Illustration: © Melanie Garanin

In den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts kaufte die Klinik, in der ich meine Ausbildung machte, ein sogenanntes »Romarad« für den Kreißsaal, das die aufrechte Geburt fördern soll. Es besteht aus einem in einem riesigen Rad schwebendem Hängesessel, »der ein Gefühl der Schwerelosigkeit vermittelt«. Es wurde von einem Schweizer entwickelt, der nach einer Rückenoperation Monate lang im Bett verharren musste.

Unser sündhaft teures Modell wurde damals auch mit dem Verkauf von Plazenten für die Gesichtscreme »Hormocenta« finanziert. Die Eltern wussten nichts von diesem Organhandel, aber es war ja für einen guten Zweck, denn welche Gebärende träumt nicht auch davon, während der Kontraktionen in luftiger Höhe zu schweben? Oder ihre Beine in Schlaufen abzulegen? Es soll dem Hohlkreuz während der Geburt vorbeugen, weil es in dem Sitz unmöglich ist, den Rücken zu »überstrecken« und Frauen daran hindern, eine »falsche« Position einzunehmen.

Tatsächlich fand das Geburtsgestell damals in unserem Kreißsaal kaum die gedachte Anwendung, weil die meisten Frauen sich nicht lange wohl fühlten darin, oder weil das Köpfchen in der Austrittsphase durch die starke erzwungene Rundung des Rückens nicht tiefer trat.

Doch es hatte auch sein Gutes. Es gab daneben nämlich kein Kreißbett, sondern nur ein weiches Bett. So pendelten die Frauen oft zwischen dem Gestänge des Romarads, an dem sie sich festhalten konnten, und dem Bett, das sie zum Ruhen oder Abstützen nutzten. Die meisten Kinder kamen ganz entspannt, während die Mutter im Bett kniete und sich am Fußende abstützte.

Und anwesende Arzt:innen mit Rückenschmerzen nutzten nicht selten das Romarad, um sich in luftiger Höhe kurz mal zu entspannen.

Zitiervorlage
Franke, T. (2024). Schwerelos im Geburtsgestell. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (3), 120.
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