Nur ein sehr kleiner Teil der Eltern bekommt schlechte Nachrichten nach pränataler Diagnostik. Alle Eltern sind jedoch mit der Entscheidung konfrontiert, ob und welche vorgeburtlichen Untersuchungen sie in Anspruch nehmen wollen. Weil bezüglich Information und Beratung immer wieder große Defizite beklagt wurden, wurde im Gendiagnostikgesetz von 2010 die Beratung zur vorgeburtlichen Diagnostik geregelt. Was hat das für die Frauen gebracht? Wie gut fühlen sie sich informiert und welche pränataldiagnostischen Untersuchungen wählen sie? Eine Studie aus München ist diesen Fragen auf den Grund gegangen.

Viele werdende Eltern benötigen psychosoziale Beratung aufgrund der psychischen Belastung, die die Diagnose nach Pränataldiagnostik (PND) und der dadurch entstehende Schwangerschaftskonflikt mit sich bringen. Hier hat der Gesetzgeber mit dem Gendiagnostikgesetz reagiert, das 2010 in Kraft getreten ist. Es verpflichtet GynäkologInnen in Deutschland, schwangere Frauen auch über psychosoziale Aspekte der Pränataldiagnostik aufzuklären und sie auf die Möglichkeiten der kostenfreien weiterführenden Beratung nach § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchwKG) hinzuweisen.

Neue Beratungsregelung nach dem Gendiagnostikgesetz
Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) trat in Deutschland am 1. Februar 2010 in Kraft und regelt in § 1 die genetischen Untersuchungen bei Menschen und die Verwendung genetischer Proben und deren Daten. Es bringt mehr Rechtssicherheit hinsichtlich genetischer Untersuchungen, indem es eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern versucht. Zudem regelt es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu gehören sowohl das Recht, den eigenen genetischen Befund zu kennen, als auch das „Recht auf Nichtwissen“.

Zu den vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen an Embryonen und Föten (§ 2 GenDG) zählen alle invasiven Untersuchungsmethoden wie zum Beispiel die Amniozentese, Chorionzottenbiopsie oder Nabelschnurpunktion. Ebenso gehören die Untersuchungen dazu, die nur eine Wahrscheinlichkeitsangabe zulassen, ob bestimmte genetische Eigenschaften vorliegen, wie das Ersttrimester-Screening, der Triple-Test und der weiterführende Ultraschall.

Alle pränatalen genetischen Untersuchungen sollen von einem verpflichtenden Angebot zur genetischen Beratung vor und nach genetischen Untersuchungen begleitet sein, um der informierten Patientin eine freie Entscheidung zu ermöglichen. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn die betroffene Person schriftlich auf die Beratung verzichtet.

Laut GenDG (§ 15) ist die Schwangere schon vor Inanspruchnahme von PND und nach auffälligem Befund auf die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung hinzuweisen (Gendiagnostikgesetz 2014).

Als freiberufliche Hebamme wurde ich in meinem Berufsalltag oft mit dem Thema PND konfrontiert, unter anderem durch verschiedene Aussagen der Frauen. Sie waren teils Ausdruck von Freude wie: „Ich finde es toll, mein Kind im Ul­traschall zu sehen.“ Aber sie zeugten auch von Verunsicherung wie: „Ich habe vor der Untersuchung viel zu wenig über die Konsequenzen nachgedacht.“ Und es gab auch Aussagen wie: „Ich fühlte mich von meiner Frauenärztin sehr bedrängt zum Ultraschall (…) es fiel mir schwer, mich dagegen zur Wehr zu setzen.“ Ebenso gibt es Aussagen von Schwangeren, die nachdenklich stimmen wie: „Mit jeder neuen Möglichkeit wird der Druck auf Eltern nicht verringert, sondern erhöht“, bis hin zu: „Diese Untersuchung würde ich nie wieder machen.“

Dieser Erfahrungshintergrund war Anlass meiner Masterarbeit. Im Zentrum des Interesses stand dabei die Frage: Wie wirkt sich die neue gesetzlich verankerte Beratungsregelung des Jahres 2010 in der Praxis aus? Das heißt, wie gut fühlen sich die Frauen zu pränataldiagnostischen Untersuchungen informiert und welche nehmen sie in Anspruch?

Psychosoziale Beratung im Kontext von PND wird von allen Schwangerenberatungsstellen sowie in einigen wenigen Städten auch von spezialisierten Beratungsstellen angeboten. Auch die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. in München bietet mit ihrer Fachstelle Pränataldiagnostik eine spezialisierte Beratung an. Dieses Angebot ist eingebunden in eine Einrichtung der Elternbildung, die sich für Inklusion einsetzt und in deren Eltern-Kind-Gruppen besondere und behinderte Kinder willkommen sind. Zum Angebot gehört immer auch die Beratung vor einer eventuellen Durchführung von Pränataldiagnostik. Dieses für die Entscheidungsfindung der werdenden Eltern bedeutsame Angebot wird nach wie vor wenig in Anspruch genommen. Da werdende Eltern heute schon sehr früh in der Schwangerschaft mit dem Thema Pränataldiagnostik konfrontiert werden, sollten GynäkologInnen – wie es das Gesetz vorsieht – die Eltern an die entsprechenden Beratungsstellen verweisen.

Das Studiendesign

Neben der Literaturrecherche wurden Mütter nach der Geburt befragt. Die Studie erfolgte retrospektiv, um schwangere Frauen nicht durch Fragen zur Pränataldiagnostik zusätzlich zu verunsichern und um unnötige Belastungen in der Schwangerschaft zu vermeiden.

Aus der leitenden Forschungsfrage ergaben sich folgende Fragenkomplexe:

  • Inanspruchnahme von pränataldiagnostischen Untersuchungen in der/den Schwangerschaften mit Angaben zu Grund, Art und Häufigkeit
  • Hinweise zu psychosozialer Beratung und Informationen zum „Recht auf Nichtwissen“
  • Fragen zur Zufriedenheit mit Ablauf und Durchführung der pränataldiagnostischen Untersuchungen
  • Erleben von Ultraschalluntersuchungen und pränataldiagnostischen Untersuchungen
  • Haltung zu pränataldiagnostischen Untersuchungen in einer möglichen weiteren Schwangerschaft.

Daraus wurden 42 Fragen für einen quantitativen Fragebogen entwickelt, der als Online-Umfrage (LimeSurvey) an Teilnehmerinnen aus Rückbildungskursen, Mutter-Kind-Gruppen und Babymassage-Kursen verschickt wurde. Die Datenerhebung erfolgte im Kontext der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V., einer großen etablierten Münchner Institution, die seit 1979 unabhängig vom medizinischen System zu Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft berät. Dadurch konnten 3.102 Mütter erreicht werden, ohne persönliche Daten zu erheben. Eine anonyme Teilnahme war damit gewährleistet.

Durch dieses Vorgehen wurde in einem Zeitraum von acht Tagen ein beeindruckender Rücklauf von 638 beantworteten Fragebögen erhoben. Dies entsprach einem Rücklauf von circa 20 Prozent, so dass eine quantitative Auswertung möglich war. Berücksichtigt ist, dass es sich dabei nicht um eine Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit handelt. Die Auswertung der Daten erfolgte anhand deskriptiver Methoden. Dazu wurden neben demografischen Daten, wie Alter, Bildungsniveau oder Nationalität, auch die Anzahl der früheren Schwangerschaften, der Untersuchungen in den vorausgegangenen Schwangerschaften sowie Untersuchungen, die sich auf die letzte Schwangerschaft bezogen, ausgewertet. Die empirische Basis stützt sich auf 590 gültige Antworten von Müttern, die von Januar 2011 bis Dezember 2013 ein oder mehrere Kinder geboren hatten.

Vor der Durchführung der Studie wurde eine Genehmigung bei der zuständigen Ethik-Kommission der Ludwig-Maximilians-Universität München eingeholt.

Die Datenerfassung und -eingabe des Fragebogens erfolgte durch die Statistik- und Analyse-Software SPSS (Statistical Package for Social Sciences) in einer Access-Datenbank.

Die Ergebnisse

Alle im Rahmen der Studie befragten Mütter waren (ehemalige) Klientinnen der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. Dadurch ergaben sich einige signifikante Abweichungen vom bundesdeutschen Durchschnitt hinsichtlich der sozio-demografischen Profile. Über die Hälfte der Mütter aus der Stichprobe waren 36 Jahre und älter (56 Prozent). Etwa ein Drittel war zwischen 31 und 35 Jahre alt und nur knapp jede zehnte Mutter gab an, 30 Jahre und jünger zu sein. Der Altersdurchschnitt der Befragten weicht damit deutlich vom bundesdeutschen Durchschnitt ab: Dort sind vier von zehn Müttern von unter vierjährigen Kindern höchstens 30 Jahre alt.

Darüber hinaus zeigte sich in der Stichprobe eine deutliche Überrepräsentation von Frauen mit Hochschul- und Universitätsabschlüssen (81 Prozent). Im deutschen Durchschnitt hingegen ist das nur bei gut jeder fünften Mutter mit Kind(ern) unter vier Jahren der Fall. Eine ebenfalls auffällige Abweichung ist die vergleichsweise sehr hohe Quote von Müttern, die ihr Kind außerklinisch geboren haben. Mehr als jede fünfte Mutter (22 Prozent) hatte zumindest einmal ein Kind außerhalb einer Klinik geboren. Im bundesweiten Durchschnitt finden nur 1,5 Prozent aller Geburten außerklinisch statt (QUAG 2014).

Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik

Die Frage, ob sie den Begriff „Pränataldiagnostik“ kennen, bejahten fast alle Mütter (94 Prozent). Von den 590 Befragten haben fast drei Viertel in einer oder mehreren Schwangerschaften pränataldiagnostische Untersuchungen in Anspruch genommen (73 Prozent – siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik

Auf die Frage, welche Untersuchungen im Einzelnen in Anspruch genommen wurden, wiesen die 430 Frauen, die pränatale Untersuchungen haben durchführen lassen, vor allem auf Ultraschalldiagnostik hin. Die am häufigsten genannte Untersuchung war dabei der „große Ultraschall“, den acht von zehn Müttern in Anspruch genommen haben (80 Prozent). Eine große Mehrheit von 75 Prozent gab mehr als drei Ultraschalluntersuchungen an – lediglich eine Minderheit hat es bei den für die Schwangerschaftsvorsorge üblichen drei Ultraschalluntersuchungen belassen (26 Prozent).

In der Gruppe der Frauen, die über außerklinische Geburtserfahrung verfügen, ist dieser Anteil mit 55 Prozent allerdings mehr als doppelt so hoch. Daher kann man bei ihnen von einem distanzierteren Umgang mit Ultraschalluntersuchungen ausgehen.

Überdurchschnittlich häufig wurden mehr als drei Ultraschalluntersuchungen bei den Müttern vorgenommen, die privat versichert sind (86 Prozent).

Bei sechs von zehn Müttern (58 Prozent) wurde als pränataldiagnostische Maßnahme eine Nackenfaltenmessung und bei 40 Prozent ein Erst-Trimester-Screening vorgenommen – beide Verfahren signifikant häufiger bei Erstgebärenden (Nackenfaltenmessung: 65 Prozent, Erst-Trimester-Screening: 46 Prozent).

Den Triple-Test ließen 15 Prozent der Frauen machen. Knapp ein Zehntel der Nennungen fallen auf Praena-, Panorama-, Harmonytest (9 Prozent), Fruchtwasserpunktion (6 Prozent), Chorionzottenbiopsie (6 Prozent) und Nabelschnurpunktion (0,2 Prozent).

Die Fruchtwasserpunktion sowie Chorionzottenbiopsie wurden überdurchschnittlich häufiger bei Müttern ab 36 Jahren vorgenommen. Sechs Frauen (1 Prozent) nannten „sonstige“ andere Untersuchungen und vier Befragte bekannten, dass ihnen nicht genau klar war, was untersucht wurde.

77 Mütter – das sind 18 Prozent aller 430 Frauen, die sich einer pränataldiagnostischen Maßnahme unterzogen haben – verfügen über außerklinische Geburtserfahrung. All diese Frauen haben signifikant seltener alle aufgeführten Maßnahmen in Anspruch genommen.

Die Übersicht in Abbildung 2 macht deutlich, welche einzelnen pränataldiagnostischen Untersuchungen bei den Frauen vorgenommen wurden.

Abbildung 2: Von den Müttern in Anspruch genommene Untersuchungen

Abbildung 3: Beratungsinhalte beim Thema PND

Anhand dieser Ergebnisse ist davon auszugehen, dass es eine standardisierte Beratung in Sachen Pränataldiagnostik derzeit nicht gibt. So ist es nicht verwunderlich, dass nicht einmal jede zehnte Mutter (9 Prozent), die pränatale Diagnostik in Anspruch genommen hatte, angab, im Vorfeld den im GenDG §15 Abs.3 formulierten Hinweis auf psychosoziale Beratung erhalten zu haben.

Handlungsbedarf besteht ebenso im Hinblick auf den Umgang mit dem „Recht auf Nichtwissen“ gemäß § 9 Absatz 2 des Gendiagnostikgesetzes (GenDG). Nur ein Viertel (25 Prozent) aller Mütter gab an, darüber vor Inanspruchnahme einer Pränataldiagnostik unterrichtet worden zu sein (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Hinweise auf psychosoziale Beratung und das Recht auf Nichtwissen

Auffällig war der Zusammenhang, dass diejenigen Mütter, die über ihr „Recht auf Nichtwissen“ aufgeklärt wurden, sich insgesamt zufriedener (77 Prozent) zeigten als die, bei denen das nicht der Fall war (62 Prozent – siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Zufriedenheit von Müttern je nachdem, ob sie über ihr Recht auf Nichtwissen aufgeklärt worden sind oder nicht

Zukünftige Entscheidungen für oder gegen Pränataldiagnostik

Im Rahmen der Befragung wurde auch untersucht, ob Frauen bei einer möglichen nächsten Schwangerschaft in Bezug auf Pränataldiagnostik wieder genauso handeln würden.

Obwohl sich in beiden Untergruppen eine große Mehrheit wieder genauso verhalten würde, zeigt sich bei den Frauen, die über pränatale diagnostische Erfahrungen verfügten, mehr Unsicherheit: 14 Prozent von ihnen neigten eher dazu, zukünftig auf solche Verfahren zu verzichten (Unentschlossene: 12 Prozent).

Der entsprechende Anteil von Wechslerinnen oder Zweiflerinnen in der Gruppe derjenigen, die bisher auf Pränataldiagnostik verzichtet hatten und zukünftig eher darauf zugreifen wollen, beträgt dagegen nur 5 Prozent (Unentschlossene: 17 Prozent). Diese Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind statistisch signifikant.

Betrachtet man ausschließlich diejenigen Frauen, die über pränataldiagnostische Erfahrungen verfügen – diese Maßnahmen also bereits in Anspruch genommen haben – so ist hier ein entscheidender Faktor für eine nochmalige Inanspruchnahme die bisherige Zufriedenheit (siehe Abbildung 6). Sechs von zehn Unzufriedenen (59 Prozent) würden sich wieder dafür entscheiden – bei den Zufriedenen allerdings sind es acht von zehn (81 Prozent).

Abbildung 6: Pränataldiagnostische Untersuchungen in einer weiteren Schwangerschaft

Akzeptanz von Praena-, Panorama- oder Harmonytest

Ein Teil der Studie bezog sich auch auf die Frage der Akzeptanz der seit 2012 angebotenen nicht-invasiven Bluttests (NIPT). Von 176 Müttern mit pränataldiagnostischer Erfahrung, die nicht ausschließen, noch ein weiteres Kind bekommen zu wollen, würde knapp ein Drittel einen solchen Test anwenden. Eine Hälfte dieser Frauen spricht sich dagegen aus, die anderen sind unschlüssig. Die Akzeptanz eines solchen Testverfahrens steht und fällt mit den Erfahrungen, die die befragten Mütter bisher mit der Pränataldiagnostik gemacht hatten.

Wer „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit den bisherigen pränataldiagnostischen Untersuchungen war, ist auch eher bereit, diese neuen Testverfahren bei einer möglichen nächsten Schwangerschaft anzuwenden. Wer schlechte Erfahrungen mit Pränataldiagnostik gemacht hat, ist deutlich vorsichtiger (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Akzeptanz neuer Tests aufgrund vorausgehender pränataldiagnostischer Untersuchungen

Gründe für die Inanspruchnahme von pränataldiagnostischen Untersuchungen

Frauen, bei denen es keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ihres Kindes gab – das ist die große Mehrheit – gehen vergleichsweise unbesorgt an die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik heran. Sie wünschen sich in erster Linie eine Bestätigung der Gesundheit ihres Kindes. Jede siebte von ihnen ist dabei fälschlicherweise der Auffassung, dass dieses Angebot auch zur allgemeinen Schwangerschaftsvorsorge gehört.

Eine Minderheit der Frauen (15 Prozent) berichtet, dass ihnen vor der Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik Hinweise auf eine mögliche Beeinträchtigung vorlagen. Für diese Frauen war die Empfehlung ihres Arztes oder ihrer Ärztin ein entscheidender Grund, sich pränataldiagnostischer Verfahren zu unterziehen.

Wie erlebten Mütter die Untersuchungen?

Viele Mütter gaben an, die Ultraschalluntersuchungen als bindungsfördernd gegenüber ihrem Ungeborenen zu erleben. Möglicherweise findet hier – vor dem Hintergrund, alles für sein Kind zu tun zu wollen – eine Umleitung mütterlicher Ängste und Befürchtungen in eine Positivprojektion statt. Sie nehmen normierte Untersuchungen in Anspruch und auch in Kauf, um sich den weiteren Schwangerschaftsverlauf immer wieder mit „gesund – und alles in Ordnung“ bestätigen zu lassen. Bilder werden den Partnern und FreundInnen gezeigt, die Freude über die Schwangerschaft wird auch auf diese Art und Weise mitgeteilt.

Auf der anderen Seite kann die Inanspruchnahme von PND auch zu starken Belastungen und Verunsicherungen führen: Im Rahmen dieser Untersuchung kann festgestellt werden, dass diejenigen Mütter die stärksten Belastungen empfunden haben und am meisten beunruhigt waren, bei denen ein auffälliger Befund vorlag, der sich aber letztlich nicht bestätigt hat. Diese Mütter berichteten noch häufiger von Belastungen und beunruhigenden Empfindungen als diejenigen Frauen, bei denen sich ein solcher Befund schließlich bestätigt hat.

Resümee

Die Umfrageergebnisse bestätigen ein Auseinanderdriften der medizinisch-diagnostischen Möglichkeiten einerseits und der angemessenen Reaktion des Fachpersonals hinsichtlich Information, Beratung und Aufklärung andererseits. Es gibt zwar ein stetig wachsendes Angebot an medizinischer Diagnostik, aber die daraus möglicherweise resultierenden weitreichenden Folgen für Schwangere und ihre Familien sind noch wenig erforscht. Das gilt beispielsweise für Auswirkungen auf das Erziehungsverhalten der Eltern – generell für die gesamte frühkindliche Sozialisation. Eltern, die es gewohnt sind, sich die „Sicherheit“ von außen bestätigen zu lassen, suchen oft auch nach der Geburt des Kindes nach Bestätigung, dass „alles in Ordnung ist“.

Im Hinblick auf die Beratung der Mütter gilt es, unmissverständlich die Bedeutung der Schwangerenvorsorge, die das Abwenden von behandelbaren Krankheiten für Mutter und Kind zum Ziel hat, und Pränataldiagnostik, die eine Option zur Selektion erzeugt, voneinander abzugrenzen.

Hier sind die Übergänge trotz der neuen Gesetzeslage unscharf und für die Schwangeren nach wie vor nicht immer deutlich erkennbar. Obwohl der Begriff „Pränataldiagnostik“ einen hohen Bekanntheitsgrad hat, denken Frauen häufig, dass PND zwar nicht zur Schwangerschaftsvorsorge, doch aber zur guten Für- und Vorsorge in einer Schwangerschaft gehöre. Mit den Gedanken, „alles getan“ und später nichts versäumt zu haben, sind viele Frauen bereit, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen.

Die Beratungssituation ist trotz der neuen Regelung für die Schwangeren immer noch sehr unbefriedigend. Gut aufgeklärte Frauen waren signifikant zufriedener mit den in Anspruch genommen pränataldiagnostischen Maßnahmen.

Wenn es nicht gelingt – wie in der vorliegenden Studie nachgewiesen – selbst Frauen mit höchstem Bildungsstand wirklich umfassend zu informieren, können wir davon ausgehen, dass dies bei Müttern mit mittleren oder geringeren Qualifikationen noch schwieriger zu bewerkstelligen ist.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass es zwar viele Angebote für werdende Eltern gibt, sich umfassend vor, während und nach der Inanspruchnahme von PND psychosozial beraten zu lassen. Im Hinblick auf Kooperation zwischen GynäkologInnen, PränatalmedizinerInnen und psychosozialen BeraterInnen besteht jedoch deutlicher Verbesserungsbedarf. Vor allem der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis auf psychosoziale Beratung vor Inanspruchnahme von PND kommt in den meisten Fällen nicht bei den Schwangeren an. Die Gründe, aus denen die GynäkologInnen ihrer Hinweispflicht nicht nachkommen, müssten an anderer Stelle untersucht werden.

Darüber hinaus ist noch ungeklärt, wie eine pränataldiagnostische Beratung von Frauen mit Migrations- oder anderem kulturellen Hintergrund auszusehen hat. In der Hebammenpraxis hat sich gezeigt, dass Frauen aus einfacheren Bildungsschichten oder aus anderen Kulturkreisen häufig eher unzureichend informiert und unterversorgt sind, sowohl in der ärztlichen als auch in der Hebammenbetreuung.

Ausblick

Das Missverhältnis zwischen dem, was medizinisch-diagnostisch machbar ist und was Schwangere als Vorsorge wirklich benötigen, darf nicht auf dem Rücken der Mütter ausgetragen werden. Diese müssen qualifiziert beraten werden und zwar unabhängig davon, aus welcher gesellschaftlichen Schicht sie stammen oder welchen ethnischen Hintergrund sie mitbringen. Damit sind alle Fachkräfte angesprochen, die die Frauen unmittelbar während der Schwangerschaft betreuen.

Die Problematik der PND beschränkt sich jedoch nicht nur auf Schwangere, ihr Umfeld und ihre beratenden Fachkräfte. Gesellschaftspolitisch brisant ist die Tatsache, dass zum einen seit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland überall von Inklusion die Rede ist, und andererseits die möglicherweise zunehmende Selektion durch Pränataldiagnostik voranschreitet. Hier konterkarieren sich gesellschaftspolitische Positionen, die es zu vereinen gilt. Durch Gesetze und Verordnungen ist dieser Konflikt nicht lösbar. Der Diskussionsbedarf zur Herstellung eines gesellschaftlichen Konsenses in dieser Frage ist sehr groß.

Zitiervorlage
Lohrey S: Forschungsarbeit zur Pränataldiagnostik: Mehr Möglichkeiten, mehr Unsicherheit. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2016. 68 (2): 58–63
Literatur
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Erläuterungen zum „Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes“. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/schwangerschaftskonfliktgesetz (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Deutscher Ethikrat: Die Zukunft der genetischen Diagnostik – von der Forschung in die klinische Anwendung. Stellungnahme vom 30.4.2013. http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-zukunft-der-genetischen-diagnostik.pdf (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Duttge G, Engel W, Zoll B (Hrsg): „Behinderung“ im Dialog zwischen Recht und Humangenetik. Göttingen. Universitätsverlag Göttingen 2014

Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA): https://www.g-ba.de/downloads/62-492-883/Mu-RL_2014-04-24.pdf (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Gemeinsamer Bundesausschuss: Mutterschafts-Richtlinien – Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Gendiagnostikgesetz: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gendg/gesamt.pdf (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Hebammengesetz: Gesetz/Verordnung 1985. 22.6.2014

Kassenärztliche Bundesvereinigung: Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung, Ultraschallscreening in der Schwangerschaft. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-883/Mu-RL_2014-04-24.pdf (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Mozygemba K: Die Schwangerschaft als Statuspassage. Das Einverleiben einer sozialen Rolle im Kontext einer nutzerinnenorientierten Versorgung. 1. Aufl. H. Huber. Bern (2011)

Nippert I, Neitzel H: Ethische und soziale Aspekte der Pränataldiagnostik. Überblick und Ergebnisse aus interdisziplinären empirischen Untersuchungen urn:nbn:de:bsz-psydok-47747 (2007)

QUAG e.V. (Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe): www.quag.de/ (letzter Zugriff: 7.1.2016)

Strafgesetzbuch: § 218 Abs. 2 StGB, http://dejure.org/gesetze/StGB/218.html

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png