Die Idee des Geburtsplans stammt aus den 1980er Jahren und entwickelt sich immer weiter. Er soll Frauen in selbstbestimmten Entscheidungen unterstützen und die Kommunikation mit dem geburtshilflichen Team verbessern. Drei australische Hebammenwissenschaftlerinnen haben sich mit den Erfordernissen an eine frauenzentrierte Geburtsplanung erneut auseinandergesetzt und ein Diskussionspapier erstellt.
Gewalt in der Geburtshilfe wird zunehmend thematisiert und Strategien werden immer wichtiger, um diese möglichst vorausschauend zu vermeiden. Gewalt in der Geburtshilfe kann zum einen bedeuten, dass eine Gebärende traumatische Erfahrungen bei ihrer Geburt macht, jedoch auch, wenn sie in Entscheidungsprozesse beim Gebären nicht einbezogen wird. Übergriffigkeit oder Gewalt erleben Frauen auch, wenn sie sich überhört fühlen oder einen Kontrollverlust beim Gebären erleben. Werden Frauen in Entscheidungsprozesse einbezogen, bedeutet dies im Umkehrschluss für viele Gebärende das Gefühl, Kontrolle wahren zu können und gewaltfrei zu gebären.
Ermutigung zu einer informierten Entscheidung
Im Rahmen eines Diskussionspapiers setzten sich die drei australischen Hebammenwissenschafterinnen Catherine H. Bell, Hannah G. Dahlen und Deborah Davis mit der Rolle des Geburtsplans auseinander: Wie können darüber mütterliche Entscheidungsprozesse während der Geburt im Sinne der Gebärenden kommuniziert und unterstützt werden? Wie können Gebärende respektvoll in Entscheidungsprozesse während der Geburt einbezogen werden? Sie zeigen die Grundidee auf, die Carla Reinke und Penny Simkin bereits in den 1980er Jahren geprägt haben: ein Konzept eines Geburtsplans, mit dem Gebärende zu informierten Entscheidungen ermutigt werden. Die informierte Entscheidung steht dabei in klarem Zusammenhang zu einer guten Kommunikation und Kooperation zwischen der Gebärenden und der Hebamme.
Mehr als eine Checkliste
Die Umsetzung in der Praxis wurde maßgeblich durch Sheila Kitzinger beeinflusst. Der Begriff des Geburtsplans wurde rasch implementiert, zeigte jedoch unterschiedliche Auswirkungen: Ohne eine kontinuierliche Kommunikation mit dem geburtshilflichen Team wurde Gebären nur oberflächlich beeinflusst. Wurde der Geburtsplan gemeinsam mit der Gebärenden unter der Geburt berücksichtigt und weiter kommuniziert, trug er letztlich zu informierten Entscheidungen bei.
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wurde ein Checklisten-Ansatz bei Geburtsplänen durch Informationsblätter ergänzt. Diese wurden zum Teil jedoch in einer Art und Weise formuliert, die eine »richtige« Antwort suggerierte und somit im eigentlichen Sinne keine »informierte«, sondern eine beeinflusste Entscheidung bewirkten. Daher wurde davon wieder Abstand genommen.
Die Formulierung
Ein Ziel des Geburtsplans besteht darin, die Autonomie der Gebärenden zu stärken, indem die Kommunikation gefördert wird: Die Gebärende verleiht ihren Wünschen Ausdruck. Manche Gebärende profitieren von einer Unterstützung bei der Erstellung eines Geburtsplans: Sowohl die Formulierung als auch die inhaltliche Ausrichtung erfordert sorgfältiges Abwägen.
Unterschieden werden kann beispielsweise die Ausrichtung in Form eines frauenzentrierten Geburtsplans, bei dem die Bedürfnisse der Gebärenden im Mittelpunkt stehen, oder eines klinikzentrierten Geburtsplans, bei dem die Bedürfnisse der Klinik priorisiert werden. Dabei spielt die Formulierung eine entscheidende Rolle. Diskutiert wird beispielsweise die Verwendung alternativer Begriffe zum Geburtsplan, der ein striktes Vorgehen suggeriert. Der Begriff des Geburtsplans kann den Bedürfnissen mancher Gebärender widersprechen, die mehr Offenheit gegenüber möglicherweise unerwarteten Verläufen wünschen. Alternativen lauten: »Vorlieben beim Gebären« (birth preferences) oder »Wegweiser Gebären« (birth guide/birth flow chart).
Geburt ist nicht linear
Gebären wird als multifaktoriell beeinflusster Prozess verstanden, der nicht linear gedacht und diskutiert werden kann. Eine Autorin fasst zusammen, dass äußere Umstände, Informationen und zugrundeliegende Faktoren zusammenkommen und die mütterliche Entscheidung beeinflussen.
Dabei spielen Einflussfaktoren eine Rolle, die mütterliche Entscheidungen während des Gebärens fördern oder verhindern. Diese umfassen eine Informationsweitergabe, die der Gebärenden die Offenheit lässt, in Übereinstimmung mit ihren Werten und Bedürfnissen eigene Entscheidungen zu treffen. Zudem eine respektvolle Geburtshilfe, die ausreichend Zeit lässt, Entscheidungen zu durchdenken und zu kommunizieren. Als weiterer Aspekt spielt eine effektive Kommunikation mit gutem Austausch zwischen der Gebärenden und dem geburtshilflichen Team eine wichtige Rolle.
Gebärende sensibilisieren
Die Autor:innen empfehlen, Gebärende für diese Einflussfaktoren und die Herausforderungen der Entscheidungsfindung zu sensibilisieren. Sie empfehlen, Gebärenden ein Verständnis für den Einfluss verschiedener Interventionen zu vermitteln, um ihnen bei betreffenden Entscheidungen zu helfen. Sie empfehlen die Weiterentwicklung existierender Geburtspläne und Modelle, um die Bedürfnisse von Gebärenden noch mehr in den Fokus zu stellen: Respektvolle frauenzentrierte Geburtshilfe solle gefördert werden.
Ramsayer, B. (2024). Diskussionspapier aus Australien: Geburtsplan im Fokus. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (1), 66–67.
Bell, C. H., Dahlen, H. G. & Davis, D. (2023). Finding a way forward for the birth plan and maternal decision making: A discussion paper. Midwifery, 126, 103806.DOI: https://doi.org/10.1016/j.midw.2023.103806