Lachgasanwendung im Jahr 1957 – über viele Jahrzehnte war Lachgas das Analgetikum in der klinischen Geburtshilfe – derzeit ist es im 1:1-Gemisch mit Sauerstoff wieder im Kommen. Foto: © Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck

Eine Zeitreise durch die Analgesiemethoden im Laufe von mehr als vier Jahrzehnten Geburtspraxis in deutschen und Schweizer Kreißsälen. Der Autor war langjähriger Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln, Lehrkrankenhaus der Charité Berlin, und hat auch Hebammen unterrichtet. Er hält die Analgesie mit Lachgas für eine probate Methode..

Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären …”, heißt es im ersten Buch Mose im dritten Kapitel, Vers 16 (Lutherbibel, Nürnberg 1731). Diesen Spruch aus der Bibel im Kopf, erlebte ich 1966 während eines Krankenpflegepraktikums Geburten in einem Kreißsaal, der ein wahrer Kreischsaal und damit unbeliebt bei uns Anfängern war. Entsprechend mieden wir diesen „biblischen Bereich” des Krankenhauses.

Während des „Storchennest”-Praktikums 1971 in einem Lehrkrankenhaus der Uni Heidelberg, bei dem man mehrere Tage ununterbrochen in der Geburtsklinik sein sollte, wurden wir Medizinstudenten zwangsweise mit Geburten konfrontiert. Schmerztherapie erlebten wir aus der Beobachterperspektive nur in Form der Durchtrittsnarkose: Die „narcose à la reine” – Königinnennarkose – wurde damals von einer Dosis Syntometrin und einer Episiotomie begleitet. Wir waren irritiert; bekamen aber auf unsere Fragen keine schlüssigen Antworten – man hatte der Frau doch den Geburtsschmerz genommen. Diese Art der Geburtshilfe setzte ich dann selbst als Medizinalassistent um – weil es an meinem kleinen Krankenhaus auch keine Alternative gab. Ich lernte das Nähen von Geburtsverletzungen in Evipan- oder Epontol-Narkose.

Auf der nächsten kurzfristigen Stelle zur Finanzierung eines Zweitstudiums 1973 als junger Assistenzarzt in einem Kreiskrankenhaus, wurden nach meiner Erinnerung leichte Schmerzmittel verabreicht. Es war die Zeit der Selbstbestimmung. Die Frauen kamen überzeugt aus den Kursen für eine selbstbestimmte Geburt nach der Auffassung des englischen Arztes Grantly Dick Read. Sie durften laut Maxime keine Schmerzen haben, da sie ohne Angst ja keine Spannung aufbauten und dann gar keine Schmerzen haben konnten. Wehe, wenn dann aber Schmerzen auftraten und das ganze Programm nicht lief. Die ersten Begleitpersonen wurden ebenfalls nicht gern gesehen, weil sie auch zu diesem bei Hebammen unbeliebten Programm gehörten.

Ab 1977 hatte ich meine erste Weiterbildungsstelle an einer Universitätsfrauenklinik. Begleitpersonen waren dort schon seit Jahren akzeptiert, insbesondere Männer. Hier begegnete ich dem frei verfügbaren Lachgas (N2O). Es stand in jedem Geburtsraum der neuen Klinik zur Verfügung; man musste sich lediglich mit dem Mischventil auseinandersetzen und das Lachgas individuell mischen. Mit einem neuen Chef kam auch der Wunsch nach Einführung der Periduralanästhesie (PDA) auf. Der vorher zuständige Chef der Anästhesie hatte sie verweigert, weil ein natürlicher Vorgang – wie die Geburt – keine Indikation für eine Schmerztherapie mit Risiken sei. Auch das hilfsweise Angebot, wir könnten uns dann als Geburtshelfer selbst behelfen und die PDA übernehmen, reichte noch nicht aus.

Lachgas fest installiert

Der lytische Cocktail aus Chlorpromazin, Promethazin und Pethidin, der medikamentöse „Hammer” aus Opiaten und Psychopharmaka stand weiterhin im Vordergrund. Später wurde der Widerstand geringer; ein neuer Oberarzt befasste sich speziell mit geburtshilflicher Anästhesie und führte die PDA in der Geburtshilfe ein. Schließlich war der alte Chef damit konfrontiert, dass seine beiden Töchter Kinder bekamen, was dann endgültig den Frieden bezüglich der PDA besiegelte.

Anfang der 1990er Jahre kam ich nach Berlin. In der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln war Lachgas in jeder Kabine des Kreißsaals fest installiert und jederzeit verfügbar. Auch war hier die PDA durch die Geburtshelfer implementiert – damals allerdings noch mit Lokalanästhetika und dadurch abnehmender Akzeptanz bei Hebammen und Gebärenden wegen der Lähmung der Beine durch Ausschalten der sensiblen und motorischen Nerven. Dies änderte sich quasi schlagartig, als die „Walking”-PDA mittels Opiaten eingeführt wurde, die seitdem auch von Hebammen großzügig empfohlen wird. Dies führte einerseits zu einer Zunahme der PDA, andererseits zu einer Abnahme des Opiatgebrauchs und zu einem verminderten Bedarf an Lachgas.

Lachgas begleitete uns auch noch in jeden Geburtsraum nach Bezug eines Neubaus 2005. Allerdings mussten jetzt Mischgeräte angeschlossen werden; diese waren nicht mehr fest eingerichtet. Im Rahmen von Sparmaßnahmen wurde dann vor drei Jahren die Lachgasleitung abgeschaltet. So waren wir gezwungen, entweder auf Lachgas zu verzichten oder es auf anderem Weg zu besorgen. Da mittlerweile Livopan® verfügbar war, ist seitdem – und dank leichter Applikation wieder vermehrt – Lachgas sub partu in Anwendung. Soweit zur Geschichte.

Selbst dosiertes Analgetikum

Lachgas ist ein dosisabhängig wirksames Analgetikum, das – selbst appliziert – der Gebärenden die Möglichkeit gibt, autonom durch eigenes Tun ihre Schmerzen mehr oder weniger zu reduzieren. Das setzt natürlich voraus, dass es richtig angewendet wird. Damit die Wirkung den Wehenschmerz auch lindern kann, muss das Lachgas rechtzeitig und ausreichend tief inhaliert werden. Eine Überdosierung ist dadurch ausgeschlossen, dass die Gebärende die Maske oder alternativ das Mundstück selbst halten muss. Das könnte sie nicht mehr, wenn sie nicht bei Bewusstsein wäre. Die aktuell angebotene Mischung von 50 Prozent Lachgas und 50 Prozent Sauerstoff verhindert außerdem einen möglichen Mischfehler mit erheblicher Reduktion des Sauerstoffanteils. Somit ist die Anwendung unproblematisch und einfach geworden. Diese Mischung wird als Entonox® seit 1965 im angelsächsischen Sprachraum großzügig verwendet.

In erster Linie wirkt N2O analgetisch; im Vergleich sogar besser als Opiate, die der Standard der medikamentösen Schmerztherapie waren. Daneben wirkt es anxiolytisch und leicht sedierend. Es wirkst sich nicht auf die Wehentätigkeit aus und hat keine kardiorespiratorischen Nebenwirkungen.

Im Einzelfall sind Nebenwirkungen festzustellen, wie Übelkeit und Erbrechen, die aber beide unter Wehen kaum vom Erwartbaren zu unterscheiden sind. Auch beim Kind kommt es dank der Flüchtigkeit des Gases zu keinem „Überhang” oder anderen relevanten Nebenwirkungen.

Lachgas kann bei längerfristiger kontinuierlicher Anwendung oxidierend auf das Vitamin B12 wirken, mit der Konsequenz einer reversiblen Knochenmarksdepression. Während der Geburt wird Lachgas intermittierend gegeben. So ist kaum damit zu rechnen, dass selbst bei einer protrahierten Geburt die Sechs-Stunden-Obergrenze für die kontinuierliche Applikation von Lachgas je erreicht wird. Im Gegenteil ergeben die Daten, dass die Anwendung der 50:50-Mischung extrem sicher ist. N2O gehört zu den Treibhausgasen. Insgesamt bleibt es lange in der Atmosphäre und kann die Ozonschicht schädigen. Allerdings machen die medizinischen N2O-Emissionen dabei aber nur ein Prozent der gesamten Emissionen von N2O und weniger als 0,05 Prozent aller Treibhausgase aus.

Frage der Arbeitsplatzsicherheit

Durch das obligatorische Demand-Ventil wird das Lachgas-Sauerstoff-Gemisch nur dann abgegeben, wenn die Gebärende es ansaugt. Sofern sie die Maske aufbehält und ein Abluftschlauch installiert ist, wird der Arbeitsplatz für Hebammen und ÄrztInnen nicht mit Lachgas belastet. Wenn eine solche Ablufteinrichtung nicht vorhanden ist, muss das Vorgehen vor Ort festgelegt werden. In den meisten Fällen dürfte auch nach Testung eine intermittierende Lüftung ausreichend sein, um Belastungsgrenzwerte nicht zu erreichen oder zu überschreiten. Selbst nach Jahrzehnte langer Anwendung in Großbritannien und Skandinavien sind negative Auswirkungen auf das Personal nicht nachgewiesen worden.

Eine Indikation für die Applikation von Lachgas in der Geburtshilfe ist im Prinzip immer dann gegeben, wenn kurzfristig eine wirksame Schmerztherapie benötigt wird – sei es während der Geburt, sei es nach der Geburt des Kindes beispielsweise zur Wundversorgung. Andere Indikationen sind, neben dem ausdrücklichen Wunsch der Schwangeren, weil sie es schon kennt, Kontraindikationen für eine PDA, Überbrückung bis zur vollen Wirkung der PDA oder eine unzureichende Wirkung anderer Schmerztherapien.

Resümee

Lachgas stellt eine probate Möglichkeit der Schmerztherapie für die Gebärende dar, die wegen einfacher Applikation und vernachlässigbarer Nebenwirkungen – neben anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen Methoden sowie der PDA – zur Verfügung stehen sollte. Für den Erfolg der Therapie ist die richtige Einweisung der Gebärenden mit entscheidend, insbesondere der Beginn der ruhigen tiefen Inhalation sehr früh in der Wehe. In der Beratung ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass jede Art von Schmerztherapie besondere oder ex­treme Geburtserlebnisse in jeder Hinsicht einzuschränken vermag. So werden Frauen mit der Erwartung eines Orgasmic-birth-Erlebnisses dieses möglicherweise nicht erfahren.

Meinungen zur Analgesie mit Lachgas

„Lachgas wird seit mehr als 100 Jahren in der Geburtshilfe eingesetzt und gilt in anderen Ländern als Standardverfahren im Kreißsaal. Im Verhältnis dazu wird das Gas in Deutschland seltener verwendet, obwohl es werdenden Müttern die Möglichkeit gibt, ihre Schmerzlinderung selbst zu steuern und die Zufriedenheit von Gebärenden mit der Methode hoch ist”, so Speth, Mathers und Biedler in der Zeitschrift Gynäkologe (2013).

In einer kürzlich verfassten Stellungnahme aus der Hebammenwissenschaft von Prof. Rainhild Schäfers im Hebammenforum (2012) heißt es: „Im Hinblick auf die Beeinflussung der Uterusaktivität ist das Lachgasgemisch der PDA gegenüber klar im Vorteil. Angesichts dieser Tatsache wie auch der Tatsache, dass der Inhalation eines Lachgasgemisches eine gute analgetische Wirkung bescheinigt wird, sollte diesem Verfahren in Forschung und Praxis mehr Beachtung geschenkt werden.”

Nachgefragt

Birgit Heimbach: Während Ihrer Zeit als Oberarzt am Universitätsspital Zürich hat Ihr Chef, Prof. Dr. Huch, mal gesagt, Hebammen seien die größten Aushalterinnen von Schmerzen anderer. Wie sehen Sie diesen Ausspruch aus heutiger Sicht?

Prof. Dr. Klaus Vetter: Das ist nur aus der Geschichte der Geburtshilfe heraus zu verstehen. Für die Hebammen war es zentral wichtig, dass die Mutter Schwangerschaft und Geburt möglichst gut überlebte, und da stand eine Schmerztherapie nicht im Vordergrund. Prof. Huch wird damals wohl gemeint haben, dass die Medikalisierung der Geburt durch ärztliches Tun auch Vorteile für die Gebärenden mit sich gebracht hat, die auch Hebammen anerkennen und in Anspruch nehmen sollten.

Heutige Hebammen können sich kaum mehr vorstellen, sich nicht auch um die Schmerzen der Gebärenden zu kümmern. Und damit dürfte diese Aussage Historie sein. Ein gutes Stück gemeinsamer Arbeit im Sinne der Schwangeren liegt damit hinter uns.

Zitiervorlage
Vetter K: Revival für Lachgas? DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (6): 26–28
Literatur
Schäfers, R.: PDA und Lachgas – geburtshilfliche Analgesieverfahren unterschiedlicher Berühmtheit. Hebammenforum. 13 (7): 589 (2012)

Speth, J., Mathers, F. G., Biedler, A.: Lachgas als Analgetikum in der Geburtshilfe. Ein aktueller Blick auf eine altbewährte Methode. Gynäkologe. 46 (2): 129 (2013)

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