Foto: © Melanie Garanin

Schon als Hebammenschülerin fand ich es entnervend, bei den Babys auf die »richtige« Farbe der Babydecken achten zu müssen, wenn wir die Kinder – alle vier Stunden(!) – aus dem Neugeborenenzimmer zu den Müttern brachten. Und wehe, es gab nicht genug Decken in Rosa oder Hellblau. Die Mütter waren sofort der Meinung, dass wir ein falsches Kind bringen würden, weil sie ihr Baby nicht an seinem Gesicht erkannten, wenn wir nicht die »richtige« Farbe der Zudecke dabeihatten.

Wir machten uns dann ab und zu einen Spaß daraus, alle Mädchen mit hellblauen und alle Jungen mit rosafarbenen Decken in die Zimmer zu schieben. Hätten die Mütter auf das unfreiwillige Wegnehmen der Kinder nach dem Stillen ebenso rigoros reagiert wie auf die Missachtung der Farbenregel, wäre das 24-Stunden-Rooming-In vermutlich schon früher eingeführt worden! Aber das war damals noch kein Thema.

Allzu viel hat sich an den Gender-Klischees aber bis heute nicht geändert. Ein Comedian erzählte jüngst, wie er auf dem Spielplatz eine Mutter darauf aufmerksam machte, dass ihr Kind seinen Schnuller fallen lassen hatte. »Sie hat da was verloren«. Die Mutter berichtigte ihn übellaunig: »Sie meinen seinen Schnuller. Er ist ein Junge! Das sieht man doch, er hat eine blaue Jacke an … Jungs tragen blau!«. Er bemerkte ihre blaue Jacke und sagte, »Oh, natürlich, mein Herr, tut mir leid. Ich wollte Sie nicht in Ihrer Vaterehre kränken.« Sie fand das gar nicht lustig und war versucht, auf ihn loszugehen, aber der Comedian trug ein rosa T-Shirt und riet ihr davon ab: »Sie wollen doch wohl keine Frau schlagen.«

Zitiervorlage
Franke, T. (2024). Blaues Baby. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (9), 120.
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