Eine Zeitreise durch die Analgesiemethoden im Laufe von mehr als vier Jahrzehnten Geburtspraxis in deutschen und Schweizer Kreißsälen. Der Autor war langjähriger Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln, Lehrkrankenhaus der Charité Berlin, und hat auch Hebammen unterrichtet. Er hält die Analgesie mit Lachgas für eine probate Methode..
Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären …”, heißt es im ersten Buch Mose im dritten Kapitel, Vers 16 (Lutherbibel, Nürnberg 1731). Diesen Spruch aus der Bibel im Kopf, erlebte ich 1966 während eines Krankenpflegepraktikums Geburten in einem Kreißsaal, der ein wahrer Kreischsaal und damit unbeliebt bei uns Anfängern war. Entsprechend mieden wir diesen „biblischen Bereich” des Krankenhauses.
Während des „Storchennest”-Praktikums 1971 in einem Lehrkrankenhaus der Uni Heidelberg, bei dem man mehrere Tage ununterbrochen in der Geburtsklinik sein sollte, wurden wir Medizinstudenten zwangsweise mit Geburten konfrontiert. Schmerztherapie erlebten wir aus der Beobachterperspektive nur in Form der Durchtrittsnarkose: Die „narcose à la reine” – Königinnennarkose – wurde damals von einer Dosis Syntometrin und einer Episiotomie begleitet. Wir waren irritiert; bekamen aber auf unsere Fragen keine schlüssigen Antworten – man hatte der Frau doch den Geburtsschmerz genommen. Diese Art der Geburtshilfe setzte ich dann selbst als Medizinalassistent um – weil es an meinem kleinen Krankenhaus auch keine Alternative gab. Ich lernte das Nähen von Geburtsverletzungen in Evipan- oder Epontol-Narkose.
Auf der nächsten kurzfristigen Stelle zur Finanzierung eines Zweitstudiums 1973 als junger Assistenzarzt in einem Kreiskrankenhaus, wurden nach meiner Erinnerung leichte Schmerzmittel verabreicht. Es war die Zeit der Selbstbestimmung. Die Frauen kamen überzeugt aus den Kursen für eine selbstbestimmte Geburt nach der Auffassung des englischen Arztes Grantly Dick Read. Sie durften laut Maxime keine Schmerzen haben, da sie ohne Angst ja keine Spannung aufbauten und dann gar keine Schmerzen haben konnten. Wehe, wenn dann aber Schmerzen auftraten und das ganze Programm nicht lief. Die ersten Begleitpersonen wurden ebenfalls nicht gern gesehen, weil sie auch zu diesem bei Hebammen unbeliebten Programm gehörten.
Ab 1977 hatte ich meine erste Weiterbildungsstelle an einer Universitätsfrauenklinik. Begleitpersonen waren dort schon seit Jahren akzeptiert, insbesondere Männer. Hier begegnete ich dem frei verfügbaren Lachgas (N2O). Es stand in jedem Geburtsraum der neuen Klinik zur Verfügung; man musste sich lediglich mit dem Mischventil auseinandersetzen und das Lachgas individuell mischen. Mit einem neuen Chef kam auch der Wunsch nach Einführung der Periduralanästhesie (PDA) auf. Der vorher zuständige Chef der Anästhesie hatte sie verweigert, weil ein natürlicher Vorgang – wie die Geburt – keine Indikation für eine Schmerztherapie mit Risiken sei. Auch das hilfsweise Angebot, wir könnten uns dann als Geburtshelfer selbst behelfen und die PDA übernehmen, reichte noch nicht aus.