Außer der Gelbfärbung der Haut gibt es weitere Warnzeichen, die auf eine relevante Hyperbilirubinämie hinweisen, so beispiels­weise Apathie und Trinkschwäche. Foto: © annanahabed/stock.adobe.com

Die Umstellungsprozesse nach der Geburt können bei Neugeborenen zu erhöhten Bilirubin-Werten führen. Hebammen müssen frühzeitig die Zeichen erkennen, um eine harmlose »Neugeborenen-Gelbsucht« von den Vorboten eines schwerwiegenden Kernikterus zu unterscheiden. Auch eine Gallengangatresie ist in Erwägung zu ziehen. Um diese auszuschließen, ist die Stuhlkarte im Kinderuntersuchungsheft ein einfaches Mittel.

Bilirubin ist ein Stoffwechselprodukt, das beim Abbau von Hämoglobin entsteht. Es wird über die Galle ausgeschieden, teils im Darm wieder aufgenommen, letztlich aber nach weiteren Abbauschritten im Stuhl ausgeschieden. Bilirubin wird genauso wie viele andere Substanzen in der Leberzelle zur Ausscheidung markiert (Glucuronidierung, »direktes Bilirubin«) und gelangt dann in die Gallenkanäle. Vor der Geburt erfolgt die Ausscheidung über die Plazenta. Die Glucuronidierung wird erst nach der Geburt »angeschaltet«, was etwas Zeit benötigt. Daher staut sich das auszuscheidende Bilirubin (»indirektes Bilirubin«) im Körper an. Das Neugeborene ist dann sichtbar gelb. Diese »Neugeborenen-Gelbsucht« hat also nichts mit den Infektionen zu tun, die man »Gelbsucht« nennt.

Unkonjungiertes (indirektes) Bilirubin verteilt sich nicht nur gut im ganzen Körper, sondern kann auch die Blut-Hirn-Schranke passieren. Ab einer bestimmten Menge ist es für die Nervenzellen schädlich und kann insbesondere in den zellreichen Arealen im Stamm- und Großhirn dauerhaft eingelagert werden. Dieser »Kernikterus« geht mit einer zerebralen Schädigung einher und kann sogar zum Tod führen. Die Häufigkeit des Kernikterus ist zwar gering, steigt aber auch in Industrieländern an. Risikofaktoren sind Frühentlassung, lückenhafte Nachsorge im Wochenbett, Sprachschwierigkeiten und soziale Probleme.

Neugeborenen-Ikterus ernstnehmen

Ein typischer Fall: Eine Drittpara geht auf Wunsch des Kindsvaters, der mit den älteren Geschwistern überfordert ist, am Tag nach der Geburt nach Hause, obwohl ihr davon abgeraten wurde. Eine ambulante Wochenbettbetreuung scheitert an sprachlichen Barrieren und mangelnder Verfügbarkeit angesichts des anstehenden Wochenendes. Am fünften Lebenstag wird das Neugeborene notfallmäßig in der Kinderarztpraxis vorgestellt, weil es ihm nicht gut geht. Der Kinderarzt weist das Neugeborene sofort in die Kinderklinik ein, es wird mit einem Bilirubin von 28 mg/dl aufgenommen. Trotz unmittelbarem Therapiebeginn zeigt sich sehr bald, dass eine neurologische Schädigung eingetreten ist.

Daher ist es wichtig, den Neugeborenen-Ikterus ernstzunehmen und den Verlauf gut zu beobachten. Kritisch sind:

  • ein sehr schneller Anstieg des Bilirubins am ersten Lebenstag: Es ist dann mit sehr hohen Werten zu rechnen, mit erheblicher Gefährdung des Neugeborenen.
  • ein sehr hoher Anstieg über den kritischen Wert (siehe Abbildung 1)
  • ein über lange Zeit erhöhter Wert.

Wichtigste Ursachen für einen frühzeitigen und/oder verstärkten Ikterus sind Hämolyse (beispielsweise bei Blutgruppen-Unverträglichkeit), Blutungen beziehungsweise Hämatome und Unreife. Eine Vielzahl von schweren Erkrankungen wie Sepsis, Asphyxie, Hydrops und Stoffwechseldefekte, die ebenfalls ein erhöhtes Ikterusrisiko haben, führen in aller Regel zur klinischen Behandlung auf der Neugeborenen-Intensivstation, so dass sie in der Wochenbettbetreuung zu Hause eher irrelevant sind.

Zur Ersteinschätzung kann die Tabelle dienen. Diese Schätzwerte gelten nicht bei Neugeborenen mit Anämie und nur bei hellhäutigen Kindern. Wichtig für die Beurteilung ist ausreichend helles Tageslicht. Vor allem bei Neugeborenen mit dunkler Hautfarbe erfolgt die Erkennung eines behandlungsbedürftigen Ikterus oft zu spät. Sehr schön sieht man die Gelbfärbung auch in den Skleren. Es ist also gut, nicht nur auf die Haut, sondern auch in die Augen zu schauen.

Bilirubin kann transkutan schnell und schmerzlos gemessen werden. Die Geräte stehen wegen der hohen Anschaffungskosten meist nur in Kliniken zur Verfügung. Bei Beachtung der Gebrauchsanweisung und Kenntnis der Fehlerquellen ist diese Messung relativ zuverlässig. Ansonsten ist im Zweifelsfall eine kapilläre beziehungsweise venöse Messung des Bilirubins notwendig, wobei auch da die Fehlerquellen bekannt sein müssen, damit zuverlässige Werte erhoben werden.

Es wurden verschiedentlich Apps zur Bilirubin-Messung entwickelt, die aber allesamt bisher sehr unzuverlässig sind aus verschiedenen, meist technischen Gründen, so dass von deren Verwendung aktuell dringend abgeraten werden muss.

Abbildung 1: Bilirubin-Konzentrationen und Grenzwerte
Legende: AT = Austauschtransfusion GA = Gestationsalter PT = Phototherapie Ngb = Neugeborene Quelle: Consilium Hebamme, Heft 15, S. 13 (modifiziert nach Vochem, Klinikum Stuttgart)

Klinische Warnzeichen

Außer der Gelbfärbung der Haut gibt es weitere klinische Warnzeichen, die auf eine relevante Hyperbilirubinämie (und gegebenenfalls auch andere Erkrankungen!) hinweisen:

  • Apathie
  • Trinkschwäche
  • Normale Spontanbewegungen?

Somnolenz, atypische Reflexe oder Krampf­anfälle sind absolute Alarmzeichen und erfordern eine sofortige fachärztliche Untersuchung und Therapie. Das »brave«, ruhige, durchschlafende Neugeborene ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gesund!

Durch Prävention ist ein erheblicher Teil der kritischen Hyperbilirubinämien zu verhindern. Ganz wichtig ist ein frühzeitiger Stillbeginn und ausreichend häufiges Stillen. Nur so kann das Bilirubin in ausreichender Menge über den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden werden. Zur Prävention gehört vor allem auch die Erkennung von Risikofaktoren mit den entsprechenden Konsequenzen.

Die Grenzwerte, ab denen eine Intervention notwendig ist, hängen vom Lebensalter in Stunden ab und gelten nur für reife, sonst gesunde Neugeborene. Insbesondere für Frühgeborene gelten deutlich niedrigere Interventionsgrenzen (siehe Abbildung 1).

Fototherapie ist Standard

Die Standard-Therapie ist die Fototherapie mit blauem Licht (Wellenlänge 450–490 nm). Das in der Haut vorhandene Bilirubin wird von dem blauen Licht in seiner Form verändert, dadurch wasserlöslich und kann damit auch unkonjugiert ausgeschieden werden. Es kommt darauf an, eine möglichst große Hautfläche intensiv mit diesem blauen Licht zu bestrahlen. Wichtig ist, die Augen abzudecken, da sie durch die intensive Belichtung geblendet werden.

UV-Licht ist von der Wellenlänge her ungeeignet, hat auf das Bilirubin keinen Effekt und ist für die Haut sogar schädlich. »Blau« und »UV« werden leider immer wieder verwechselt, zumal man vor Jahrzehnten gedacht hatte, dass der UV-Anteil wirksam wäre. Das ist schon so lange widerlegt, dass eigentlich auch die ältere Generation von Hebammen und Ärzt:innen es wissen sollte.

Tageslicht enthält zwar auch die entsprechende Wellenlänge, aber nicht in ausreichender Intensität. Daher bekommt man Neugeborene mit kritisch erhöhten Werten durch Tageslicht nicht aus der Gefahrenzone.

Die Fototherapie muss genau dosiert und gut überwacht werden. Prinzipiell ist die Therapie auch außerhalb der Klinik möglich. Sie setzt dann aber entsprechende Fachkenntnisse, ein geeignetes Equipment, Bilirubin-Kontrollen in kurzen Abständen und eine lückenlose 24/7-Rufbereitschaft voraus.

Nur in seltenen Fällen muss das Bilirubin durch eine Austausch-Transfusion aus dem Körper entfernt werden.

Die immer wieder vorgeschlagenen alternativmedizinischen Methoden (homöopathische Medikamente, Lebermassagen, verschiedene Tees und Kräuter) zur Senkung des Bilirubins sind ungeeignet und im Zweifelsfall gefährlich, wenn eine suffiziente Behandlung dadurch zu spät erfolgt.

Früher wurde bei ansteigendem Bilirubin häufig eine Stillpause empfohlen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Im Normalfall kann und soll weiter gestillt werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen muss vorübergehend mit Formula-Nahrung zugefüttert werden.

In einigen Fällen steigt bei gestillten Kindern das Bilirubin stärker an. Dieser Muttermilch-Ikterus ist im Prinzip harmlos. Die Ursache ist letztlich ungeklärt. Wahrscheinlich spielt die Kombination mehrerer Faktoren eine Rolle. Das Neugeborene kann ganz normal weitergestillt werden. Das »Problem« löst sich immer von selbst.

Abbildung 2: Früherkennung einer Gallengangsatresie mit der Stuhlfarbenkarte für das Kinder-Vorsorgeheft Quelle: Medizinische Hochschule Hannover/TK

Sondersituation: Verlängerter Ikterus

Bei einigen Neugeborenen persistiert der Ikterus sehr lange, über mehr als zwei Wochen. Das kann verschiedene Ursachen haben und ist Anlass für eine kinderärztliche Untersuchung. Ein besonders wichtiges Problem ist die Gallengangsatresie. Dabei sind die feinen Gallenwege innerhalb der Leber oder häufiger die größeren Gallenwege, die aus der Leber herausführen, fehlgebildet oder unterbrochen. Die Folge davon ist, dass die Gallenflüssigkeit nicht abfließen kann. Durch die Reifung der Leberzellen ist das Bilirubin jetzt überwiegend konjugiert, das heißt zur Ausscheidung markiert.

Das hat zur Folge, dass die Leberzellen durch den Stau geschädigt werden. Klinisch bemerkt man dies durch die Änderung der Farbe, denn das konjugierte Bilirubin ist dunkler (bräunlich/grün), so dass sich die Hautfarbe des Säuglings ändert. Im Stuhl fehlt das Bilirubin, das Kind hat ungefärbten, fast weißen Stuhlgang.

Wenn ein solches Kind zügig in ein Zentrum mit entsprechender Expertise aufgenommen wird, kann man – nach entsprechender Diagnostik – in den meisten Fällen einen Gallenabfluss operativ herstellen (Kasai-Operation). Geschieht dies nicht in den ersten Lebensmonaten, entwickelt sich sehr schnell eine Leberzirrhose. Dann ist eine Lebertransplantation oft noch im ersten Lebensjahr die einzige Chance für das Kind, um zu überleben. Um diese Fehlbildung rechtzeitig zu erkennen, wurde die Stuhlfarbenkarte für das Vorsorgeheft entwickelt (siehe Abbildung 2). Die Hebamme sollte sich daher auch den Stuhl des Säuglings anschauen, vor allem wenn das Kind länger als gewohnt gelb aussieht oder sogar eine »ungesunde« gelbgrüne Hautfarbe bekommt.

Fazit

Durch die Umstellung nach der Geburt und die Reifung der Leberfunktion haben Neugeborene in den ersten Lebenstagen vermehrt Bilirubin im Blut. Das ist normal und meist völlig unkritisch. Wenn der Anstieg sehr schnell stattfindet, bestimmte Grenzen überschritten werden oder das Kind mehr als zwei Wochen gelb aussieht, kann ein behandlungsbedürftiges Problem vorliegen.

Um Schaden abzuwenden, muss die Hebamme solche Situationen zuverlässig erkennen. Durch frühe Entlassung beziehungsweise ambulante oder Hausgeburt ist die Verantwortung der Hebamme gestiegen. Bei guten Strukturen und sachgerechter Aufklärung der jungen Eltern lassen sich kritische Situation und Folgeschäden praktisch immer vermeiden.

Zitiervorlage
Illing, S. (2024). Damit es nicht zum Kernikterus kommt. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (5), 20–23.
Literatur
Illing, S. (2022). Kinderheilkunde für Hebammen, 7. Auflage, S. 157f.

Illing, S. (2023). Consilium Hebamme, Heft 15

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