Möglicherweise kann durch Kreatin-Supplementierung im letzten Trimenon Erhaltung und Wachstum des Fötus sowie der eigentliche Geburtsvorgang positiv beeinflusst werden. Foto: © Markus Heimbach

Das Kreatinkinase-System spielt eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung der Plazenta sowie der glatten Gebärmutter­muskulatur in der Schwangerschaft und bei der Geburt. Der Schweizer Zellbiologe Prof. Dr. Theo Wallimann rät zu einer Kreatin-Supplementierung, wenn eine ausreichende Versorgung durch die Nahrung nicht sichergestellt ist. 

Die Kreatinkinase (Englisch: creatine kinase, CK) ist ein Enzym. Es spielt eine wichtige Rolle für die zelluläre Energieversorgung in der Skelett-, Herz- und glatten Muskulatur – so auch im Darm und in der Gebärmutter – sowie in anderen Organen mit hohem Energieumsatz, wie Gehirn Nerven- und Sinneszellen und auch in Spermien (Wallimann et al. 2011). Unterschiedliche Gewebe produzieren verschiedene Varianten von CK. Während die der Skelettmuskeln (MM-CK) und Herzmuskeln (MB-CK) in der jeweiligen Muskulatur produziert werden, stellen Gehirn- und Nervenzellen fast ausschließlich die BB-CK Variante des Enzyms her. Diese Tatsache wird auch in der medizinischen Diagnostik herangezogen. Das Erscheinen von Herz-CK (MB-CK) beispielsweise im Serum eines Patienten deutet auf eine Gewebeschädigung des Herzmuskels hin und wird für die Diagnose eines Herzinfarktes verwendet.

Zusätzlich wird in allen diesen Geweben auch eine mitochondriale CK hergestellt, die eben dort lokalisiert ist, in den zellulären Kraftwerken, in denen Adenosin-Tri-Phosphat (ATP) als universeller Energieträger hergestellt wird.

Kreatin als natürliche Körpersubstanz ist die Vorstufe für das Enzym CK. Mittels CK wird nämlich über ATP, das durch Verstoffwechselung von Zucker oder Fetten in den Zellen hergestellt wird, ein schnell verfügbarer Energiespeicher in der Form von Phosphor-Kreatin (PCr) aufgebaut. Der PCr-Energiespeicher ist größer und in der Zelle besser verfügbar als derjenige von ATP. Er hilft den Zellen besonders dann, wenn in kurzer Zeit viel Energie verbraucht wird (Wallimann 2008).

Kreatin: zur Hälfte über die Nahrung

Kreatin wird zu 50 Prozent im menschlichen Körper selbst hergestellt. Die andere Hälfte muss über die Nahrung aufgenommen werden, insbesondere über frisches Fleisch und Fisch. Der Körper eines 75 Kilogramm schweren Erwachsenen enthält etwa 120 bis 150 Gramm Kreatin, das sich vorwiegend in den Skelettmuskeln, im Herzmuskel und im Gehirn befindet. Laut dem Schweizer Zellbiologen Prof. Dr. Leo Wallimann wirkt Kreatin gegen ein Versagen der mitochondrialen Energieproduktion und verhindert einen Anstieg der freien Sauerstoffradikale. Es kann die mitochondriale Atmung und somit die Herstellung von ATP in den Mitochondrien stimulieren, was etwa für Ausdauerleistung und Erholung im Sport wichtig ist.

Schließlich wird das Mitochondrium durch die molekulare Eigenschaft des symmetrischen, würfelförmigen mitochondrialen CK-Moleküls (mt-CK) stabilisiert. Weil Unter- und Oberseite des würfelförmigen mt-CK-Moleküls identisch sind und beide sich an mitochondriale Membranen anbinden können, kann es die äußere und innere Mitochondrienmembran zusammenhalten. Wallimann: „In vitro führt eine Verringerung der Kreatin-Konzentration beispielsweise in Herzzellen zu strukturellen Veränderungen in den Mitochondrien, während in vivo eine Abnahme von Kreatin im Herzmuskel des Menschen eine signifikante Beeinträchtigung der Herzfunktion bewirkt.” Da während der Schwangerschaft auch der Embryo Kreatin benötigt, ist dann eine ausreichende Versorgung mit Kreatin wichtig. Aufpassen muss man bei einer vegetarischen Ernährung in der Schwangerschaft, weil Gemüse, Obst und Kohlehydrate nur Spuren von Kreatin enthalten. Das Abbauprodukt von Kreatin ist Kreatinin, das über die Nieren ausgeschieden wird und im Urin gemessen werden kann.

Kreatinkinase in der Schwangerschaft

Zwei Formen der Kreatinkinase, nämlich mitochondriale CK (mt-CK) und und sogenannte BB-CK, bilden in den Zellen der glatten Muskulatur der Gebärmutter einen Phosphat-Kreatin-Energieshuttle. Dieser transportiert energiereiches Phosphat aus den Mitochondrien dahin , wo es gebraucht wird. Eine Analyse von Michael F. Thomure vom Department of Obstetrics and Gynecology an der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, zeigte bereits 1996, dass die menschliche Plazenta einen hohen Energiebedarf hat, der sich schnell ändern kann. So ist ein funktionierender Phosphattransport für die Instandhaltung und Beendigung der Schwangerschaft wichtig. Mithilfe von Kreatinkinase können die Mitochondrien kurzfristig Energie in Form von Phospho-Kreatin (PCr) erzeugen. Die Expression der in der Gebärmutter und in der Plazenta vorhandenen Kreatinkinase – BB-CK und die mitochondriale CK-Isoform – wird während der Schwangerschaft genau reguliert (Thomure et al. 1996) und vor allem kurze Zeit vor der Geburt massiv erhöht (Payne et al. 1993; Wallimann & Hemmer 1994).

Die Produktion von CK in der Gebärmutter hängt mit Östrogen zusammen (Reiss & Kaye 1981) und ist laut Thomure das am besten von diesem Hormon regulierte Protein. Das Kreatinkinase-System spielt auch für die Muskelenergetik der glatten Gebärmuttermuskulatur beim Geburtsvorgang eine wichtige Rolle. Wallimann kann sich vorstellen, dass durch Kreatin-Supplementation im letzten Trimester der Schwangerschaft die Erhaltung und das Wachstum des Fötus sowie der eigentliche Geburtsvorgang positiv beeinflusst werden könnten (Wallimann et al. 2010). Dies sei allerdings beim Menschen bisher noch nicht direkt gezeigt worden.

Schutz vor Geburtsasphyxie

Der Schweizer Zellbiologe sieht einen möglichen Vorteil einer solchen Kreatin-Supplementierung auch in der deutlichen Schutzwirkung für das Gehirn des Neugeborenen, da Kreatin das Gehirn von neugeborenen Ratten und Mäusen vor einer Sauerstoffschuld bei einer schweren Geburt weitgehend schützt (Holtzman et al. 1998; Ireland et al. 2011; Ellery et al. 2013). So gab es 2013 am australischen Monash Institute of Medical Research in Clayton eine Studie mit trächtigen Mäusen, bei der man herausfinden wollte, ob sich eine akute Nierenschädigung von Säuglingen nach einer Geburtsasphyxie durch pränatale Kreatingabe an die Mütter vorbeugen lasse. Die Überlegung war, die Aufrechterhaltung der Zellatmung zu verbessern. Tatsächlich konnte das mütterliche Kreatin glomeruläre und tubuläre Anomalien post partum mindern.

Die klinische Erforschung beim Menschen steckt noch in den Kinderschuhen. Wallimann: „Die Tatsache, dass Kreatin sowie auch Phosphat-Kreatin in relativ hohen Konzentrationen (etwa 1,5 beziehungsweise 0,5 Gramm pro Kilogramm) im Kolostrum und der Muttermilch vorkommen, zeigt die Wichtigkeit und auch Unbedenklichkeit dieser körpereigenen Verbindungen für den Aufbau und die Funktion der Organe des Embryos und des Neugeborenen.” 2015 wird in es in Deutschland einen internationalen Kongress über Kreatin geben, bei dem es auch um das „Kreatin-Mangel-Syndrom” bei Säuglingen und Kleinkindern gehen wird, erläutert der emeritierte Zürcher Professor. Bei dieser angeborenen Stoffwechselstörung, die man durch Messung von Kreatin im Blutserum und Urin feststellen kann, sei die körpereigene Kreatin-Synthese oder der Kreatin-Transport gestört. Das führe zu schweren neurologischen Störungen, zuerst vor allem bemerkbar an einer Verspätung der Sprachentwicklung. Hinzu kämen Hypotonie, Epilepsien und Autismus, später möglicherweise eine Hirnatrophie (Stöckler et al. 2007). Wallimann: „Solche Kinder sollte man möglichst früh erkennen, weil einigen mit einfacher Supplementation von Kreatin geholfen werden kann.”

Wenn Schwangere Kreatin einnehmen, sollte unbedingt auf die chemische Reinheit des Präparates geachtet werden. Wallimann: „Das aus wissenschaftlicher Sicht zu empfehlende Kreatinpräparat ist das Kreatin-Monohydrat Creapure”. Solange die Dosierung drei Gramm pro Tag nicht übersteigt, ist es meiner Meinung nach auch für Schwangere unbedenklich, ja sogar indiziert. Diese Dosierung liegt im Bereich einer gesunden Ernährung (alimentären Bereich). Das heißt, man kann es mit Fisch und Fleisch ebenfalls in ausreichender Menge einnehmen.”

Kreatingehalt in Lebensmitteln

in Gramm pro Kilogramm

Fisch

  • Hering: 6,5-10
  • Lachs: 4,5
  • Thunfisch: 4
  • Kabeljau: 3
  • Scholle: 2

Fleisch

  • Schwein: 5
  • Rind: 4,5

Sonstige

  • Milch (einschließlich Muttermilch): 0,1
  • Gemüse: lediglich Spuren
  • Obst: lediglich Spuren
  • Kohlenhydrate: lediglich Spuren
Zitiervorlage
Heimbach B: Kreatinkinase: Schutz des Kindes bei schwerer Geburt? DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (9): 20–22
Literatur

Ellery, S.J.; Ireland, Z.; Kett, M.M.; Snow, R.; Walker, D.W.; Dickinson, H.: Creatine pretreatment prevents birth asphyxia-induced injury of the newborn spiny mouse kidney. Pediatr Res. Feb; 73(2): 201–8 (2013)

Holtzman, D.; Togliatti, A.; Khait, I.; Jensen, F.: Creatine increases survival and suppresses seizures in the hypoxic immature rat. Pediatr Res. Sep; 44(3): 410–4 (1998)

Ireland, Z.; Castillo-Melendez, M.; Dickinson, H.; Snow, R.; Walker, D.W.: A maternal diet supplemented with creatine from mid-pregnancy protects the newborn spiny mouse brain from birth hypoxia. Neuroscience. Oct 27; 194: 372–9 (2011)

Payne, R.M.; Friedman, D.L.; Grant, J.W.; Perryman, M.B.; Strauss, A.W.: Creatine kinase isoenzymes are highly regulated during pregnancy in rat uterus and placenta. Am J Physiol. Oct; 265 (4 Pt 1):E624–35 (1993)

Reiss, N.A.; Kaye, A.M. : Identification of the major component of the estrogen-induced protein of rat uterus as the BB isozyme of creatine kinase. J Biol Chem. Jun 10; 256 (11): 5741–9 (1981)

Stockler, S.; Schutz, P.W.; Salomons, G.S.: Cerebral creatine deficiency syndromes: clinical aspects, treatment and pathophysiology. Subcell Biochem. 46: 149–66. (2007)

Thomure, M.F.; Gast, M.J.; Srivastava, N.; Payne, R.M.: Regulation of creatine kinase isoenzymes in human placenta during early, mid-, and late gestation. J Soc Gynecol Investig. Nov-Dec;3(6): 322-7 (1996)

Wallimann, T.; Hemmer, W.: Creatine kinase in non-muscle tissues and cells. Mol Cell Biochem. Apr-May; 133–134: 193–220 (1994)

Wallimann, T.: Mehr Energie – mehr Leistung. Kreatin – warum, wann und für wen? Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin. Vol.5: 29–40
http://www.kreasup.ch/update/pdf/kreatin_warum_wann (letzter Zugriff: 25.7.2013) (2008)

Wallimann, T.; Tokarska-Schlattner, M.; Schlattner, U.: The creatine kinase system and pleiotropic effects of creatine. Amino Acids. May; 40(5): 1271–96 (2011)

www.uni-koeln.de/med-fak/biochemie/biomed/wisspro/gilles_klein.pdf

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