Das Hebammengesetz schafft den rechtlichen Rahmen. Die Berufsordnungen der Länder und die Gebührenordnung regeln, was eine Hebamme darf und was nicht. Wo liegen die Grenzen? Worauf müssen Hebammen achten?
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Das Hebammengesetz schafft den rechtlichen Rahmen. Die Berufsordnungen der Länder und die Gebührenordnung regeln, was eine Hebamme darf und was nicht. Wo liegen die Grenzen? Worauf müssen Hebammen achten?
Immer wieder stellt sich bei Heilbehandlungen durch eine Hebamme oder durch einen Entbindungspfleger die Frage, ob es sich um Tätigkeiten handelt, die ihr oder ihm nach den gesetzlichen Regelungen erlaubt sind oder nicht. § 4 des Hebammengesetzes (HebG) bestimmt „die einer Hebamme vorbehaltenen Tätigkeiten”. Nur wer die Berufserlaubnis hat, darf sie ausführen.
Bekanntermaßen wird nach § 1 HebG für die Hebammentätigkeit eine Erlaubnis benötigt. Die Voraussetzungen zur Erteilung werden in § 2 Abs. 1 HebG geregelt. Wer ohne eine solche Erlaubnis die Berufsbezeichnung „Hebamme” führt oder Geburtshilfe leistet, handelt ordnungswidrig und muss mit der Verhängung einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro rechnen (§ 25 HebG).
In § 4 HebG ist zunächst in Abs. 1 geregelt, wer Geburtshilfe leisten darf:
„Zur Leistung von Geburtshilfe sind, abgesehen von Notfällen, außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Hebamme” oder „Entbindungspfleger” sowie Dienstleistungserbringer im Sinne des § 1 Abs. 2 berechtigt. [Hebammen und Entbindungspfleger, die Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes sind …] Die Ärztin und der Arzt sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird.”
Zur Frage, was alles unter den gesetzlichen Begriff der „Geburtshilfe” zu fassen ist, existieren verschiedene gesetzliche Regelungen.
In § 4 Abs. 2 HebG ist der Begriff der „Geburtshilfe” definiert: „Geburtshilfe im Sinne des Absatzes 1 umfasst Überwachung des Geburtsvorgangs von Beginn der Wehen an, Hilfe bei der Geburt und Überwachung des Wochenbettverlaufs.”
Auch wenn es sich hierbei nicht um eine abschließende Regelung sämtlicher für eine Hebamme zulässiger Tätigkeiten handeln soll, weist diese Definition Schwächen auf. Beispielsweise ist die Frage der Schwangerenvorsorge in der Gesetzesdefinition nicht mit umfasst. Nach zutreffender Ansicht in einer Kommentierung von Prof. Dr. Harald Horschitz zu diesem Paragrafen besteht in erster Linie die Kompetenz der Bundesländer darin, festzulegen, in welchem Umfang durch Hebammen „Geburtshilfe” ausgeübt werden darf.
Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auf § 5 des Hebammengesetzes hinzuweisen, in dem das Ziel der Hebammenausbildung geregelt wird: „Die Ausbildung soll insbesondere dazu befähigen, Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett Rat zu erteilen und die notwendige Fürsorge zu gewähren, normale Geburten zu leiten, Komplikationen des Geburtsverlaufs frühzeitig zu erkennen, Neugeborene zu versorgen, den Wochenbettverlauf zu überwachen und eine Dokumentation über den Geburtsverlauf anzufertigen.”
Im Unterschied zur Definition der Geburtshilfe in § 4 Abs. 2 HebG findet sich in § 5 HebG auch die Versorgung der Frau während der Schwangerschaft als Ausbildungsziel. Hinsichtlich der Leitung von Geburten wird in § 5 HebG auf „normale” Geburten abgehoben. Horschitz betrachtet als normale Geburt alle Geburten, die ohne Komplikationen verlaufen. Erst bei Komplikationen ist ein Arzt hinzuzuziehen (Horschitz & Kurtenbach 2003).
Das Wort „insbesondere” benutzt der Gesetzgeber immer dann, wenn eine Aufzählung nur beispielhaften Charakter haben und keineswegs abschließend sein soll.
Sowohl § 4 HebG als auch § 5 HebG lassen offen, auf welche Art und Weise Geburtshilfe konkret ausgeübt wird. Es ist anerkannt, dass dies unter anderem auch durch Akupunktur und Homöopathie geschehen kann, wenn die dafür erforderliche Befähigung durch eine Zusatzausbildung nachgewiesen ist (siehe auch Akupunkturrichtlinien).
Stets muss sich die Hebamme jedoch auch bei der Ausübung einer solchen Heilkunde an die Grenzen der Geburtshilfe halten. Auch wer über die Zusatzausbildung zur Akupunktur verfügt, darf zum Beispiel keine Krebsbehandlung durchführen, denn das verlässt die Grenzen der Geburtshilfe. Hebammen dürfen keine Heilkunde ausüben, die dem Arzt vorbehalten ist.
Die ausführlichste Darstellung über die Aufgaben einer Hebamme findet sich in den Landesberufsordnungen, die weitestgehend auf der EU-Richtlinie 80/155/EWG beruhen. Sie haben den Status von Landesgesetzen, die vom jeweiligen Landtag erlassen werden. Die Interessenvertretungen der Hebammen können Einfluss nehmen, indem sie sich beispielsweise an die Landtagsabgeordneten wenden.
Die Landesberufsordnungen sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft getreten und lediglich in Details unterschiedlich formuliert. Einige Berufsordnungen regeln in ihrem § 1 den Geltungsbereich, während in § 2 regelmäßig die Aufgaben einer Hebamme beschrieben werden; andere beginnen bereits in § 1 mit den Aufgaben, so beispielsweise in Baden-Württemberg.
Regelmäßig sind die Berufsordnungen wie folgt aufgebaut:
Lange Zeit war die Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger des Landes Nordrhein-Westfahlen vom 4. Mai 2002 die aktuellste und wegen ihrer ausführlichen Anlage hinsichtlich der Dokumentationspflichten ein Maßstab für Hebammentätigkeiten. Heute wird in Gesetzen detaillierter formuliert und mehr definiert als früher. Über die neueste Landesberufsordnung verfügt derzeit das Bundesland Bayern (Bayerische Hebammenberufsordnung – BayHebBO vom 28.5.2013).
Im Einzelnen schreiben die Landesberufsordnungen in der Regel folgende Aufgaben fest – so beispielhaft in der HebBO NRW vom 4. Mai 2002:
Die Ausführungen über die Aufgaben der Hebammen in den Landesberufsordnungen präzisieren die Grundentscheidungen der §§ 4 und 5 HebG.
Hervorzuheben ist hierbei insbesondere – und darauf wurde schon bei § 5 HebG („normale” Geburt) hingewiesen –, dass nach Landesverordnungen zu den Aufgaben der Hebammen die „Durchführung von Normalgeburten bei Schädellage einschließlich eines erforderlichen Dammschnitts sowie [lediglich] im Notfall die Durchführung von Beckenendlagengeburten” gehört, so die Formulierung in Bayern und in Nordrhein-Westfalen ähnlich wie oben unter Ziffer 5.
In Brandenburg lautet die Formulierung beispielsweise „Durchführung von Regelgeburten einschließlich, sofern erforderlich, eines Dammschnitts sowie im Notfall von Beckenendlagengeburten”.
Die Bremer Berufsordnung vom 12. Juni 2012 nennt „im Dringlichkeitsfall die Durchführung komplizierter Geburten, insbesondere einer Beckenendlagengeburt, sofern nicht in angemessener Zeit eine Ärztin oder ein Arzt zugezogen werden kann”. Bremen verfügt in seiner Landesberufsordnung auch über eine Ordnungswidrigkeiten-Vorschrift, nach der beispielsweise ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig „bei Vorliegen von Regelwidrigkeiten oder Verdacht auf Regelwidrigkeiten keine Ärztin oder keinen Arzt hinzuzieht oder eine Einweisung in eine Klinik nicht veranlasst”. In Bremen droht also ein Bußgeld in Höhe von bis zu 15.000 Euro. Andere Bundesländer haben diese Regelung nicht, so dass dort zwar kein Bußgeld droht, jedoch alle anderen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Folgen (Körperverletzungsvorwurf).
In Thüringen findet sich zum Beispiel die Formulierung der „Leitung von Normalgeburten bei Schädellagen sowie bei fehlender ärztlicher Hilfe die Entwicklung von Beckenendlagengeburten” .
Am weitesten formuliert die Berufsordnung für Hebammen in Niedersachsen deren Aufgaben:
„5. die Gebärende während der Geburt zu betreuen und das Kind in der Gebärmutter mit anerkannten Verfahren, auch mit Hilfe technischer Mittel, zu überwachen
6. Geburten durchzuführen sowie einen erforderlichen Scheidendammschnitt auszuführen und zu nähen und einen unkomplizierten Dammriss zu nähen; Nummer 7 bleibt unberührt
7. bei der Schwangeren, bei der Gebärenden, bei der Wöchnerin oder beim Kind Anzeichen zu erkennen, die ein ärztliches Eingreifen erforderlich machen, und im Bedarfsfall darauf hinzuwirken, dass ärztliche Hilfe hinzugezogen wird
8. im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett bei ärztlichen Maßnahmen Hilfe zu leisten und bei fehlender ärztlicher Hilfe die notwendigen Maßnahmen selbst zu ergreifen, zum Beispiel die Plazenta manuell abzulösen und anschließend die Gebärmutter manuell zu untersuchen” (Niedersächsisches Gesetz über die Ausübung des Hebammenberufs (NHebG) 2004).
An diesen unterschiedlichen Formulierungen ist zu erkennen, dass sich die Landesberufsordnungen zwar unterscheiden, im Kern jedoch die gleichen rechtlichen Grundaussagen treffen. In der Regel müssen Gesetze ausgelegt werden. Zur Grundlage der Auslegung können durchaus auch die Regelungen der anderen Bundesländer herangezogen werden, insbesondere, wenn sie neuer sind und der Gesetzgeber bestimmte Einzelheiten noch nicht gekannt haben kann, zum Beispiel durch jüngste medizinische und technische Fortschritte.
Gleiche Grundaussagen in den Ländern gelten durchweg auch für die Abgrenzung der Hebammentätigkeit zur ärztlichen Tätigkeit, die Anwendung von Arzneimitteln, den Hinweis auf das Bestehen der Schweigepflicht (unter Bezugnahme auf § 203 Strafgesetzbuch/StGB), eine Dokumentationspflicht, wie sie sich auch aus dem neuen Patientenrechtegesetz aus § 630f Bürgerliches Gesetzbuch/BGB ergibt) und Fortbildungsvorschriften, die hinsichtlich des konkreten Nachweises in den einzelnen Bundesländern jedoch unterschiedlich sind.
Ein Verstoß gegen diese Regelung kann – wie auch die Überschreitung der Kompetenzen beziehungsweise Aufgaben der Hebamme – sowohl zivilrechtliche als auch straf- beziehungsweise ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen haben.
Nahezu identisch sind die Landesberufsordnungen hinsichtlich der besonderen Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit. Demzufolge muss sich die Hebamme ausreichend gegen Haftpflichtansprüche versichern. Sie muss ihre Praxis durch ein Schild kennzeichnen und darf nicht in berufsunwürdiger Weise werben. Den Beginn und die Beendigung der Berufsausübung muss sie dem Gesundheitsamt anzeigen sowie zur gegenseitigen Vertretung bereit sein und eine Vertretung gewährleisten.
Ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren hinsichtlich der Aufgaben der Hebammen auch ausdrücklich geregelt wurde, dass bei der Beratung – neben medizinischen und geburtshilflichen – auch soziale und seelische Faktoren zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 3 der Landesberufsordnung NRW). Nach der neuen Bayerischen Berufsordnung zählen zu den Aufgaben der Hebamme auch Anleitung und Beratung zur Pflege, Hygiene und Ernährung von Mutter und Kind sowie zur Förderung der Eltern-Kind-Bindung.
Stets zu beachten ist die Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit. Wird die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes von der Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin gewünscht, muss diesem Wunsch entsprochen werden. Das Behandeln regelwidriger Vorgänge ist Ärztinnen und Ärzten vorbehalten, ein Facharztstatus ist nach den Berufsordnungen nicht gefordert. Deshalb haben Hebammen auch auf Regelwidrigkeiten und Risikofaktoren zu achten und bei deren Auftreten die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen.
Seit Oktober 2012 wurden die früheren Vorschriften in der Reichsversicherungsordnung (RVO) über „Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft” in das fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) überführt (heute: §§ 24 ff. SGB V). Die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sind dort in § 24 c SGB V, ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe in § 24 d SGB V geregelt. Auch diese Vorschriften präzisieren den Begriff der Geburtshilfe. Was im Rahmen des § 24 d SGB V als „Hebammenhilfe” gekennzeichnet ist, sind Leistungen, die die Hebamme auch nach den Vorschriften des Hebammengesetzes und der Landesberufsordnungen ausführen darf.
Schließlich darf die Hebamme auch Tätigkeiten erbringen, die sie nach der Hebammen-Gebührenvereinbarung abrechnen darf (Anlage I zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V). Taugliches Abgrenzungskriterium ist hierbei das Leistungsverzeichnis, das einzelne Gebührentatbestände beschreibt, die die Hebamme aufgrund ihrer Berufserlaubnis auch ausführen darf.
Solange sich die Hebamme an die oben geschilderten gesetzlich definierten Grenzen der Geburtshilfe hält und diese Kompetenzen nicht überschreitet, muss sie weder berufs-, zivil-, straf- oder arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten.
Anders sieht es aus, wenn sie die Grenzen der einer Hebamme vorbehaltenen Tätigkeiten überschreitet. In § 280 BGB ist geregelt, dass in den Fällen, in denen ein Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, dieser Schadensersatz zu zahlen hat, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Für die Hebamme bedeutet dies, dass sie bei jeder Pflichtverletzung im Rahmen des Behandlungsvertrags, die zu einem Schaden bei der Vertragspartnerin führt, für diesen Ersatz zu leisten hat. Hierbei handelt es sich zum einen um die Hauptleistungspflichten eines Vertrags, also Behandlung und Zahlung der Vergütung. Zum anderen betrifft es vertragliche Nebenpflichten, zu denen insbesondere Aufklärungs- und Informationspflichten gehören (heute: § 630c BGB bezüglich Informationspflichten und § 630e BGB bezüglich Aufklärungspflichten). Überschreitet die Hebamme vorsätzlich oder fahrlässig ihre oben genannten Kompetenzen, und der Patientin entsteht dadurch ein Schaden, ist damit zu rechnen, dass die Hebamme Schadensersatz zu leisten hat, da sie Pflichten aus dem Behandlungsverhältnis verletzt hat. Die Hebamme muss wissen und erkennen, wann sie ihre Kompetenzen gesetzeswidrig überschreitet.
Für eine entsprechende Schadensersatzverpflichtung ist jedoch nicht immer ein Behandlungsvertrag erforderlich. Es bestehen auch gesetzliche Schadensersatzverpflichtungen, ohne dass ein förmlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen sein muss. Nach § 823 Abs. 1 BGB schuldet Schadensersatz, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter anderem Leben, Körper oder Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt. Wenn dies dadurch geschieht, dass sich die Hebamme nicht an die Grenzen der Geburtshilfe hält oder dass sie in Notfällen die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes unterlassen hat, hat dies eine Schadensersatzverpflichtung zur Folge.
Dies gilt auch nach § 823 Abs. 2 BGB, wonach die gleiche Verpflichtung denjenigen trifft, der gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt. Beim Hebammengesetz und den Landesberufsordnungen handelt es sich um entsprechende Schutzgesetze, die nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz der einzelnen PatientInnen dienen. Dies bedeutet, dass auch in den Fällen, in denen die Hebamme keinen eigenen Behandlungsvertrag geschlossen hat, beispielsweise weil sie als angestellte Hebamme im Krankenhaus tätig ist, die Überschreitung der Kompetenzen trotzdem eine persönliche Schadensersatzverpflichtung zur Folge haben kann.
Weitere Folge eines Behandlungsfehlers ist, neben der Verpflichtung, Schadensersatz zu zahlen, auch der Ersatz des immateriellen Schadens durch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Während vor der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 Schmerzensgeld nur bei unerlaubten Handlungen gefordert werden konnte, gilt dies seitdem auch in Fällen einer vertraglichen Pflichtverletzung. Das heißt, bei Vertragsverstößen gab es früher kein Schmerzensgeld. Informationspflichtverletzung ist zum Beispiel ein Verstoß im Rahmen des Vertrages, aber keine unerlaubte Handlung. Früher hätte es daher für eine solche Pflichtverletzung kein Schmerzensgeld gegeben.
Neben diesen zivilrechtlichen Schadensersatzrisiken hat die Kompetenzüberschreitung auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn es zu Körperverletzungen oder gar Todesfällen kommt. Die Patientin willigt nur in eine Heilbehandlung im Rahmen der Geburtshilfe ein, so dass eine Heilbehandlung außerhalb der Grenzen der Geburtshilfe eine rechtswidrige Handlung darstellt, die nicht durch eine Einwilligung gerechtfertigt ist.
Schließlich können Kompetenzüberschreitungen auch arbeitsrechtliche – der Arbeitgeber kündigt nach Abmahnung – oder berufsrechtliche Konsequenzen haben. In der Überschreitung der Grenzen der vorbehaltenen Tätigkeiten kann ein Verhalten liegen, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Hebammenberufs ergibt. Nach § 3 Abs. 2 HebG ist in diesen Fällen die Berufserlaubnis zu widerrufen. Die Aufsichtsbehörde hat dabei keinen Ermessensspielraum.
Jede Hebamme sollte aus all diesen Gründen genauestens darauf achten, lediglich nach dem Hebammengesetz, den Landesberufsordnungen und der Gebührenvereinbarung vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben. Andernfalls drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen. Diese können auch nicht in Behandlungsverträgen oder -bedingungen ausgeschlossen werden, da eine völlige Haftungsfreizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehungsweise Vertragsbedingungen nicht zulässig ist.
Katja Baumgarten: Die Niedersächsische Berufsordnung für Hebammen schließt nicht explizit bestimmte Besonderheiten bei der Begleitung von Geburten aus. Dort ist davon die Rede, dass die Hebamme „Anzeichen erkennen muss, die ein ärztliches Eingreifen erforderlich machen, und im Bedarfsfall darauf hinwirken, dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird”. Ist es möglicherweise Auslegungssache, was unter „Bedarfsfall” zu sehen ist oder ist der Begriff rechtlich definiert? Ob man zum Beispiel eine Beckenendlagengeburt, wenn sonst keine Regelwidrigkeit vorliegt, als physiologische Längslage sieht, so wie die Kolleginnen sie früher normal zu Hause begleitet haben – dies war für sie keine Pathologie.
Matthias Diefenbacher: Ich bin vorsichtig: Ob eine normale Geburt, Komplikationen oder ein Notfall vorliegt, entscheidet im Ergebnis ein Sachverständiger im Zivil- oder Strafverfahren, der der Angeklagten dann erklärt, warum das so zu sehen ist und wie sie sich hätte verhalten müssen. Das Gericht muss dann im Einzelfall – und nur darauf kommt es an – entscheiden. Das gilt auch in den Bundesländern, die offener formulieren.
Wenn Eltern explizit Hebammenbetreuung bei einer Geburt mit einem gewissen Risiko wünschen und die Frau nicht verlegt werden möchte, weil sie zum Beispiel traumatische Erfahrungen in der Klinik gemacht hat und beispielsweise generell kein niedergelassener Gynäkologe für eine Hausgeburt verfügbar ist – wie kann sich die Hebamme schützen, wenn sie damit die Grenzen der Berufsordnung überschreiten würde? Frauen haben ja bekanntlich das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes. Ich weiß von Frauen, die allein gebären, wenn sie keine Hebammenhilfe finden. Muss dann nicht eine Hebamme Hilfe leisten, ehe die Frau mit ihrem Kind ganz auf sich gestellt ist? Ich denke, eine Hebamme kann sich dann nicht schützen, da von ihr – auch aus Gründen der unterlassenen Hilfeleistung – verlangt wird, ärztliche Hilfe hinzuzuziehen. Nach § 323 c Strafgesetzbuch wird die Hilfeleistung nur insoweit verlangt, als sie erforderlich und den Umständen nach zuzumuten ist, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten. Das heißt, die Hebamme ist nicht zur Hilfeleistung verpflichtet, wenn sie damit das Gesetz brechen würde. Zum Vergleich: Der Nichtschwimmer macht sich nicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar, wenn er nicht zur Rettung des Ertrinkenden ins Wasser springt, da Rettung zwar erforderlich, aber unzumutbar ist. Die Hebamme selbst darf nur zur Beseitigung des Notfalls bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe behandeln. So ist es auch in § 4 Abs. 1 HebG – „abgesehen von Notfällen” – ausdrücklich geregelt. Die Haftung kann nicht in Allgemeinen Behandlungsbedingungen formularmäßig ausgeschlossen werden.
Vielen Dank!