Es schien alles so einfach, schnell und leicht
Das Kind gut geboren, es der Mutter gereicht
… und das so Glück perfekt.
Kind an die Brust, ganz einfach und leicht
Das hat es gewusst, dort duftet es weich
… und das Glück so perfekt.
Es strömt die Milch, süß und warm
Und das Kind dort sicher geborgen im Arm
… das Glück so perfekt!
Doch ach, leis und rot strömt’s weiter unten aus ihr
Das holt mich jäh wieder ins Jetzt und Hier.
Ihr Arm wird kraftlos, plötzlich so schlaff
Im letzten Moment ich das Kind an mich raff.
Aus ihr läuft es rot, es läuft Lebenssaft
Das fließende Blut nimmt ihr all ihre Kraft.
Ihr Herz, es fliegt, kalt fließt der Schweiß
Ihr Gesicht, es ist schon jetzt kreideweiß.
Sie driftet immer weiter aus diesem Raum
Meine Stimme, mein Rufen, erreichen sie kaum.
»Nein, nein, jetzt nicht die Augen zu mach’.
Oh bitte, bitte, bleib mir doch wach!«
Weiter fließt es, es färben sich Tücher blutrot
Wenn das nicht gleich aufhört, gerät’s hier bald aus dem Lot.
Vom besonderen Saft, viel fehlt schon jetzt
Mit herzklopfender Angst ich zum Kühlschrank hetz’.
Hol Medikamente, hol Eis, um es aufzuhalten
Schrei in den Raum: »Den Uterus halten!«
Und es läuft und es läuft und es läuft …
Im Vorbeirennen ausgelöst der Notfall-Alarm
In rauen Mengen Oxy, Nalador, Tranexam.
Nach Sekunden der Raum dann voller hektischer Leute
Gemeinsam verhindernd
dass Schicksal heut macht ausblutende Beute.
Und tatsächlich: ganz langsam wird der Fluss immer seichter
Ich spür’ meine Angst – sie wird etwas leichter.
Ich fühl’ ihre Haut ein Hauch von lauwarm
Obwohl die Vorlagen halten noch immer nicht lang.
Jede Minute schau ich bang unter die Decke
Ob sich dort auch wirklich nichts verstecke
Vom wertvollen Blut, dem ganz besonderen Saft
Dem Spender von Leben, von Leben und Kraft.
Irgendwann kommt der Fluss dann gänzlich zum Stehen
Und langsam kann man es an ihrer Gesichtsfarbe sehen.
Nach einer Weile, sie öffnet die Augen
Und ich kann meinen Sinnen kaum glauben:
Sie ruft nach dem Kind, auch wenn sie noch schwach.
Ich vor lauter Erleichterung laut herzlich lach’.
Und geb’ ihr das Kleine zurück auf die Brust
Und das Baby saugt weiter, als hätt’ es gewusst
Dass sie genau das jetzt braucht, saugt mit allem, was geht
Und sein Saugen den Uterus macht, dass er weht.
Sie fühlt es und fühlt es und fühlt es so sehr,
Dass sie darf hier bleiben und will das Leben noch mehr.
Jetzt scheint alles richtig und gut, fast schon perfekt
Glück hat sich an die Seite von Können gesetzt,
Es hat dem Schicksal diesmal Einhalt geboten.
Und ich?
Ich werde neu die Dimensionen von Demut ausloten.
Für heute aber, und das ist gewiss,
das Glück ist perfekt, genau so wie es ist.