Ein inneres Bild entwickeln von dem, was sein wird – sich öffnen für das Neue, ist für viele Frauen eine gute Strategie. Foto: © imago/blickwinkel

Im ersten Teil des Artikels ging es um die Verarbeitung eventueller seelischer Wunden, wenn die Geburt geplant oder ungeplant in einen Kaiserschnitt mündete (DHZ 12/2013, Seite 40ff.). Im zweiten Teil erklärt die Autorin, wie eine natürliche Geburt nach Sectio gelingen kann. Auf der sachlichen Ebene hilft manchen Frauen ein Geburtsplan – für die innere und äußere Öffnung sind positive Bilder förderlich.

Wo Strukturen und Rahmenbedingungen in der heutigen Geburtshilfe Kaiserschnitte begünstigen, ist es die Aufgabe von Müttern sowie ihren ÄrztInnen und Hebammen, Strukturen zu schaffen, die natürliche Geburten fördern. Dazu gehört unter anderem ein Umfeld, in dem eine Schwangere nach Kaiserschnitt nicht ausschließlich als Risikogebärende, sondern vor allem als gesunde, gebärfähige Frau behandelt wird. Insbesondere benötigt eine Mutter mit einem Kaiserschnitt in der Vorgeschichte während Wehen und Geburt eine einfühlsame und aufmerksame Eins-zu-eins-Betreuung. Damit ist jedoch kein ängstliches Überwachen oder die Anlage eines Dauer-CTGs gemeint – eine intermittierende Überwachung ist in der Regel ausreichend. Vielmehr hilft es der Mutter, wenn das geburtshilfliche Team vermittelt, dass auch eine Geburt nach vorherigem Kaiserschnitt als ein sich selbst regulierendes, physiologisches Ereignis angesehen wird und sie ihrem Körper Vertrauen schenken kann.

Diesmal kann es anders sein …

Wegen der erhöhten Rupturgefahr im Zustand nach Sectio ist es darüber hinaus wichtig, sämtliche geburtshilfliche Interventionen genau zu überdenken oder besser zu vermeiden. Dazu zählt vor allem die Gabe von künstlichen Einleitungs- oder Wehenmitteln. Zeitliche Vorgaben für die Dauer der Geburt sind unnötig, allerdings sollte bei heftiger Wehentätigkeit ohne entsprechenden Geburtsfortschritt ein erneuter Kaiserschnitt in Betracht gezogen werden. Besonders bei Geburten nach einer sekundären Sectio fürchten viele Mütter eine Wiederholung der Ereignisse. Ist die betreuende Hebamme über die Umstände des vorherigen Kaiserschnittes informiert, kann sie an diesem Punkt gegensteuern. So lassen sich manche Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie sich von den vorherigen unterscheiden. Diese teilweise kleinen Zeichen vermitteln der Mutter das deutliche Signal, dass die Geburt dieses Mal einen anderen Verlauf nehmen wird.

Sehr berührend ist es zu erleben, wenn eine Mutter den Punkt überschritten hat, an dem der damalige Kaiserschnitt erfolgte. Häufig zeigen sich dann eine große Erleichterung und eine unbeschreibliche Zuversicht. Insgesamt ist es nach einem Kaiserschnitt für die betreuenden GeburtshelferInnen immer ein Balanceakt, die Mutter so zu bestärken, dass sie sich die Geburt zutraut, und andererseits den etwas erhöhten Risiken Rechnung zu tragen.

Mentale und körperliche Vorbereitung

Körpergefühl, Selbstvertrauen und Zuversicht spielen eine wichtige Rolle. Frauen, die nach Kaiserschnitt natürlich geboren haben, können bestätigen, dass die körperliche und mentale Vorbereitung auf die Geburt für sie entscheidend gewesen ist. Diese Vorbereitung zielt unter anderem darauf ab, den Geburtsschmerz als physiologisch und für die Geburt notwendig annehmen zu können sowie ein gestecktes Ziel nicht vorschnell aufzugeben. Leichter Ausdauersport, Schwimmen, regelmäßige Spaziergänge, aber auch Yoga oder das Erlernen von Techniken der Selbsthypnose können dabei helfen.

Anna: „Ich konnte mich viel mehr fallen lassen, die Wehen als ein willkommenes Geschenk annehmen, auch wenn es anstrengend und schmerzlich war…“

Wichtig ist es darüber hinaus, die Mutter dazu anzuleiten, ein Gefühl für die Signale ihres Körpers zu entwickeln. Sie kann zum Beispiel ein Schwangerschaftstagebuch führen und darin ihre Beobachtungen notieren. Teil des Tagebuches können auch folgende Themen sein: Wann habe gemerkt, dass ich schwanger bin? Wie habe ich das bemerkt? Wie verändert sich mein Körper? Was mochte ich früher, was mag ich nun nicht? Was schmeckt mir jetzt? Seit wann spüre ich mein Baby? Wie spüre ich es?
Ziel ist, dass die Mutter unabhängig von Arztbesuchen und Untersuchungsbefunden ein Gefühl für ihren Körper bekommt. Sie benötigt dazu positive Rückmeldungen und Ermutigung. Im Gespräch mit der Hebamme kann sie dann Fragen stellen, ihre Beobachtungen besprechen und einordnen.

Kann eine Frau die Signale ihres Körpers interpretieren und hat sie ein gutes Körpergefühl, so wird sie auch während der Geburt selbstbewusster mit den Herausforderungen umgehen können.

Carla: „Ich hatte mich intensiv vorbereitet, durch Lektüre, Körperwahrnehmungsübungen, dem Erlernen, meine eigene Instinkte und Gefühle bewusster wahrzunehmen, meine Ausein­andersetzung mit meinem Kaiserschnitt und mir selbst… .“

Weitere Themen, die für eine mentale Vorbereitung auf die Geburt nach Kaiserschnitt bedeutsam sein können, sind:
Glaubenssätze in der Familie, wie beispielsweise „Unsere Kinder waren alle Dickschädel, deshalb hatte schon die Oma Kaiserschnitte und die Mutter und ich auch“, kann man teilweise auflösen durch positive Sätze wie: „Mein Körper ist dazu geschaffen, Kinder zu gebären!“

  • Familiäre Gebärerfahrungen: Wie haben Großmütter, Mutter und/oder Schwester geboren? Wurden Geburten als schmerzhaft und verdrängenswert betrachtet, als etwas, über das man nicht spricht? Oder wurden Geburten als freudvolles und schönes Ereignis erlebt? Traumatische Geburtserlebnisse und positive Bilder: Sollten eher negative Geburtseinstellungen, vielleicht auf Grund traumatischer Geburtserlebnisse von Familienmitgliedern, überwiegen, so kann es hilfreich sein, dem positive Bilder von Geburten oder positive Erfahrungsberichte entgegenzusetzen. Auch Hypnose und Visualisierungsmethoden wie das Hypnobirthing können gute Dienste leisten.
  • Geburtsschmerz erfahren: Wie ist der Umgang mit Schmerzen in der Familie? Welche Einstellung habe ich zum Geburtsschmerz? Ist dies für mich ein Schmerz, den ich als unnötig ansehe, eventuell so wie starke Zahnschmerzen, oder kann ich diesen Schmerz als physiologisch annehmen? Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang für die Mutter interessant, einmal andere Frauen, die geboren haben, danach zu fragen, wie sie mit den Geburtsschmerzen zurechtgekommen sind und welche Strategien sie nutzten.
  • Der Partner und die Geburt: Hatte der Partner vor oder während der Geburt Angst? Angst oder Unsicherheit beim Partner kann sich auf die Geburt auswirken. Es lohnt sich deshalb, den Partner danach zu fragen.
Vorbereitung auf eine Geburt nach Kaiserschnitt
Für Mütter ist die Wahl des Geburtsortes für die Vorbereitung auf eine Geburt nach Kaiserschnitt von zentraler Bedeutung. Folgende Fragen können ihnen helfen, sich darüber klar zu werden, wo sie ihr Kind bekommen möchten:

  1. Hat der Arzt/die Klinik/die Hebamme Erfahrungen mit der Begleitung von Geburten nach Kaiserschnitt?
  2. Wie hoch ist die Rate von natürlichen Geburten nach Kaiserschnitt?
  3. Unterstützt der Arzt/die Klinik auch Frauen nach zwei oder mehr Kaiserschnitten?
  4. Wie genau sieht das Vorgehen während einer Geburt nach Kaiserschnitt aus?
  5. Unter welchen Umständen würde wieder ein Kaiserschnitt erfolgen?
  6. Besteht, falls ein Kaiserschnitt notwendig werden sollte, die Möglichkeit des Bondings direkt im OP?
  7. Wie sieht das Vorgehen des Arztes/der Klinik/der Hebamme nach Verstreichen des errechneten Geburtstermins, nach 7, 10 oder 14 Tagen aus?
  8. Welche Möglichkeiten zur (vorgeschriebenen) Überwachung werden angewendet (Stichwort: Dauer-CTG)?
  9. Wird routinemäßig in die Geburt eingegriffen, zum Beispiel mit Einleitungsmedikamenten oder einem Wehentropf?
  10. Wie hoch ist die Rate der durchgeführten Dammschnitte, Zangen- und Saugglockenentbindungen?
  11. Welche Methoden der Schmerzbekämpfung werden in der Klinik angeboten?
  12. Welche ÄrztInnen sind stets vor Ort, wer muss bei Bedarf von außerhalb hinzugezogen werden?
  13. Welche Hebammen sind stets vor Ort und in welchem Belegungsschlüssel werden die Gebärenden betreut?
  14. Besteht die Möglichkeit, sich von einer Beleghebamme begleiten zu lassen?

(Taschner 2012)

Angst vor Kontrollverlust

Manche Kaiserschnittmütter haben besonders nach traumatischen Erfahrungen Angst vor der nächsten Geburt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der vorherige Kaiserschnitt wegen eines Geburtsstillstandes oder gar wegen einer Notsituation erfolgte. Hinzu kommt bei vielen Müttern im Zustand nach Sectio die Sorge vor einer Uterusruptur oder die Angst vor Kontrollverlust.

Es ist sehr wichtig, Mütter auf derartige Ängste anzusprechen und diese ernst zu nehmen. Nur dann erhält die Mutter die Chance, sich ihren Ängsten zu stellen. In der Folge können gemeinsam Strategien entwickelt werden, um die Mutter, die sich vielleicht bei der letzten Geburt als fremdbestimmt und passiv erlebte, in eine aktiv handelnde Position zu bringen. Das bedeutet, angstmachende Szenarien werden Punkt für Punkt mit der Mutter besprochen und gemeinsam wird überlegt, was in einer bestimmten Situation getan werden kann. Dabei kann ein Geburtsplan wertvolle Dienste leisten und der Mutter eine gewisse Sicherheit bieten. Zum Beispiel kann mit einer sehr ängstlichen Mutter verabredet werden, dass sie zunächst einmal eine natürliche Geburt anstrebt, sich jedoch jederzeit einen weiteren Kaiserschnitt wünschen darf.

Nun mögen einige Kolleginnen einwenden, dass sich die Mutter dann möglicherweise auf ein bestimmtes Vorgehen versteift und während der Geburt zu unflexibel ist. In der Mehrzahl der Fälle hilft ein Geburtsplan allerdings der Mutter, ihre Vorstellungen und Wünsche während der Geburt besser umsetzen zu können. Der Satz: Nur wenn du weißt, was du willst, kannst du auch tun, was du willst, gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung.

Fallbeispiel: Das „enge Becken“ überwunden

Andrea (39 Jahre) ist Mutter von drei Kindern. Die Geburt des ersten Kindes erfolgte durch eine sekundäre Sectio wegen eines Geburtsstillstandes in der Eröffnungsperiode. Andrea wurde kurz vor der Sectio mitgeteilt, dass ihr Becken zu eng für eine natürliche Geburt sei. Außerdem empfahl man ihr, das Becken röntgen zu lassen, um diese Diagnose zu bestätigen. Wie erwartet, stellte der Radiologe ein querverengtes Becken fest. Andrea wurde darüber informiert, dass sie leider keine Kinder auf natürlichem Weg gebären könne. Aus diesem Grund plante sie in Absprache mit ihrer Frauenärztin und Hebamme beim zweiten Kind von vornherein einen Kaiserschnitt nach Wehenbeginn. Diesen erlebte sie als sehr schön und harmonisch.
Vor einiger Zeit erwartete Andrea ihr drittes Kind. Sie und ihr Mann waren sich nach den guten Erfahrungen des zweiten Kaiserschnittes sicher, auch beim dritten Kind wieder diesen Weg zu wählen. Durch Zufall entdeckte Andrea mein Buch „Meine Wunschgeburt“. Sie begann sich genauer mit dem Verlauf der ersten Geburt zu beschäftigen und kontaktierte mich. Sie berichtete, dass sie zu dem Schluss gekommen sei, der Geburtsstillstand beim ersten Kind könnte aus ihrer Sicht auch andere Gründe als ein enges Becken gehabt haben. Da sei sie sich inzwischen ziemlich sicher.
Zu diesem Zeitpunkt begann sie über eine natürliche Geburt nachzudenken. Sie fragte mich nach meinen eigenen Erfahrungen und war dabei selbst für alle möglichen Wege offen. Ihr Plan war es, sich bestmöglich vorzubereiten und danach alles auf sich zukommen zu lassen. Bei ihrer Vorgeschichte war klar, dass sie ein gutes und erfahrenes Team um sich herum benötigen würde, welches sie einerseits bestärken könnte, andererseits aber auch mit möglichen Komplikationen umzugehen wüsste. Die Schwangerschaftsbegleitung übernahm eine erfahrene und empathische Frauenärztin, denn ihre bisherige Gynäkologin wollte sie auf diesem Weg nicht unterstützen. Später nahm sie den Kontakt zu einer Hebamme auf, die bereits Frauen nach zwei Kaiserschnitten begleitet hatte und eng mit einer Klinik kooperierte, die sehr gute Erfolge bei Geburten nach Kaiserschnitt aufwies. Im weiteren Verlauf wurde Andrea unsicher, da sie ja schließlich die Diagnose „enges Becken“ im Hinterkopf hatte. Nach längeren Überlegungen entschloss sie sich zu einer MRT-Untersuchung, die glücklicherweise ergab, dass die relevanten Parameter durchaus mit einer natürlichen Geburt vereinbar sein würden.
Die Schwangerschaft verlief ansonsten recht unauffällig. Ihr Mann unterstützte sie und stand voll hinter dem Wunsch seiner Frau. Bei ET+12 setzten natürliche Wehen ein. Sechs Stunden später erblickte ihr drittes Kind in der Geburtsklinik komplikationslos das Licht der Welt. Andrea schrieb später „Alles hat wunderbar geklappt. Frage mich, warum ich zwei Kaiserschnitte hatte!“

Ein inneres Bild entwickeln

Erfolg beginnt im Kopf! Dabei können uns innere Bilder von der Geburt helfen. Eine Möglichkeit sind positive Selbstsuggestionen, so genannte Affirmationen.

Einige Beispiele: „Ich freue mich auf mein Baby.“, „Ich werde mich öffnen wie eine Blüte.“, „Ich bin stark und freue mich auf die Geburt.“, „Ich heiße die Kräfte der Geburt willkommen.“

Dabei stellt sich die Mutter das Gesagte bildlich vor. Sie kann dazu natürlich auch ein schönes Foto oder ein Bild zur Hilfe nehmen. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich während der Schwangerschaft Filme anzusehen, in denen positive Geburtserfahrungen gezeigt werden. Diese Bilder prägen sich dann im Unterbewusstsein ein. Auch Gespräche mit Frauen, die nach einem Kaiserschnitt vaginal geboren haben, sind hilfreich und können Ermutigung für die bevorstehende Geburt bieten. Auf alle anderen Informationsquellen, wie Internet, Fernsehen und die unguten Geschichten aus dem Bekanntenkreis, kann besser verzichtet werden. Die Mutter kann darüber hinaus angeleitet werden, sich die Geburt selbst bildlich und Schritt für Schritt auszumalen. Wie wird es sein, wenn die Wehen beginnen? Wie werde ich die erste Phase der Geburt erleben? Bis hin zur Geburt des Babys.

Anna: „Es war für mich total hilfreich, mir vorzustellen, wie mein Baby da durch die verschiedenen Bereiche wandert und das bildlich vor mir zu sehen.“

Dies kann auch auf einer abstrakten Ebene geschehen. Der Weg zum Kind kann beispielsweise als ein schöner Spaziergang auf einer sonnigen Allee visualisiert werden. Falls die Sorge eines wiederholten Kaiserschnittes bestünde, könnte dieser dann als ein kleines Türchen in einem alten Mäuerchen entstehen. Die Mutter kann diese Tür zum Beispiel mit bunten Blumenranken oder Efeu zuwuchern lassen, so dass diese Tür kaum mehr zu sehen und nur noch im Notfall zu öffnen wäre. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Zitiervorlage
Taschner U: Geburt nach Kaiserschnitt, Teil 2: “Ich werde mich öffnen wie eine Blüte.”. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2014. 66 (2): 56–58
Literatur
Faktencheck Gesundheit: Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung. Erstellt im Auftrag der Bertelsmann Stiftung (2012)

OptiBIRTH Studie, www.optibirth.eu/optibirth/en/homepage.page

Tahseen, S.; Griffiths, M.: Vaginal birth after two caesarean sections (VBAC-2). A systematic review with meta-analysis of success rate and adverse outcomes of VBAC-2 versus VBAC-1 and repeat (third) caesarean sections. BJOG. 117(1), 5–19 (2010)

Taschner, U.; Scheck, K.: Meine Wunschgeburt-Selbstbestimmt gebären nach Kaiserschnitt. edition riedenburg (2012)

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