Das Gefühl, keine Entscheidungsfreiheit zu haben, beeinflusst das Leben der Frauen weit über die Zeit des Wochenbetts hinaus. Foto: © irissca/Stock.adobe.com

2020 ging in Deutschland ein Ruck durch die Medien, da sich immer mehr Betroffene öffentlich zu den negativen Erlebnissen um ihre Geburtseinleitung äußerten. Besonders misoprostolhaltige Medikamente und der Umgang damit bereiteten Probleme. An der Alice Salomon Hochschule Berlin wurde in einer Bachelorarbeit untersucht, was die Frauen erlebten und wie es dazu kommen konnte.

Mehr als jede fünfte Geburt wird in Deutschland eingeleitet (IQTIG, 2023). Bei medikamentösen Geburtseinleitungen ist, neben einer umfassenden Aufklärung über mögliche Risiken, die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Gebärenden von besonderer Bedeutung. Eine ökonomische Ausrichtung der Geburtshilfe hat zum Abbau von Betten und Personal geführt, was eine Verschiebung hin zu einem effizienzorientierten Ansatz zur Folge hat. Dies beeinflusst das Geburtserleben von Frauen erheblich.

In einer Bachelorarbeit im Studiengang Interprofessionelle Gesundheitsversorgung online (IGo) an der Alice Salomon Hochschule Berlin wurden 190 fragengestützte Selbstreporte der sogenannten Cytotec-Gruppe sekundäranalytisch ausgewertet. Ziel der Arbeit war es, die Auswirkungen der Geburtseinleitung auf das Wohlbefinden von Müttern im Kontext der Frauengesundheit aus der subjektiven Perspektive der Betroffenen zu verstehen und zu analysieren.

Was ist die »Cytotec-Gruppe«?

Bei der Cytotec-Gruppe handelt es sich um Frauen, denen das Medikament Cytotec® zur Geburtseinleitung verabreicht wurde. Betroffene berichten im Zusammenhang mit der oralen Einnahme des Medikaments über physische und psychische Komplikationen. Mit der Fragebogenaktion »Cytotec Stories« wird betroffenen Frauen die Möglichkeit gegeben, ihre Erfahrungen zu teilen, sich zu informieren und auszutauschen (> www.cytotec-stories.de).

Der Fragebogen ist unabhängig vom Forschungsprozess entstanden und nach einem Pretest 2020 von den Initiatorinnen der Cytotec-Gruppe online gestellt worden. Im Rahmen der Bachelorarbeit sind nur die Daten aus dem Fragebogen analysiert worden, die zur Beantwortung der Forschungsfrage relevant waren.

Da es sich um qualitative und quantitative Daten handelt, wurde der Mixed-Method-Ansatz zur Auswertung gewählt. Die qualitativen Daten in Form von Freitexten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mit Microsoft Excel.

In Deutschland werden jährlich etwa 22 % aller Geburten eingeleitet (IQTIG, 2023). Gemäß der S2k-Leitlinie »Geburtseinleitung« sollte der Schwangeren etwa ab dem zehnten Tag nach dem errechneten Termin empfohlen werden, die Geburt einzuleiten (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2020, S. 22). Aufgrund der Praxiserfahrung und der sekundäranalytischen Studie ist jedoch anzunehmen, dass die Praxis von den Empfehlungen abweicht. Mit der medikamentösen Intervention erhofft man sich mehr Kontrolle und ein besseres perinatales Ergebnis für Mutter und Kind.

Laut der Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Anwendung von Cytotec® (Misoprostol) in der Geburtshilfe liegen über die Dosierung keine Daten aus klinischen Studien vor. Die Geburtseinleitung kann bei regelmäßigen Kontraktionen zu einer Überstimulierung des Uterus mit Beeinträchtigung des kindlichen Zustands führen. Die Gebärende erlebt einen »Wehensturm«, verbunden mit dem Gefühl der körperlichen Überforderung. Eine bis dahin physiologisch verlaufene Schwangerschaft kann durch eine medikamentöse Geburtseinleitung zu einem geburtshilflichen Notfall werden (Wacker et al., 2011).

Geschieht dies, führt es bei vielen Frauen zu dem Gefühl, die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren, was sich nachteilig auf das subjektive Geburtserlebnis auswirkt. Eine in Schweden durchgeführte Studie zeigte, dass Frauen nach einer Geburtseinleitung ein negativeres Geburtserlebnis hatten als Mütter, die spontan gebären konnten (Hildingsson et al., 2011).

Selbstbestimmung und Aufklärung

Leitlinien zur Geburtseinleitung dienen Ärzt:innen als evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage für die Beratung und Betreuung von Schwangeren bei einer Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Bis 2020 galt die S1-Leitlinie »Vorgehen bei Terminüberschreitung« und seit 2020 existiert die überarbeitete S2k-Leitlinie »Geburtseinleitung«.

Hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts stimmen beide Leitlinien im Kern überein. Die Beratung hat laut Leitlinie nach dem Konzept der »informierten Entscheidung« zu erfolgen. Zielgruppe sind Frauen ohne spezifische Schwangerschaftsrisiken. Ziel des Beratungsgesprächs ist die gemeinsame Entscheidungsfindung, um die Indikation zur Einleitung zu prüfen. Hierbei müssen mögliche Kontraindikationen berücksichtigt werden, um unter Abwägung aller Faktoren die richtige Methode der Geburtseinleitung zu wählen. Gemeinsam mit der Schwangeren sollen der zeitliche Rahmen, der mögliche Ablauf und weitere Optionen (zum Beispiel Zuwarten) besprochen werden (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2020).

Beide Leitlinien bieten niedergelassenen Gynäkolog:innen und in der Geburtsklinik tätigen Ärzt:innen eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage für das Verfahren bei einer Überschreitung des errechneten Geburtstermins. Das Einverständnis muss schriftlich erklärt werden.

Medikamentöse Einleitung

Zur medikamentösen Einleitung stehen der Geburtshilfe unterschiedliche Medikamente zur Verfügung. Bis zur Zulassung des Medikaments Angusta® im Jahr 2020 wurde vor allem ein eigentlich nicht für die Geburtshilfe zugelassenes Medikament namens Cytotec® angewandt. Bei einem unreifen Zervixbefund (Bishop Score <7) hat sich Cytotec® als das effektivste Medikament zur Geburtseinleitung bewährt. Es enthält pro Tablette 200 µg des Wirkstoffes Misoprostol und ist ein günstiges, hitzestabiles, synthetisches Analogon von Prostaglandin E1, das ursprünglich zur Behandlung von Magengeschwüren entwickelt wurde. Für die Geburtseinleitung wird eine geringere Dosierung von 25–50 µg empfohlen und oral verabreicht. In der S2k Leitlinie zur Geburtseinleitung ist kein Dosierungsregime zu finden – vielmehr wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der mangelnden Evidenz aus deutschen Studien zukünftig weitere Untersuchungen erfolgen sollten, um geeignete Dosierungsregimes zu etablieren (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, S. 52, 2020).

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist in ihrer Stellungnahme zur Anwendung von Cytotec® (Misoprostol) in der Geburtshilfe darauf hin, dass Prostaglandine bei Überdosierung oder zu häufiger Anwendung zu einem Wehensturm mit der Folge einer fetalen Asphyxie mit schweren Schäden führen können (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 2020)

Macht die Dosis das Gift?

Daraus resultiert auch die Kritik an der medikamentösen Geburtseinleitung mit Misoprostol. Im Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) liegen Hinweise des pharmazeutischen Unternehmens Pfizer vor, dass Misoprostol ursprünglich als Ulkustherapeutikum unter dem Handelsnamen Cytotec® zugelassen und lange Zeit im Off-Label-Use in der Geburtseinleitung eingesetzt wurde. Aufgrund des Off-Label-Status werden keine genauen Dosierungsangaben gemacht, was in gynäkologisch-geburtsmedizinischen Fachkreisen als bekannt vorausgesetzt wird. Der zu hohe Wirkstoffanteil von 200 µg Misoprostol pro Tablette birgt bei einer unsachgemäßen Stückelung das Risiko einer Überdosierung (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 2020). Aufgrund fehlender Evidenz aus deutschen Studien sollen zukünftig weitere Untersuchungen dazu führen, ein geeignetes Dosierungsschema zu etablieren (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2020).

Mit dem 2004 eingeführten leistungsorientierten und pauschalisierenden Vergütungssystem, dessen Grundlage das G-DRG–System (German Diagnosis Related Groups) bildet und das 2020 mit der Einführung des Pflegepersonalstärkegesetzes in aG-DRG-System umbenannt wurde, kann man von einer Ökonomisierung der Geburtshilfe sprechen. Mit der Einführung der DRG-Pauschale sind Fehlanreize geschaffen worden, die für die Geburtshilfe lukrativ sind und sich in einem kurzen und schnellen Geburtsverlauf äußern (Maul, 2023). In Deutschland wird jeder stationäre Behandlungsfall mit einer entsprechenden DRG-Fallpauschale vergütet. Zu den relevanten Effekten des DRG-Systems gehört, dass ein neues Kostenbewusstsein geschaffen wurde, das zu erheblichen Einsparungen beim Personal und einem gleichzeigen Abbau von Betten geführt hat.

Die Fragebogenauswertung

Die hier vorgestellte empirische Untersuchung basiert auf folgenden Annahmen:

  • Aufgrund des Fehlens eines partizipativen Entscheidungsfindungsprozesses im Rahmen des Einleitungsverfahrens wird gegen das Recht der Frau verstoßen, eine individuelle Entscheidung für sich selbst zu treffen.
  • Eine medikamentöse Geburtseinleitung birgt das Risiko perinataler und maternaler Komplikationen mit psychischen und physischen Spätfolgen für das Wohlbefinden der Mutter.
  • Das Bedürfnis und der Wunsch von Gebärenden nach einer einfühlsamen und respektvollen Geburtsbegleitung sind aufgrund der aktuellen strukturellen Rahmenbedingungen nur bedingt umsetzbar.

Zur Prüfung der Thesen wurde eine Sekundärdatenanalyse durchgeführt und auf anonymisierte Daten eines Fragebogens der Cytotec-Gruppe zurückgegriffen. Alle Frauen, die an der Fragebogenaktion teilgenommen hatten, erlebten eine Geburtseinleitung. Das Alter der befragten Frauen lag zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 20 und 45 Jahren.

Im Fragebogen wurden sowohl qualitative als auch quantitative Daten mit geschlossenen Fragen und einem Selbstbericht erhoben. Ziel der quantitativen Datenanalyse war es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Einleitung den Geburtsverlauf hinsichtlich des Geburtsmodus beeinflusst und ob geburtsbedingte Komplikationen sowie psychische und physische Beeinträchtigungen Spätfolgen für Mutter und Kind bedeuten.

Die Aufklärung der Schwangeren im Rahmen der Geburtseinleitung und deren Bewertung wurden ebenfalls untersucht. Ziel der qualitativen Datenanalyse war es, das subjektive Geburtserleben nach der Geburt des Kindes in Erfahrung zu bringen und damit zu verstehen, welche Folgen geburtshilfliche Komplikationen haben, beziehungsweise welchen Einfluss Spätfolgen auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Mütter haben.

Abbildung: eigene Darstellung

Abbildung: eigene Darstellung

Belastungen nach Geburtseinleitungen

Den Berichten der Frauen zufolge sind die Auswirkungen der Geburtseinleitung auf das Wohlbefinden der Mutter vielfältig und mit teils erheblichen Folgen auf psychischer und körperlicher Ebene verbunden. Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass Gebärende und Schwangere nicht gemäß den Empfehlungen der Leitlinien aufgeklärt werden. Es gibt Anzeichen für Defizite in Bezug auf die den Gebärenden zur Verfügung stehenden Informationen und die Selbstbestimmung der werdenden Mütter. Die Datengrundlage gibt Hinweise darauf, dass die medikamentöse Geburtseinleitung bei den Befragten und ihren Kindern zu traumatischen Geburtserlebnissen führte, die weitreichende gesundheitliche Schäden nach sich zogen.

Physische Auswirkungen können sich in Form von Verletzungen im Genitalbereich zeigen, die das Sexualleben der Frau in der Folge beeinträchtigen können. Auch eine lange Rekonvaleszenzphase ist keine Seltenheit nach einer eingeleiteten Geburt.

Manche Frauen berichten von einer Uterusruptur mit daraus resultierenden Spätfolgen wie zum Beispiel einer Endometriose und dem Verlust der Fruchtbarkeit durch eine Hysterektomie. Wird eine Geburt als traumatisch erlebt, wirkt sich dies auf die Zeit des Wochenbetts aus und kann sich in Form einer Wochenbettdepression manifestieren, die wiederum Auswirkungen auf die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin, zur Familie und zum Kind hat. Auch die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft nach der traumatischen Geburtserfahrung kann die Beziehungen stark beeinträchtigen.

Bei einer längeren psychischen Belastung durch ein schwerwiegendes Erlebnis entstehen Stress, Hilflosigkeit und Angst. Mehrere Frauen gaben an, dass sie nach ihrer Geburt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gelitten haben. Der emotionale Stress ist nicht nur auf körperliche Schädigungen zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Erinnerung an traumatische Erfahrungen wie die Reanimation des Neugeborenen oder auch den Tod des Kindes. Auch die Begleitpersonen können traumatisiert werden, etwa wenn bei der Partnerin eine lebensbedrohliche peripartale oder postpartale Blutung auftritt und die Geburt durch einen Not­kaiserschnitt beendet werden muss.

Viele Frauen berichten von Selbstzweifeln, die im Zusammenhang mit einer Geburt stehen, die ihren Vorstellungen zuwiderlief. Zudem machen die Frauen sich Vorwürfe, weil sie die Geburtseinleitung nicht vermeiden konnten. Ein Muster, das sich durch die Äußerungen der befragten Frauen zieht, ist das Gefühl, dass sie nicht selbst entscheiden konnten, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten. Viele Frauen berichteten, dass ihnen umfassende Informationen über Behandlungsmöglichkeiten, Risiken und Nebenwirkungen einer medikamentösen Geburtseinleitung vorenthalten wurden (siehe Abbildung 1).

Die Aussagen der Frauen zeigen deutlich, zu wie viel Verunsicherung das Geburtserlebnis führen kann. Viele Frauen berichteten, dass ein enger Kontakt zur Hebamme und sensible Gespräche geholfen haben, das Erlebte zu verarbeiten. Unterstützung durch das Klinik-Team und eine stabile Geburtsbegleitung würden helfen, den Frauen ein Gefühl der Selbstbestimmtheit zu vermitteln.

Missachtung der Leitlinien

Die Befragung zeigt, dass eine Aufklärung über die Nebenwirkungen der medikamentösen Geburtseinleitung verbunden mit einem Beratungsgespräch nicht gemäß der Leitlinienempfehlung durchgeführt wurde. Trotz der gesetzlich verankerten Aufklärungspflicht wurden die Frauen in ihrem Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung nicht unterstützt, da ihnen die dafür notwendigen Informationen über die Risiken der medikamentösen Geburtseinleitung vorenthalten und mögliche Alternativen nicht besprochen wurden. Auch eine ausreichende Bedenkzeit wurde den Frauen nicht gewährt (siehe Abbildung 2).

Die Einwilligung in den medizinischen Eingriff wurde teilweise unter Anwendung psychischer und physischer Gewalt erlangt. Beispielhaft unterstreicht dies der Bericht einer Frau: »Ich fühlte mich nicht aufgeklärt, sondern unter Druck gesetzt. Mir wurde nichts erklärt, sondern Angst gemacht und gesagt: ›Das dauert sonst noch länger und Sie wollen doch bald Ihr Baby im Arm halten‹« (FB 61).

In einem Fall erfolgte die Aufklärung im Krankenhausflur, was darauf hinweist, dass es keine professionelle und umfassende Beratung gab: »Mir wurde keine Bedenkzeit gegeben, keine Alternative angeboten und die Risiken des Einsatzes von Cytotec nicht erwähnt. Die Aufklärung fand im Krankenhausflur statt« (FB 7).

Die folgende Aussage macht deutlich, dass überhaupt nicht aufgeklärt wurde: »Man hat mir noch nicht einmal gesagt, dass ich Cytotec bekomme« (FB 51).

Die Berichte sind Zeugnisse von erlebter Gewalt und in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Faktoren dazu führen, dass Frauen, insbesondere Schwangeren und Wöchnerinnen, bis heute in unserer Gesellschaft das Recht auf Selbstbestimmung und die Fähigkeit, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, abgesprochen werden. Eine medikamentöse Geburtseinleitung ist mit einem erhöhten Risiko für perinatale Komplikationen verbunden, die zu einer operativen Geburtsbeendigung führen kann. Dieser unerwartete medizinische Eingriff ist oftmals mit körperlichen Verletzungen oder Schmerzen verbunden, die die Genesung beeinträchtigen können.

Bias der Studie

Die der Dokumentenanalyse zugrunde liegenden Daten beziehen sich auf Frauen, die ihre Erfahrungen mit dem angewandten Medikament mittels des Fragebogens teilten. Hier ist eine Selektion anzunehmen, da insbesondere Frauen mit negativen Erlebnissen an der Fragebogenaktion teilnahmen. Die Daten unterliegen daher einem starken Selektionsbias und können nicht als repräsentativ angesehen werden. Dennoch sind die Aussagen alarmierend und bedürfen weiterer Forschung.

Manche Antworten auf die Fragen lassen einen hohen Interpretationsspielraum zu. Das liegt daran, dass der Fragebogen nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie entwickelt wurde. Bestimmte Ein- und Ausschlusskriterien wie zum Beispiel fehlerhaftes Ausfüllen, Mehrfachnennungen und unvollständige Beantwortung der Fragen wurden im Vorfeld nicht definiert.

Der Sache auf den Grund gehen!

Dennoch hat die Studie offenbart, dass zahlreiche Frauen unzureichend informiert waren und ihnen trotz Leitlinienempfehlungen das Recht auf eine eigenverantwortliche Entscheidung verwehrt wurde. Zudem sind verbreitete Praktiken identifiziert worden, die darauf abzielen, Schwangere zur Zustimmung zu Interventionen wie einer Geburtseinleitung zu drängen, die als gewaltsame Handlungen eingestuft werden können. Diese Vorgehensweisen haben langfristige Auswirkungen auf das psychische und physische Wohlbefinden der Frauen, der Väter und nicht zuletzt auf die Gesamtsituation der Familien.

Hier ausschließlich mit strukturellen klinischen Problemen zu argumentieren, wäre zu oberflächlich, denn die Aufklärung über einen Kaiserschnitt oder eine PDA erfolgt durchaus ausführlich und im Vorfeld von Geburten. Woran liegt es also, dass bei einer medikamentösen Geburtseinleitung ein Medikament mit bekannten geburtshilflichen Risiken und den daraus resultierenden gesundheitlichen Langzeitfolgen für Mutter und Kind nur unzureichend aufgeklärt und meist ohne ausreichende Bedenkzeit verabreicht wird?

Zukünftige Forschung könnte sich darauf konzentrieren, die Gründe für die Zurückhaltung wichtiger Informationen gegenüber Frauen durch Gynäkolog:innen und Hebammen zu untersuchen. Ziel wäre, bessere Strategien zu entwickeln, die es Frauen ermöglichen, informierte Entscheidungen für sich und ihre Kinder zu treffen. Zudem wäre zu untersuchen, welche mittel- und langfristigen Auswirkungen die Intervention auf die Lebensqualität der Frauen hat.

Zitiervorlage
Corsten, A. & Höppner, H. (2024). Praktiken der Geburtseinleitung laut »Cytotec-Gruppe«: Aufklärung vernachlässigt. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (6), 56–61.
Literatur
Cytotec-Gruppe: Fragebogen zur Geburtseinleitung: https://www.cytotec-stories.de/Umfrage

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Kehl, S., Hösli, I., Pecks, U., Reif, P., Schild, R. L., Schmidt, M., Schmitz, D., Schwarz, C., Surbek, D., & Abou-Dakn, M. (2021). Induction of Labour. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k, AWMF Registry No. 015–088, December 2020). Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 81(8), 870–895. https://doi.org/10.1055/a-1519–7713

Hildingsson, I., Karlström, A., & Nystedt, A. (2011). Women’s experiences of induction of labour – Findings from a Swedish regional study: Women’s experience of labour induction. Australian and New Zealand Journal of Obstetrics and Gynaecology, 51(2), 151–157.

Institut für das Entgeldsystem im Krankenhaus. (o. D.). Das Institut, InEK GmbH. https://www.g-drg.de/das-institut

IQTIG – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. (2023). Perinatalmedizin: Geburtshilfe. Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2022. (2023, 20. Juli, S.75).

Maul, H. (2023). Abrechnung in der Geburtshilfe mit dem DRG-System: Mythen und Fakten. Deutsche Hebammenzeitschrift, 75(1), S. 14–21.

Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Anwendung von Cytotec® (Misoprostol) in der Geburtshilfe. (2020b). Arzneiverordnung in der Praxis, 47(1–2), 93. www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020–1–2/093.pdf

Wacker, J., Kamin, G., Nitzsche, K., & Distler, W. (2011). Peripartaler Notfall nach Geburtseinleitung. Der Gynäkologe, 44(3), 227–229. https://doi.org/10.1007/s00129-010-2742-y

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