Sieben Phasen der Veränderung
Ein Modell hilft, Veränderungen als Prozess zu verstehen und Strategien für die jeweilige Situation zu entwickeln: In lebendigen Systemen verlaufen Veränderungsprozesse nicht linear und planbar, sondern folgen eigenen Gesetzen und emotionalen Dynamiken. Seit Beginn der 1970er Jahre wurden in Psychologie und Organisationsentwicklung die Dynamiken von Veränderungsprozessen erforscht. Entwickelt wurden – angeregt durch die Erkenntnisse aus der Trauerarbeit – Phasenmodelle der Veränderung (Haibach 1995; Streich 1997). Einzelne Menschen, Teams oder ganze Unternehmen durchlaufen dabei verschiedene emotionale Phasen, die sich unterschiedlich äußern und jeweils spezifisches Führungshandeln erfordern (siehe Abbildung).
Phase 1: Schock
In der ersten Phase einer einschneidenden Veränderung ist das Erleben des »Schocks« vorherrschend. Damit sind oft starke Emotionen wie Ohnmacht und Panik verbunden. Je krisenhafter die Veränderung, umso schwieriger ist es, langfristig zu planen. Es ist wichtig, Kommunikationsräume zu schaffen, um den Emotionen Raum zu geben. Zugleich bedarf es in dieser Phase schneller Entscheidungen und klarer Ansagen. Es kann helfen, das Team transparent und zeitgleich zu informieren, etwa in Teamsitzungen oder Informationsschreiben. Wichtig ist, sich mit eigenen Gefühlen gut zu »versorgen«, beispielsweise im kollegialen Austausch intra- und interdisziplinär mit anderen Führungskräften oder einem Coaching. Die Führungskraft sollte signalisieren, zuversichtlich die »Zügel in der Hand zu halten«.
Phase 2: Verdrängung
Die zweite ist die Verneinungsphase – die Veränderung wird ignoriert und verdrängt. Führungskräfte sollten zeigen, dass es im Prozess weitergehen wird. Signal: Ich bin als Ansprechpartnerin da. Sie sollten Präsenz zeigen und Gesprächsangebote deutlich machen.
Phase 3: Trauer
Nun folgt das »Jammertal«, das »Tal der Tränen«. Diese Phase des Trauerns über den Verlust ist elementar und für alle Beteiligten schmerzhaft und schwierig auszuhalten. Zwei Entwicklungen können den Prozess negativ beeinflussen. Erstens: Die Leitung ignoriert aus Furcht die eigenen Trauer-Gefühle oder die der Mitarbeiter:innen. Das führt zu Entfremdung, kostet nachhaltig Vertrauen und der Prozess stockt. Zweitens können die Beteiligten unbewusst gegenseitig die Gefühle der Ohnmacht verstärken und in einer »Problem-Trance« versinken.
Gelingt es allen im Team samt Führungskraft, den Verlust des bisherigen Zustands zu akzeptieren, geht es bergauf. Daher ist wichtig, ausreichend Raum für Klagezeit und Emotionen zu geben.
Es empfiehlt sich, in zwei Etappen vorzugehen: die Situation anzunehmen und dann den Blick nach vorne zu richten. Die Führung sollte in Teambesprechungen – begrenzte – Zeit für den Austausch einplanen, dem Team aufmerksam zuhören und signalisieren, dass Sorgen oder Ärger ernst genommen werden. Den Betroffenen sollten auf keinen Fall die Gefühle ausgeredet werden. Am Ende der Runde sollte die Führungskraft verständnisvoll akzeptierend die Wahrnehmungen zusammenfassen.
Dann können alle den Blick auf Ressourcen und Lösungsstrategien richten. Die Führungskraft sollte den Prozess im Blick behalten: Sie sollte die Gespräche durch zusammenfassende Moderation strukturieren, ihr Team mit Informationen versorgen und das gemeinsame Weiterdenken am Thema ankündigen.
Phase 4: Akzeptanz und Bewältigung
Die »Akzeptanz und Bewältigung« ist geprägt von der Einsicht, dass die Veränderung notwendig ist. Es ist die Zeit des Loslassens vom Alten. Vorsichtig zeigt sich im Team der Blick nach vorn, es entwickelt sich Energie und der Optimismus wächst. Zugleich ist noch Angst spürbar, da das Neue noch fremd erlebt wird. Es ist hilfreich, allen im Team diese Phase bewusst zu machen. Die Führung sollte das Loslassen fördern, das Vergangene würdigen und den Fokus auf die Zukunft lenken. Erste Erfolge sollten benannt werden, es sollte zum Ausprobieren animiert werden.
Phase 5: Ausprobieren
Nun folgt die Phase des Ausprobierens. Das Team wird aktiver und selbstbewusster und experimentiert. Erfolgserlebnisse beflügeln – gelegentlich gibt es Rückschläge und Bedauern über den Verlust. Die Führung sollte mit dem Team den Veränderungsprozess und das Ziel thematisieren. Wichtig ist ein Ideenaustausch. Das Ausprobieren wird unterstützt und in gemeinsamen Reflexionsschleifen ausgewertet und neu justiert.
Phase 6: Bedeutung finden
- Bei der »Bedeutungssuche« wird in gewissem Abstand aus der Adler-Perspektive über den Sinn der Entwicklung reflektiert. Dies ist wichtig für das langfristige Muskeltraining. Hier wird das Team als lernende Organisation gefördert. Der Blick wird auf die bewältigten Wegstrecken, auf das Gelingen gerichtet:
- Was haben wir geschafft? (Welche Meilensteine waren bedeutsam und warum?)
- Wie ist es uns gelungen? (Was hat allen geholfen? Welche Kommunikationsprozesse waren hilfreich? Welche Unterstützung von wem hat uns geholfen?)
- Welche Hindernisse gab es und wie haben wir diese gemeistert?
- Welche Talente und Stärken haben wir entdeckt? Was stärkt uns und was lernen wir daraus als Team?
- Wo setzen wir künftig Prioritäten?
Mit jedem Austausch unterstützt die Führung die persönliche Entwicklung der Angestellten, das Wachstum des Teams und die Balance der »Team-Seele«.
Phase 7: Das Neue integrieren
Diese Phase beinhaltet die Integration des Neuen: Die neuen Verhaltensweisen wurden erfolgreich in den Alltag übernommen. Es bestehen Sicherheit und Akzeptanz. Das Neue ist nun normal geworden. Führungskräfte sollten sich bedanken und mit dem Team das Erreichte feiern.
Diese Phasen verlaufen in unterschiedlicher Ausprägung und bei den Beteiligten oft in unterschiedlichem Tempo. Mitunter befindet sich die Leitung in ihrer Veränderungskurve bereits in einer fortgeschrittenen Phase des Aufbruchs und Experimentierens, während die Mitarbeiter:innen sich noch in der Schockphase oder im »Jammertal« befinden. Manchmal stocken diese Prozesse, die Stufen gehen ineinander über oder man fällt wieder zurück in eine vorherige Phase. Wenn allen im Team diese Entwicklung bewusst ist, verstärkt es das Verständnis und hilft, Konflikte zu reduzieren.
Als Leitung hat man die Chance, den Prozesscharakter zu vermitteln. Es ist absolut wichtig, diese Phasen bei den Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen.