Fotos: © Reinhard Rosendahl

Welche Ansprüche muss ein Gebärraum erfüllen, in dem sich Frauen und GeburtshelferInnen wohl fühlen können? Raum- und Farbkonzept sowie die Beleuchtung sind die Dreh- und Angelpunkte der Gestaltung. Dazwischen liegt das, was man nicht sieht und doch wahrnimmt: Atmosphäre.

Fotos: © Reinhard Rosendahl

Für die neuen Gebärräume des Elisabeth-Krankenhauses Essen, bestehend aus fünf Kreißsälen, gab es hohe Ansprüche. Gefragt war eine Innenarchitektur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Vertrauen, Sicherheit, Schutz und moderne Geburtsmedizin waren wesentliche Stichworte. Funktionalität in Symbiose mit einer ansprechenden Gestaltung waren ebenfalls gefordert. Besonderer Wert wurde auf eine wohltuende Atmosphäre gelegt.

Die Arbeitsprozesse als Basis

Ausgehend vom Rohbau wurde zunächst ein Gesamtkonzept für die Räume mit allen Details entwickelt. Im Austausch mit den Hebammen, den ÄrztInnen und dem verantwortlichen Projektsteuerer wurden die Rahmenbedingungen geklärt. Basis waren die Arbeitsprozesse. Wichtig waren beispielsweise die Abläufe der untereinander eingespielten Teams für die sinnvolle Anordnung einzelner Komponenten. So war es wichtig, neben dem Gebärbett Bewegungsraum zuzulassen und den Workflow entsprechend durch den passenden Grundriss zu ermöglichen.

Die Resultate aus diesem Prozess beeinflussten nicht nur den Grundriss, sondern darüber hinaus die Anordnung einzelner Elemente, die eine funktionierende Wegeführung bedingen. Einzelne Geräte wurden zielgerichtet positioniert. Wegeführung hinsichtlich Durchgangsbreiten und Prioritäten wurden ebenfalls genau bedacht. Sicherheit und Arbeitsabläufe hatten oberste Priorität, um reibungsloses und effizientes Arbeiten zu ermöglichen. Lebensnotwendige Geräte wurden zentral und griffbereit angeordnet. Grundsätzlich wurden sie den Blicken der werdenden Mütter entzogen, um sie nicht zu ängstigen.

Wesentlich war eine sorgfältige Planung, die Sicherheit und die damit verbundenen Arbeitsprozesse vorrangig berücksichtigt und damit dem Personal gutes Arbeiten auf der begrenzten Fläche ermöglicht. Flächeneffizienz war unumgänglich, um das Nötige unterzubringen. Hygiene besaß hohe Priorität, was sich in klar definierten Planungsdetails zeigt, wie beispielsweise dem maßgefertigten Mobiliar mit hygienisch optimierten Beschlägen und Kantenausführungen. Die hohe Auslastung der Kreißsäle von 2.000 Geburten im Jahr war für die Auswahl hochwertiger strapazierfähiger Materialien entscheidend.

Die ästhetische Gestaltung führte zu den Fragen: „Welche Blickrichtungen ergeben sich? Welche sind gewollt, welche nicht? Welche Prioritäten gibt es?” Aus verschiedenen Perspektiven wurde der Vorentwurf durchleuchtet. Überlegungen der verschiedenen Interessensgruppen können dabei unterschiedlich sein, sich zwar ergänzen, aber nicht zwingend kompatibel sein. Abwägen und Priorisieren war im Zweifel nötig, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ein integrativer Prozess, der auch die Geschäftsführung involvierte, insbesondere um an einigen Punkten eine zielführende Entscheidung herbeizuführen. Hebammen und ÄrztInnen waren gleichermaßen in die Besprechungen eingebunden. Summa summarum haben die Ergebnisse der positiven Zusammenarbeit die Planung maßgeblich bestimmt.

Farbkonzept und Formensprache

Wesentlich für die Ästhetik war die für die werdenden Mütter emotional passende Atmosphäre. Anvisiert war die Wohlfühlwirkung eines „Schutzraumes” mit entsprechender Farbe, Form, Material und Licht. Eine insgesamt ruhige angenehme Atmosphäre konnte umgesetzt werden, die auch auf Hebammen und ÄrztInnen stressreduzierend wirkt.

Das behütende, emotionalen Schutz vermittelnde Konzept basiert hauptsächlich auf zurückhaltenden Farben wie Crème und Taupe, akzentuiert von sanftem Grün, warmem Orange und der blauen Hausfarbe der Contilia-Gruppe als Träger des Elisabeth-Krankenhauses. Die sanfte und harmonische, aber auch akzentuierte und ausbalancierte Farbigkeit soll die Psyche gleichermaßen beruhigen und anregen.

Die damit harmonierende sanft gerundete Formensprache, angelehnt an geschliffene Flusskiesel, symbolisiert Geduld. Das ist das Leitmotiv der Gestaltung – Geduld, eine Tugend in der Geburtshilfe. Geschaffen wurden Bodenintarsien in Kieselform, die das Motiv der Ruhe aufnehmen und Eintretende dezent zum Hebammenstützpunkt leiten. Die Kieselform findet sich im Grundriss des Hebammenstützpunkts ebenso wie den opaken Glasleuchten darüber. Gerundete Möbelecken sind angenehm und platzsparend. Unaufgeregt, entspannt und sanft wirkt die natürliche Formensprache durch den Verzicht auf scharfe Ecken und Kanten. Funktional unterstützt sie den Workflow und lässt sich leicht reinigen.

Das Lichtkonzept

Nicht nur Farbkonzept und Formensprache eines Raums wirken sich auf die Psyche aus, sondern auch das Licht. Atmosphärisch angenehmes Wellness-Licht statt gleißender Ausleuchtung ist wichtig für das Wohlgefühl. Großzügiger Tageslichteinfall in den Kreißsälen mit Ausblick durch sanft filternde Vorhänge, dazu dimmbares Licht nach Wunsch, LEDs und ein gerundetes Lichtdeckenmodul ergänzen sich. OP-Leuchten sorgen bei Bedarf für gutes Sehvermögen. Das geschützte Behütetsein für die Frauen drückt sich außerdem in einem erhöhten Schallschutz der Kreißsäle aus.

Der Bodenbelag gehört zum Gesamtkonzept. Helle und natürliche Farbigkeit und eine wohnliche Holzoptik in den Kreißsälen erzeugt insgesamt eine angenehme und lichte Atmosphäre. Subtil integrieren sich die Töne in das Farb- und Materialkonzept. Sanft cremefarbene Wände werden von einzelnen Wandflächen in Taupe und Orange akzentuiert. Wandbeläge mit dezenter Gras- und Blattstruktur unterstützen den Naturcharakter, wobei Schrammboards gleichzeitig vor massiver Beanspruchung schützen. Feinheiten von Braun- und Graunuancen wurden genau ausgetüftelt.

Was in der Praxis so einfach aussieht, ist in der Planung schwierig. So ist beispielsweise die Auswahl begrenzt, man muss mit den Materialien und Produkten der Anbieter klarkommen. Die subtil differenzierten Nuancen müssen jedoch passen, beispielsweise passen Braun und Braun lange nicht zusammen, genauso verhält es sich mit anderen Farben und Oberflächen. Darüber hinaus muss die funktionale Basis wie zum Beispiel Desinfektionsmittelbeständigkeit gegeben sein.

Wichtig war das emotionale Erleben der GeburtshelferInnen sowie der Mütter mit ihren Angehörigen. Stressfreiheit, Ruhe, ein angenehmes räumliches Erleben tut allen gut und zeigt sich in positiven Wechselwirkungen zwischen Raum, GeburtshelferIn und Mutter. Qualitätsvolle medizinische Dienstleistung kann sich auch in räumlicher Umgebung und Gestaltung widerspiegeln. Für Mütter und Angehörige ist ein Vertrauen erweckendes und gleichermaßen beruhigendes und entspannendes Umfeld wichtig. Für das emotional hochbelastete Personal unterstützt die Ruhe ausstrahlende innenarchitektonische Gestaltung diesen Anspruch. Der „hinter den Kulissen” gelegene Pausenraum des Personals ist daher auch angenehm gestaltet, fügt sich in das Gesamtkonzept ein, differenziert sich bewusst von den übrigen Räumen und signalisiert damit „Pause”.

Das Corporate Design der Contilia-Gruppe, die der Träger des Elisabeth-Krankenhauses Essen ist, findet sich unaufdringlich wieder.

Hebammenpraxis

Ein weiteres Projekt war die an eine Gynäkologische Arztpraxis angeschlossene Hebammenpraxis in Brilon, das 2010 realisiert wurde. Es zeichnet sich durch eine entspannt-wohnliche Atmosphäre aus, die gleichzeitig von klarer Modernität und freundlicher Willkommenshaltung geprägt ist. Die Hebammen besitzen eine repräsentative Praxis, in der Arbeitsabläufe reibungslos funktionieren. Gleichermaßen gepflegt und wohnlich, ist dies für die Frauen der Ort, an dem sie vertrauensvolle Gespräche führen und sich fachlich kompetent betreuen lassen. Durch den sorgfältig durchdachten Grundriss, die Ausgewogenheit von sanften Beigetönen, Crème, hellem Holz, angenehmem Licht und Mobiliar mit femininem Touch entstand eine beruhigende und freundliche Stimmung. Dabei waren die Kosten im Blick – so besteht die Sitzgruppe beispielsweise aus günstigen und zugleich strapazierbaren Designermöbeln für den Outdoor-Bereich. Die Wanddekoration ist ein individueller Entwurf der Innenarchitektin, das konkrete Zitat „Sterne fallen nicht vom Himmel, sie werden geboren”, wurde von den Hebammen ausgewählt. Diese achteten auch auf Details, wie beispielsweise das Porzellan für Tee und Kaffee oder die Farben und Stoffe der Stillkissen. Die Hebammenpraxis unterstreicht in ihrer Erscheinung die Kompetenz und liebvolle Betreuung der Hebammen – eine Wertschätzung, die insgesamt gut ankommt.

Emotionale Qualität der Räume

Vertrauen, Zuversicht, Sicherheit und Schutz – die emotionale Qualität der Räume spiegelt nicht nur die Qualität der Dienstleistung Medizin wider, sondern ebenso die Wertschätzung gegenüber den Menschen. Sensible und ästhetische Innenarchitektur wirkt als Botschaft, sie drückt Menschlichkeit und Mitempfinden aus. Das stimmige Gesamtkonzept ist wesentlich für Hebammen und Geburtshelfer sowie junge Familien. Rundum.

Zitiervorlage
Leydecker S: Rundum sicher und geschützt. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (5): 74–76 
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