Belastungen nach Geburtseinleitungen
Den Berichten der Frauen zufolge sind die Auswirkungen der Geburtseinleitung auf das Wohlbefinden der Mutter vielfältig und mit teils erheblichen Folgen auf psychischer und körperlicher Ebene verbunden. Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass Gebärende und Schwangere nicht gemäß den Empfehlungen der Leitlinien aufgeklärt werden. Es gibt Anzeichen für Defizite in Bezug auf die den Gebärenden zur Verfügung stehenden Informationen und die Selbstbestimmung der werdenden Mütter. Die Datengrundlage gibt Hinweise darauf, dass die medikamentöse Geburtseinleitung bei den Befragten und ihren Kindern zu traumatischen Geburtserlebnissen führte, die weitreichende gesundheitliche Schäden nach sich zogen.
Physische Auswirkungen können sich in Form von Verletzungen im Genitalbereich zeigen, die das Sexualleben der Frau in der Folge beeinträchtigen können. Auch eine lange Rekonvaleszenzphase ist keine Seltenheit nach einer eingeleiteten Geburt.
Manche Frauen berichten von einer Uterusruptur mit daraus resultierenden Spätfolgen wie zum Beispiel einer Endometriose und dem Verlust der Fruchtbarkeit durch eine Hysterektomie. Wird eine Geburt als traumatisch erlebt, wirkt sich dies auf die Zeit des Wochenbetts aus und kann sich in Form einer Wochenbettdepression manifestieren, die wiederum Auswirkungen auf die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin, zur Familie und zum Kind hat. Auch die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft nach der traumatischen Geburtserfahrung kann die Beziehungen stark beeinträchtigen.
Bei einer längeren psychischen Belastung durch ein schwerwiegendes Erlebnis entstehen Stress, Hilflosigkeit und Angst. Mehrere Frauen gaben an, dass sie nach ihrer Geburt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gelitten haben. Der emotionale Stress ist nicht nur auf körperliche Schädigungen zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Erinnerung an traumatische Erfahrungen wie die Reanimation des Neugeborenen oder auch den Tod des Kindes. Auch die Begleitpersonen können traumatisiert werden, etwa wenn bei der Partnerin eine lebensbedrohliche peripartale oder postpartale Blutung auftritt und die Geburt durch einen Notkaiserschnitt beendet werden muss.
Viele Frauen berichten von Selbstzweifeln, die im Zusammenhang mit einer Geburt stehen, die ihren Vorstellungen zuwiderlief. Zudem machen die Frauen sich Vorwürfe, weil sie die Geburtseinleitung nicht vermeiden konnten. Ein Muster, das sich durch die Äußerungen der befragten Frauen zieht, ist das Gefühl, dass sie nicht selbst entscheiden konnten, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten. Viele Frauen berichteten, dass ihnen umfassende Informationen über Behandlungsmöglichkeiten, Risiken und Nebenwirkungen einer medikamentösen Geburtseinleitung vorenthalten wurden (siehe Abbildung 1).
Die Aussagen der Frauen zeigen deutlich, zu wie viel Verunsicherung das Geburtserlebnis führen kann. Viele Frauen berichteten, dass ein enger Kontakt zur Hebamme und sensible Gespräche geholfen haben, das Erlebte zu verarbeiten. Unterstützung durch das Klinik-Team und eine stabile Geburtsbegleitung würden helfen, den Frauen ein Gefühl der Selbstbestimmtheit zu vermitteln.
Missachtung der Leitlinien
Die Befragung zeigt, dass eine Aufklärung über die Nebenwirkungen der medikamentösen Geburtseinleitung verbunden mit einem Beratungsgespräch nicht gemäß der Leitlinienempfehlung durchgeführt wurde. Trotz der gesetzlich verankerten Aufklärungspflicht wurden die Frauen in ihrem Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung nicht unterstützt, da ihnen die dafür notwendigen Informationen über die Risiken der medikamentösen Geburtseinleitung vorenthalten und mögliche Alternativen nicht besprochen wurden. Auch eine ausreichende Bedenkzeit wurde den Frauen nicht gewährt (siehe Abbildung 2).
Die Einwilligung in den medizinischen Eingriff wurde teilweise unter Anwendung psychischer und physischer Gewalt erlangt. Beispielhaft unterstreicht dies der Bericht einer Frau: »Ich fühlte mich nicht aufgeklärt, sondern unter Druck gesetzt. Mir wurde nichts erklärt, sondern Angst gemacht und gesagt: ›Das dauert sonst noch länger und Sie wollen doch bald Ihr Baby im Arm halten‹« (FB 61).
In einem Fall erfolgte die Aufklärung im Krankenhausflur, was darauf hinweist, dass es keine professionelle und umfassende Beratung gab: »Mir wurde keine Bedenkzeit gegeben, keine Alternative angeboten und die Risiken des Einsatzes von Cytotec nicht erwähnt. Die Aufklärung fand im Krankenhausflur statt« (FB 7).
Die folgende Aussage macht deutlich, dass überhaupt nicht aufgeklärt wurde: »Man hat mir noch nicht einmal gesagt, dass ich Cytotec bekomme« (FB 51).
Die Berichte sind Zeugnisse von erlebter Gewalt und in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Faktoren dazu führen, dass Frauen, insbesondere Schwangeren und Wöchnerinnen, bis heute in unserer Gesellschaft das Recht auf Selbstbestimmung und die Fähigkeit, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, abgesprochen werden. Eine medikamentöse Geburtseinleitung ist mit einem erhöhten Risiko für perinatale Komplikationen verbunden, die zu einer operativen Geburtsbeendigung führen kann. Dieser unerwartete medizinische Eingriff ist oftmals mit körperlichen Verletzungen oder Schmerzen verbunden, die die Genesung beeinträchtigen können.
Bias der Studie
Die der Dokumentenanalyse zugrunde liegenden Daten beziehen sich auf Frauen, die ihre Erfahrungen mit dem angewandten Medikament mittels des Fragebogens teilten. Hier ist eine Selektion anzunehmen, da insbesondere Frauen mit negativen Erlebnissen an der Fragebogenaktion teilnahmen. Die Daten unterliegen daher einem starken Selektionsbias und können nicht als repräsentativ angesehen werden. Dennoch sind die Aussagen alarmierend und bedürfen weiterer Forschung.
Manche Antworten auf die Fragen lassen einen hohen Interpretationsspielraum zu. Das liegt daran, dass der Fragebogen nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie entwickelt wurde. Bestimmte Ein- und Ausschlusskriterien wie zum Beispiel fehlerhaftes Ausfüllen, Mehrfachnennungen und unvollständige Beantwortung der Fragen wurden im Vorfeld nicht definiert.
Der Sache auf den Grund gehen!
Dennoch hat die Studie offenbart, dass zahlreiche Frauen unzureichend informiert waren und ihnen trotz Leitlinienempfehlungen das Recht auf eine eigenverantwortliche Entscheidung verwehrt wurde. Zudem sind verbreitete Praktiken identifiziert worden, die darauf abzielen, Schwangere zur Zustimmung zu Interventionen wie einer Geburtseinleitung zu drängen, die als gewaltsame Handlungen eingestuft werden können. Diese Vorgehensweisen haben langfristige Auswirkungen auf das psychische und physische Wohlbefinden der Frauen, der Väter und nicht zuletzt auf die Gesamtsituation der Familien.
Hier ausschließlich mit strukturellen klinischen Problemen zu argumentieren, wäre zu oberflächlich, denn die Aufklärung über einen Kaiserschnitt oder eine PDA erfolgt durchaus ausführlich und im Vorfeld von Geburten. Woran liegt es also, dass bei einer medikamentösen Geburtseinleitung ein Medikament mit bekannten geburtshilflichen Risiken und den daraus resultierenden gesundheitlichen Langzeitfolgen für Mutter und Kind nur unzureichend aufgeklärt und meist ohne ausreichende Bedenkzeit verabreicht wird?
Zukünftige Forschung könnte sich darauf konzentrieren, die Gründe für die Zurückhaltung wichtiger Informationen gegenüber Frauen durch Gynäkolog:innen und Hebammen zu untersuchen. Ziel wäre, bessere Strategien zu entwickeln, die es Frauen ermöglichen, informierte Entscheidungen für sich und ihre Kinder zu treffen. Zudem wäre zu untersuchen, welche mittel- und langfristigen Auswirkungen die Intervention auf die Lebensqualität der Frauen hat.