Ausgangspunkte zur Bewertung eines CTG sind die geburtshilf­lichen Rahmenbedingungen, etwa Befinden der Mutter, erwartete Kindsgröße, Wehentätigkeit und Geburtsfortschritt.
Foto: @ sushytska/stock.adobe.com

Ob es bei der Geburt sinnvoll ist, die Herzfrequenz des Kindes kontinuierlich per Cardiotokografie aufzuzeichnen, lässt sich evidenzbasiert schwer belegen. Dennoch spricht einiges dafür. Denn das CTG kann Auswirkungen fetaler Zustände auf die Herzfrequenzsteuerung erkennbar machen, die sonst unbemerkt blieben.

Die Herzfrequenz des Fetus kontinuierlich im Cardiogramm aufzuzeichnen, schien seit den 1970ern dazu geeignet, Abweichungen von als normal erachteten Mustern und damit Probleme des Fetus erkennen zu können. So sollten durch rechtzeitiges adäquates Handeln schlechte geburtshilfliche Resultate verhindert werden.

Zu diesen unerwünschten Resultaten gehört die Hypoxisch-Ischämische Enzephalopathie (HIE). Der präventive Charakter der Herzfrequenzanalyse schien selbstevident zu sein, insbesondere wenn schnelle Geburten nach unerwünschten CTG-Befunden zu normalem Outcome geführt hatten. Ein schlechtes Ergebnis war doch verhindert worden. Das CTG war demnach sinnvoll eingesetzt worden, so der oft zu schnelle und nicht ausreichend durchdachte Rückschluss.

Limitierte Studienergebnisse

Als die ersten Versuche unternommen wurden, systematisch den tatsächlichen präventiven Effekt von CTG-Einsätzen nachzuweisen, gelang dies nicht. Die Ergebnisse von Studien- und Kontrollgruppe zeigten keine handfesten belastbaren Unterschiede. Das war eigentlich bei genauer Betrachtung auch kaum zu erwarten, da es sich bei der HIE um ein seltenes Ereignis mit einer Häufigkeit im Promille-Bereich handelt. Außerdem waren Handlungskonzepte auf Basis von CTG-Befunden nicht Inhalt der Studien. Ergebnisse auf Basis CTG-abhängiger Behandlungskonzepte mit »Wenn-dann-Regeln« konnten deshalb nicht miteinander verglichen werden. So waren gewöhnlich keine Kausalbezüge, sondern lediglich Assoziationen feststellbar.

Um statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen, wären Studien mit über 30.000 prospektiv eingeschlossenen Teilnehmerinnen notwendig (Doumouchtsis & Arulkumaran, 2009). Eine solche Studie ist noch nicht durchgeführt worden. Deshalb kann mangels Ergebnissen behauptet werden, ein signifikant positiver Effekt der Geburtsüberwachung mittels kontinuierlichem CTG sei nicht nachgewiesen beziehungsweise die Überwachung mit CTG sei einer diskontinuierlichen akustischen Überwachung zum Beispiel mittels Pinard-Rohr nicht überlegen.

Aber ein nicht nachgewiesener Effekt ist nicht gleichbedeutend mit Effektlosigkeit. Tatsächlich existiert Wissen über Zusammenhänge zwischen pathophysiologischen Umständen und zugehörigen CTG-Befunden genauso wie zu klinischen Outcomes, zum Beispiel von Fällen, bei denen mangels CTG nicht eingegriffen wurde.

Das zeigt ein beispielhafter Fall aus dem Alltag: Eine Erstgebärende im Terminzeitraum meldet sich wegen subjektiv fehlender Kindsbewegungen bei ihrer Hebamme, die im selben Haus wohnt. Wehen sind nicht vorhanden. Die Hebamme hört mit ihrem Pinard-Rohr Herztöne im Normbereich und gibt Entwarnung. Tatsächlich stirbt das Kind in den Folgestunden. Die instantane Herzfrequenz beinhaltet unzureichende Informationen zum Befinden des Ungeborenen, zum Beispiel bei eingeschränkter respiratorischer Plazentafunktion mit konsekutiver Einschränkung der Kindsbewegungen. So reicht es eben bei Fällen mit Fragen nach dem aktuellen Befinden des Ungeborenen auch nicht, im Dienst einmal schnell lediglich die Herzfrequenz mittels Dopton oder Pinard-Rohr zu bestimmen.

Bei den vorliegenden Studien handelt es sich nicht um prospektiv erhobene Vergleichsdaten mit Kontrollgruppe und differenzierenden Handlungskonzepten auf Basis von CTG-Befunden, in Form von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) – seien die Daten nun klinisch oder mit Herzfrequenz erhoben.

Um mit dem Effektivitätsnachweis trotzdem weiterzukommen, sollte insbesondere geklärt sein, welche Bilder des CTG welchen Befunden beim Fetus zugeordnet werden können und welche klinischen Konsequenzen abgeleitet werden können – aufgrund von Erfahrungen, auf Basis allgemeiner Physiologie von Erwachsenen, aber auch von Tierexperimenten.

Die CTG-Interpretation

Zunächst sei jedoch auf die anfänglich motivierenden Interpretationen von CTG seit ihrer Einführung eingegangen: Grundsätzlich vermittelt ein CTG all diejenigen Zustände, die sich auf die Herzfrequenz des Fetus und deren Steuerung auswirken. Das sind neben körperlicher Aktivität wie Kindsbewegungen oder Schlaf vornehmlich Umstände, die die Aktionen des Kindes betreffen, etwa die Reaktion auf eine verminderte Blutzufuhr oder -abfuhr durch die Nabelschnur oder auf eine verminderte Sauerstoffzufuhr, auf die das Kind in gewisser Weise reagiert oder durch die seine Reaktionen eingeschränkt werden.

Keine schlüssigen Konzepte für Auswirkungen auf das CTG existieren nach unserer Kenntnis für einige andere Situationen, wie eine »Transfusion« saurer Stoffwechselprodukte (»Transfusionsazidose«) bei einer Gasaustauschstörung der Mutter, zum Beispiel bei eingeschränkter Lungenfunktion oder beim Übertritt toxischer Substanzen von der Mutter zum Fetus, auf die keine spezifischen Reaktionen bekannt sind. Ebenso hinterlässt eine diabetisch bedingte metabolische Azidose der Mutter mit einer konsekutiven, schweren metabolischen Transfusionsazidose des Fetus kaum spezifische Spuren im CTG. Trotz derart mangelnder Repräsentanz im CTG können diese azidotischen Zustände allerdings sehr wohl negative Auswirkungen auf das Befinden des Fetus haben.

Selbstevidenz des CTG

Seit Beginn der CTG-Analysen wird versucht, die aufgezeichneten Cardiogramm-Bilder im Hinblick auf ihre klinische Bedeutung zwischen Physiologie und Pathologie zu verstehen. Ein Cardiogramm entspricht ja im übertragenen Sinn den Schatten aus Platons Höhlengleichnis. Darin erzählt der antike Philosoph von Gefangenen in einer Höhle, die von der oberirdischen Welt nur Schatten sehen können und diese für die ganze Wirklichkeit halten. Das heißt: Die Muster des Cardiogramms sind als indirekte, abhängige Befunde interpretationsbedürftig.

Unabhängig von unterschiedlichen Assoziationen zu vorgestellten Zusammenhängen, die nach über 50 Jahren immer noch zu Diskussionen führen, haben sich einige Befunde von Anfang an als klinisch bedeutsam herauskristallisiert. Unter der Geburt standen sie sozusagen neben den Befunden der Mikroblutuntersuchung, welche der Gynäkologe und Geburtshelfer Erich Saling 1961 in Berlin eingeführt hatte.

Edward Hons, Roberto Caldeyro-Barcias sowie Konrad Hammachers Arbeitsgruppen kamen zum Teil unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen bei der Zumessung der Bedeutung von CTG-Befunden – allerdings mit unterschiedlichen Nomenklaturen (Hon, 1959; Caldeyro-Barcia et al., 1981; Hammacher, 1965). Das bedeutet, dass ihnen allen unabhängig voneinander quasi parallel bestimmte Zusammenhänge aufgefallen waren zwischen Klinik und CTG-Bild, zwischen Versorgungsstörungen des Fetus und Herzfrequenzverläufen. Dazu gehörten als pathologisch identifizierte Dezelerationen, die einmal als Dip II, als U-shape Dip und ein andermal als späte Dezelerationen bezeichnet wurden. Beispielhaft sei hier das ausgeklügelte Bewertungsschema von Hammacher aufgeführt, das sich feinsinnig an klinischen Befunden orientiert (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Der Hammacher-Score zeigt ein komplexes Schema. Heute ist der Aspekt der Oszillationen auf ein nicht nachvollziehbares Minimum reduziert worden (1a). Hammacher kennt 12 verschiedene Oszillationstypen. Der aktuelle FIGO-Score kennt drei Halbe, weil die Oszillationsfrequenz keinen Stellenwert mehr hat. In dem Punkteschema ist zu erkennen, dass bestimmte Phänomene bei Hammacher im Verhältnis zur Zeit/Häufigkeit, in der sie auftreten, bewertet werden. Das heißt, Anstieg und Abfall der Basalfrequenz wird desto gravierender bewertet, je länger sie anhalten.

Quelle: Fischer, 1981

Grundlage von Interpretationen waren unter anderem auch Erfahrungen aus Tierexperimenten etwa von Joseph Barcroft, die Jahre zuvor ein Modell vorgestellt hatten zur Nabelschnur-Kompressions-bedingten Dezeleration und deren Beeinflussung durch das vegetative Nervensystem (siehe Abbildung 2). Diese Ergebnisse werden auf Basis heutiger Erkenntnisse zum Teil neu interpretiert, was nicht gleichbedeutend mit einer Änderung der klinischen Relevanz sein muss (siehe auch Seite 48ff.).

Diverse Versuche zur Steigerung der Detektion kritischer Situationen für den Fetus wurden insbesondere sub partu unternommen. Dazu gehört auch die systematische EKG-Analyse »STAN« der Firma Neoventa (> https://www.neoventa.com/products/stan-s41/). Sie beruht auf der Vorstellung, dass sich Folgen einer schließlich metabolischen Azidose am EKG und hier insbesondere an der ST-Strecke zeigen. Voraussetzung sind funktionierende Elektrolyt-Pumpen, insbesondere für Kaliumionen (K+). Veränderungen des Säuren-Basen-Gleichgewichts haben intrazelluläre Imbalancen des Kaliumhaushalts zur Folge, die zum Beispiel im EKG sichtbar sind – allerdings nur solange die Ionen-Pumpfunktionen der Zellen erhalten sind. Bei ausgeprägter Störung versagen nicht nur die Pumpen, sondern auch die Zeichen der Azidose sind im EKG nicht mehr repräsentiert. Voraussetzung für sogennante Stan-Events ist eine schon vorhandene Störung, allerdings nur solange sie nicht erheblich ist. Das passt wenig zu präventiven Ansätzen aktueller Geburtshilfe. Entsprechend hat die ursprüngliche Begeisterung über Stan seit den 1980er Jahren einer kritischen Bewertung Platz gemacht (Kuah et al., 2023).

Abbildung 2: Schematische Darstellung einer Dezeleration durch (experimentelle vollständige) Nabelschnurkompression: Eine am Punkt (1) auftretende UV-Kompression führt mit leichter Verzögerung zu einer progressiven fetalen Hypoxämie und einem durch Chemoreflex vermittelten Abfall der FHR (nach Sholapurkar, 2019). Es kann vor und nach der Dezeleration zu leichten Akzelerationen kommen, die einfach eine längere, aber geringere sympathische Reaktion widerspiegeln (z.B. »initiale Akzeleration«). Unmittelbar nach dem Höhepunkt der Kontraktion (Punkt 3) verlangsamt sich der Abfall der FHR, setzt sich jedoch fort, bis die UV-Kompression am Punkt (5) aufgehoben wird, wo die Wiederherstellung der FHR beginnt. Die Wiederherstellung wird erst spät nach der Kontraktion abgeschlossen sein (Spätdezelerations-Anteil). Eine Nabelschnurkompression – wie sie in der Praxis bei einem Nabelschnurprolaps zu beobachten ist – neigt dazu, tiefe späte Dezelerationen der FHR zu verursachen. Legende: FHR – Fetale Herzfrequenz, UV – Nabelvene, UA – Nabelarterie, BP – Blutdruck

Quelle: Sholapurkar, 2019

Holzschnittartig zusammengefasst kann gesagt werden: Die instantane Herzfrequenz war der Ausgangspunkt jeglicher Zusammenhänge zwischen Herzfrequenz und fetalem Befinden. Sie genügte aber nicht, um Fragen zum Befinden des Ungeborenen zu klären. Neben einer Ausgangsfrequenz waren auch Veränderungen insbesondere sub partu im Zusammenhang mit Wehen feststellbar. Vereinfacht und objektivierbar wurden die Beobachtungen durch Doppler-Geräte wie das Dopton®, 1958 von Edward H. Hon entwickelt. Die Geräusche des Dopplergeräts zur Feststellung der Herzfrequenz wurden als »Herztöne« interpretiert. Wirklich interessant wurde die fetale Herzfrequenz durch die kontinuierliche Analyse ihres zeitlichen Verlaufs auf Basis von Cardiogrammen, die Assoziationen zu physiologischen und pathophysiologischen Zuständen erkennbar machen.

Zu den Beurteilungskriterien gehörten von Beginn an:

  • Die basale Herzfrequenz
  • Formen der kurzfristigen Herzfrequenzvariabilität (Oszillationsfrequenz). Die Beat-to-beat-Variabilität ist den Ausdrucken der meisten aktuellen CTG-Geräte allerdings nicht mehr entnehmbar, da sie die Signale zur Stabilität der Resultate verarbeiten und dafür die Beat-to-beat-Variabilität »opfern«
  • Formen des Herzfrequenzspielraums um die Floatingline (Oszillations-Bandbreite)
  • Formen der kurzfristigen Herzfrequenzbeschleunigung und -verlangsamung (Floatingline mit Akzelerationen und Dezelerationen)
  • Insbesondere bei den Herzfrequenzverlangsamungen spielen Dauer und Tiefe (Dezelerationsfläche) eine Rolle
  • Formen der längerfristigen Herzfrequenzvariationen (Tachycardie und Bradycardie).

Später traten Kombinationen beziehungsweise konsekutive Folgen verschiedener Phänomene auf. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Sinusoidaler Verlauf der Floatingline als Begleitphänomen bei fetaler Anämie
  • Cycling als physiologischer Befund (Chandraharan, 2018)
  • Zick-zack-Muster (Zig-Zag-Pattern) als präpathologischer Befund (Gracia-Perez-Bonfils et al., 2021).

Ausgangspunkte zur Bewertung eines CTG sind die geburtshilflichen Rahmenbedingungen wie: Bezug zum Terminzeitraum, Befinden der Mutter, Schmerzmittelgabe, erwartete Kindsgröße, subjektiv festgestellte Aktivität des Fetus, Wehentätigkeit, Geburtsfortschritt, Fruchtwasserfarbe oder erwarteter Geburtsverlauf.

Abbildung 3: Beispiel für physiologisches Cycling: Die zunächst eingeschränkte Band­breite wird von einer silenten Bandbreite abgelöst. Im Verlauf wird aus der silenten Bandbreite eine undulatorische. Es zeigt sich ein physiologischer Wechsel von Aktiv- und Ruhephasen des Fetus.

Ein CTG gilt dann als optimal, das heißt als Indikator eines unbeeinträchtigten Befindens des Fetus, wenn sämtliche Kriterien sich im Erwartungsbereich des Normalen befinden:

  • Normale Basisfrequenz (110–160 spm)
  • Normale Oszillationsbandbreite (10–25 spm)
  • Normales Oszillationsmuster (kein Zick-Zack-Muster, kein sinusoidaler Verlauf)
  • Normale Oszillationsfrequenz (2–6/min)
  • Normaler Verlauf der Floatingline
  • Sporadische Akzelerationen
  • Keine Dezelerationen
  • Physiologisches Cycling (siehe Kasten).

Cycling

Als »Cycling« wird eine wiederkehrende, zyklische Abfolge unterschiedlicher typischer Herzfrequenzmuster (inklusive silenter Phasen) bezeichnet, die bei ungestörten physiologischen Verhältnissen des Fetus gesehen werden können (siehe Abbildung 3). Sie werden als Zeichen seines uneingeschränkten physiologischen Befindens interpretiert (Zaima & Chandraharan, 2021). Es handelt sich um alternative Phasen von aktivem und ruhigem Schlaf. Sie sind Kennzeichen der normalen neurologischen Reaktionsfähigkeit des Fetus und indirekt des Fehlens von Hypoxie und Azidose.

Welche Probleme oder Risiken hinter davon abweichenden Befunden stecken können, sollen einige Beispiele illustrieren:

  • Periodische Akzelerationen deuten auf einen Kompensationsbedarf nach Wehen-bedingter Einschränkung der uteroplazentaren Durchblutung hin, das heißt auf eingeschränkte plazentare Reserven.
  • Fehlende Akzelerationen können auf eine ursächliche Einschränkung cerebraler Funktionen des Fetus hinweisen, wie der Aktivität des autonomen Nervensystems oder seines Sympathicus und damit der sympathogenen Akzelerationen.
  • Variable Dezelerationen finden sich zum Beispiel bei Nabelschnurkomplikationen als Hinweis auf vorübergehende Kompression und Dekompression von Nabelvene und Nabelarterien. Volumen- und Druckveränderungen im Kreislauf führen zu schnellen Reaktionen, das heißt einem steilen Ab- und Anstiegen der Herzfrequenz. Sie schließen aber auch Chemorezeptor-Herzfrequenzveränderungen nicht aus. Für Hebammen sind variable Dezelerationen ein Anlass zu Positionsveränderungen in der nicht unbegründeten Hoffnung, die vermutete kausale Kompression auf diese Weise zu vermeiden.
  • Späte Dezelerationen werden einer uteroplazentaren Minderdurchblutung mit konsekutiver Versorgungseinschränkung bei fehlender plazentarer Reserve zugeordnet. Die langsamen Reaktionen auf respiratorische Veränderungen, die der allmählich zunehmenden Problematik im Kreislauf der Chemorezeptoren zugeordnet werden, zeigen sich insbesondere bei den Spätdezelerationen. Sie können Folge einer zu hohen Wehenfrequenz sein, genauso wie einer funktionellen Insuffizienz der Plazenta.
  • Die Tiefe und Breite beziehungsweise die daraus resultierende Fläche der späten Dezeleration sind wiederkehrende Diskussionspunkte. Als eindrücklich und mit fetalen Problemen in engen Zusammenhang gebracht werden von der Fläche her wenig beeindruckende, flache und zum Teil kaum sichtbare Spätdezelerationen eines silenten CTG (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Pathologisches CTG mit flachen späten Dezelerationen: – Randständige Tachycardie – Bandbreite <5 – Oszillationsfrequenz unbestimmbar angesichts niedriger Bandbreite und Jitter – Keine Akzelerationen – Flache späte Dezelerationen

Quelle: Kühnert & Butterwegge (2006)

Spätdezelerationen mit deutlicher Frequenzveränderung und signifikanter Dezelerationsfläche gelten ebenfalls als Warnzeichen einer uteroplazentaren Insuffizienz mit Handlungsrelevanz.

Bei der Bewertung von Spätdezelerationen scheint – im Gegensatz zu anderen Dezelerationen – die Dezelerationstiefe beziehungsweise -fläche nicht allein entscheidend zu sein.

  • Zu Spätdezelerationen gesellen sich gern Einschränkungen der Oszillationsbandbreite, hier als Folge eingeschränkter Variabilität zwischen Effekten von Sympathicus einerseits und Parasympathicus andererseits.
  • Als erheblich schwerwiegender ist die Kombination mit verminderter oder fehlender Oszillationsfrequenz zu bewerten, die auf eine zerebrale Einschränkung des Zusammenspiels zwischen Sympathicus und Parasympathicus beziehungsweise deren Ausfall hinweisen kann. Diese Einengung der Mikrofluktuation ist Basis der automatischen CTG-Analyse des »Oxford-CTG« von Geoffrey Sharman Dawes und Chris Redman (Dawes et al., 1990).

Worin besteht der Benefit des CTG?

Keines der Beispiele weist eine direkte Verbindung zur Hypoxisch-Ischämischen Enzephalopathie (HIE) auf. Sie können aber im Zusammenhang mit deren Entstehung auftreten, zum Beispiel mit einer Hypoxie oder einer ausgeprägten metabolischen Azidose.

Allerdings sind sogenannte hochpathologische CTG geeignet, auf eine handlungsrelevante Situation hinzuweisen. Diese bleibt vielfach auf andere Weise nicht erkennbar. Hochpathologisch wäre etwa ein CTG mit den Kriterien:

  • Tachycardie
  • Silente Bandbreite
  • Reduzierte Oszillationsfrequenz
  • Fehlende Akzelerationen
  • Späte Dezelerationen.

Es ist das Handlungskonzept, das die CTG-Interpretation beinhaltet, welches einen Benefit für den betroffenen Fetus darstellen kann, und nicht das CTG allein. So schreiben Dawes und Redman 1993: »Es (das computergestützte System Oxford Sonicaid 8000) erkennt Aufzeichnungen mit ungewöhnlichen Merkmalen, die in extremen Fällen potenziell gefährlich sein können. In diesem Fall werden Warnungen ausgegeben.«

Nicht anders steht es mit CTG-Befunden, die deutlich von der Norm abweichen. Das bedeutet, ein Verzicht auf ein CTG stellt den Verzicht auf Informationen dar, die im Einzelfall handlungsrelevant für ein unbeeinträchtigtes Outcome des Fetus sein können.

Fazit

CTG sind Steine des diagnostischen Mosaiks von Schwangerschaft und Geburt.

Sie sind geeignet, Auswirkungen fetaler Zustände auf die Herzfrequenz erkennbar zu machen. Dies betrifft sowohl die instantane Herzfrequenz als auch Muster kontinuierlich im Cardiogramm aufgezeichneter Herzfrequenzen.

Als intervenierende Faktoren spielt der Zustand der Mutter die größte Rolle, zudem Veränderungen der transplazentaren Versorgung durch Wehentätigkeit, Einflüsse auf die Nabelschnurzirkulation und Aktivitäten des Fetus.

Ein so erwartetes, unauffälliges CTG weist auf ein ungestörtes Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren hin und dient dem Ausschluss handlungsrelevanter Umstände. Der Umkehrschluss gilt aber nicht, dass nämlich Auffälligkeiten im CTG unbedingt handlungsrelevant seien. Sie können allerdings in Handlungskonzepte eingebunden sein und auf diese Weise steuernd in geburtshilfliche Prozesse eingreifen.

» Ein nicht nach­- gewiesener Effekt ist nicht gleichbedeutend mit Effektlosigkeit. «

Eine Handlungsrelevanz ist allerdings desto wahrscheinlicher, je mehr hochpathologische Befunde einzeln, aber insbesondere in Kombination vorliegen. Dazu zählen erhebliche Einschränkungen der Herzfrequenzvariabilität wie eine silente Bandbreite und eine geringe Oszillationsfrequenz, fehlende Akzelerationen, eine Tachycardie genauso wie eine Bradycardie und nicht zuletzt Spätdezelerationen. Sie sind in der Lage, einen großen Teil des Mosaiks zu überschatten und verlangen nach weiterführenden Maßnahmen. Ein Verzicht auf das CTG mit seinen spezifischen Mustern würde einen Ausschluss dieser kritischen Befunde verhindern und damit einem bewussten Loch im diagnostischen Mosaik entsprechen. Die möglicherweise schädlichen Folgen der Problemlage, welche auf andere Weise als mit dem kontinuierlichen CTG kaum erkennbar wären, würden damit bewusst in Kauf genommen.

Zitiervorlage
Vetter, K. (2025). Aufs CTG verzichten? Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (2), 24–30.
Literatur
Barcroft, J. (1946). The development of vascular reflexes. Researches on Pre-Natal Life. Blackwell Scientific Publications. 123-144.

Caldeyro-Barcia, R., Giussi, G., Storch, E., Poseiro, J. J., Lafaurie, N., Kettenhuber, K., & Ballejo, G. (1981). The bearing-down efforts and their effects on fetal heart rate, oxygenation and acid base balance. Journal of perinatal medicine, 9 Suppl 1, 63–67. https://doi.org/10.1515/jpme.1981.9.s1.63

Chandraharan, E., Evans, E., Krueger, D., Pereira, S., Skivens, S., Zaima, A. (2018). Physiological CTG interpretation: Intrapartum Fetal Monitoring Guideline 2018. In: RCOG, ed.2018.

Dawes, G. S., Moulden, M., & Redman, C. W. (1990). Criteria for the design of fetal heart rate analysis systems. International journal of bio-medical computing, 25(4), 287–294. https://doi.org/10.1016/0020- 7101(90)90032-p

Dawes, G. S., & Redman, C. W. (1993). Computerised and visual assessment of the cardiotocograph. British journal of obstetrics and gynaecology, 100(7), 701–702. https://doi.org/10.1111/j.1471-0528. 1993.tb14248.x

Doumouchtsis, S.K., Arulkumaran, S. (2009). Einfluss der CTG-Überwachung auf das klinische Outcome. Bilanz nach 40 Jahren Debatte. Der Gynäkologe. 42(5):336-342. DOI: 10.1007/s00129-008-2286-6.

Fischer, W. (1981). Kardiotokographie – Diagnostische Methoden in der Perinatologie. 3. ed. Thieme, 293-4

Gracia-Perez-Bonfils, A., Vigneswaran, K., Cuadras, D., & Chandraharan, E. (2021). Does the saltatory pattern on cardiotocograph (CTG) trace really exist? The ZigZag pattern as an alternative definition and its correlation with perinatal outcomes. The journal of maternal-fetal & neonatal medicine : 34(21), 3537–3545. https://doi.org/10.1080/14767058.2019.1686475

Hammacher K. (1965). Fetale Herzschlagfrequenz und intrauterine Hypoxie [Fetal heart rate and intrauterine hypoxia]. Archiv für Gynäkologie, 202, 353–356. https://doi.org/10.1007/BF00672168

Hon E. H. (1959). The fetal heart rate patterns preceding death in utero. American journal of obstetrics and gynecology, 78(1), 47–56. https://doi.org/10. 1016/0002-9378(59)90639-8

Kuah, S., Simpson, B., Salter, A., Matthews, G., Louise, J., Bednarz, J., Chandraharan, E., Symonds, I., McPhee, A., Mol, B. W., Turnbull, D., & Wilkinson, C. (2023). Comparison of effect of CTG + STan with CTG alone on emergency Cesarean section rate: STan Australian Randomized controlled Trial (START). Ultrasound in obstetrics & gynecology :, 62(4), 462–470. https://doi.org/10.1002/uog.26279

Kühnert, M., Butterwegge, M. CTG-Überwachung ante- und intrapartual. (2006). Gynäkologe 39, 717–730. https://doi.org/10.1007/s00129-006-1869-3

Platon. (375 v.Chr.). Politeia, 7. Buch

Saling E. (2006). Neues Vorgehen zur Untersuchung des Kindes unter der Geburt. Einführung, Technik und Grundlagen. 1962 [New procedures for the study of the neonate during birth. Introduction, techniques and basics. 1962]. American journal of obstetrics and gynecology, 194(3), 895–896. https://doi.org/10. 1016/j.ajog.2005.04.049

Sholapurkar, S.L. (2019). Myths at the core of Intrapartum Cardiotocography Interpretation – Risks of false Ideology, Prospect theory and way forward. Clinical Obstetrics, Gynecology and Reproductive Medicine. 5(3). DOI: 10.15761/cogrm.1000253

Zaima, A., Chandraharan, E. (2021). Intrapartum Fetal Monitoring. In: Glob libr women‘s med (GLOWM) [Internet]. The Continuous Textbook of Women’s Medicine Series – Obstetrics Module. Vol. 11 Labor and delivery. DOI: 10.3843/GLOWM.415163; https://www.glowm.com

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png