ob alle Beteiligten frühzeitig einbezogen werden. Hier kommt den Hebammen eine zentrale Rolle als Nutzervertreterinnen zu. Neben der frühen Einbindung aller Nutzergruppen sowie der technischen Betreiber und des Gebäudebetriebs ist der Dialog zwischen den Gruppen sowie deren Identifikation mit den Zielen ausschlaggebend für die Qualität der Zielvorgaben. In der Diskussion über ein Bauprojekt werden häufig zwischen den Beteiligten der Klinik ungeklärte strategische Themen offenbar. Wer entscheidet schließlich? Wie wird diese Entscheidung kommuniziert? Wie wird die notwendige Identifikation der Beteiligten mit den Projektzielen erreicht und nachhaltig bis zur Inbetriebnahme weiter aufgebaut? Gerade das Spannungsfeld zwischen dem Unterstützen des natürlichen Vorganges und dem medizinischen Eingreifen in der Geburtshilfe spiegelt sich auch in den verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten wieder. Die gestalterische Frage in der Qualitätsdiskussion in Bauprojekten im Gesundheitswesen muss abwägen zwischen der Präsenz medizintechnischer Systeme und dem Anspruch der PatientInnen nach einer Angst nehmenden und Gesundheit fördernden Atmosphäre. Dieser Anforderung kommt natürlich in der Geburtshilfe eine besondere Bedeutung zu. Die Gebäudeplanung kann dies als Projektziel klären.

Wie in hochtechnischen und durch die Minimierung des Patientenrisikos geprägten Akutbereichen die Medizintechnik versteckt werden kann, zeigt das Pilotprojekt eines Intensivpflegezimmers in der Charité Berlin. Es bleibt zu hoffen, dass es mehr als ein universitäres Forschungsprojekt wird.

Wirkung auf den Menschen

In den 1960er Jahren stellten nordamerikanische Ärzte, Architekten und Psychologen Überlegungen zur optimierten Krankenhausgestaltung an. Sie trugen damit zur Entwicklung der Architekturpsychologie bei. Diese befasst sich mit dem Erleben des Menschen in Räumen. Über Jahrzehnte folgten Forschungen und praktische Projekte, die weitestgehend die heilungsfördernde Wirkung der Architektur betrachteten (siehe DHZ 6/2007, Seite 6ff.). Beispiele liefern die onkologischen Abteilungen in den sogenannten Maggie’s Centres in Großbritannien, Zentren für Menschen mit Krebserkrankungen, die eine körperliche und seelische Pflege sicherstellen, oder Forschungsprojekte, wie aktuell das in der Intensivstation (ITS) der Charité-Universitätsmedizin. „Healing Architecture“ ist demnach kein neues Thema. Ging es zunächst vorrangig um das Empfinden der PatientInnen, so wurde bereits Ende der 80er Jahre herausgestellt, dass auch das Pflegepersonal, Ärzte und auch Hebammen, Zielgruppe der optimierten Krankenhausgestaltung ist. Untersuchungen dazu, wie die Architektur auf die darin arbeitende Belegschaft wirkt, scheinen jedoch gegenüber Forschungen zur Wechselwirkung zwischen PatientInnen und Architektur zurückzustehen. Dies erstaunt umso mehr in Anbetracht der ökonomischen Bedeutung des Personals im Gesundheitswesen. Alle an Projekten Beteiligte tragen umso mehr zur Risiko­minimierung bei, je eindeutiger die Projektziele und die Qualitäten vorab definiert sind. Während der Realisierung sind alle Änderungen zu vermeiden.

Risiken minimieren

Mit der Bedarfsplanung, also der eindeutigen Festlegung des Raumprogrammes und der funktionalen Anforderungen, gilt es, den Projektrisiken:

  • überdurchschnittliche Budget- und Terminüberschreitungen
  • gravierende Fehlplanungen
  • Probleme bei der Inbetriebnahme

entgegen zu wirken.

Die hohe Verantwortung der Beteiligten und der ungewohnte Umgang mit der Sprache in Raumprogrammen und Zeichnungen macht schon in dieser frühen Phase eine bildhafte Darstellung erforderlich. Die Visualisierung der Funktions- und Raumbeziehungen erfolgt in idealisierter maßstäblicher Darstellung. In dieser Funktionsplanung werden nutzerverständlich die Kernabläufe von der Funktionsbereichs- bis zur Raumebene spielerisch festgelegt. Aus deren Entwicklung wird deutlich, wie sich die Betriebsorganisation verändern wird. Begleitende Simulationen von Prozessabläufen im Krankenhausalltag können die spätere reibungslose Inbetriebnahme vorbereiten.

Hilfreiches Raumbuch

Einen Erfolgsschlüssel in Qualitätsdefinition und Kostensteuerung bildet das Raumbuch. Darin werden die konkret benötigte Ausstattung und Einrichtung der Räume aus Sicht der NutzerInnen und der Gebäudetechnik definiert. Diese Parameter können aus den eigenen Erfahrungen der Nutzer sowie des Gebäudebetriebs definiert werden. Der Berater unterstützt in der Richtlinienkonformität und der Auswirkung auf technische Anforderungen. Ein Beispiel ist das Fenster im Entbindungsraum. Es geht um Ausblick und Einblick, Lüftungsmöglichkeit sowie Sonnen- und Wärmeschutz. Oder die Raumatmosphäre. Was kann versteckt untergebracht werden? Wie differenziert sollte die Beleuchtung sein? Welcher Fußbodenbelag ist geeignet? Es geht nicht darum, der Architektur in jedem Bereich Vorgaben zu machen, sondern Mindestqualitäten zu definieren. Durch die Planung sollte die Qualität in jedem Fall besser werden. Wenn ich die Zutaten für den Geburtstagskuchen kaufen gehe, ist es sinnvoll vorher zu entscheiden ob es ein Obstkuchen wird. Das Obst kann ich dann beim Kauf entscheiden. Oder Wenn ich ein neues Auto kaufe, ist es sinnvoll vorher die Qualitätsklasse zu entscheiden. Das Schiebedach ist dann eventuell eine spontane Entscheidung.

Hierdurch lassen sich schon vor der Gebäudeplanung 75 Prozent der Kosten präzise berechnen. Alle Festlegungen werden vom Berater mit Kostenschätzungen versehen. Aus der Raumgeometrie ergibt sich ein Kostenwert pro Raum und damit auch für den gesamten Bereich. Somit stellt dieses Raumbuch über die gesamte Projektlaufzeit eine bestmögliche Steuerungsmöglichkeit der Kosten dar.

An dieser Stelle kommt den Hebammen eine Schlüsselrolle zu. Es geht um die Definition ihrer Arbeitsumgebung. Da die Hebammen die kontinuierliche Begleitung der Gebärenden gewährleisten, stehen sie als Lobbyist der Frauen in der Verantwortung.

Mitarbeiter motivieren

Die Kostenstruktur mit 60 Prozent Personalkosten verdeutlicht, wie wesentlich die Motivation der Beteiligten ist. Seit 13 Jahren führt das Beratungsunternehmen Gallup einmal jährlich eine Befragung zur Stärke der emotionalen Bindung deutscher ArbeitnehmerInnen durch – der Gallup Engagement Index. Die Gallup-Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass sich nur 15 Prozent der MitarbeiterInnen mit ihren Aufgaben voll identifizieren. Dabei hat ihre Effizienz einen erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis. Die Effizienz hängt direkt von der Motivation ab – als Umsetzungsmotor der Unternehmensziele.

Die Analyse eines betrieblichen Defizits seitens des Krankenhauses sollte die Leitungsebene aller Fach- und Servicebereiche beteiligen. Entsteht daraus eine bauliche Änderungsnotwendigkeit, ist es nur folgerichtig, die Beteiligten in den weiteren Projektverlauf zu integrieren. So kann man eine Kommunikationsstruktur schaffen, aufgrund der die spätere Identifikation und Motivation, sogar die Begeisterung an dem neu gestalteten Arbeitsumfeld wachsen können. Die Kommunikations- und Informationsstruktur erst aufzubauen, wenn das Bauprojekt bereits in der technischen Planung steckt, birgt erhebliche Änderungsrisiken und würde somit zumindest Zeit fressen. Aufgrund des Mangels an Fachpersonal werden funktionale Kranken­hausstrukturen mit zeitgemäßen Arbeitsumgebungen immer bedeutsamer. Strategisch ist es somit dringend notwendig, über die frühzeitige und angemessene Integration der Betroffenen eine Identifikation mit dem Projekt zu erreichen und jedes Bauprojekt als Turbo für die Mitarbeiterzufriedenheit zu nutzen.

Das Vertrauen ist entscheidend

Leistungen der Gesundheitswirtschaft sind Vertrauensgüter. Das bedeutet, dass das Vertrauen in den Leistungserbringer die Entscheidungen der PatientInnen wesentlich beeinflusst. Kritische Meldungen über Missstände im Krankenhauswesen, wie zum Beispiel Hygieneskandale, oder über den Zeit- und Leistungsdruck des medizinischen Personals lassen das Vertrauen schwinden.

Die Gesamtsituation ist entscheidend, ob die PatientInnen dem Personal uneingeschränkt Professionalität zutraut und so Vertrauen entgegenbringen oder auch nicht. Wenn mittels der Architektur die Arbeitsumgebung für das Personal optimiert wird, profitieren auch die PatientInnen.

Zitiervorlage
Merker V: Gesundheitsarchitektur: Ideen für die Bauplanung. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (6): 88–91
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