Frauen aus ländlichen Gebieten Australiens müssen zur Geburt weite Wege bis zum nächsten Krankenhaus auf sich nehmen. Manche entscheiden sich für »Freebirthing«. Foto: © Peggy Seehafer

In Australien entscheidet sich eine kleine, aber zunehmende Anzahl von Schwangeren für »Freebirthing«. Dabei gebären die Frauen zu Hause mit Unterstützung von nicht zugelassenen, aber mehr oder weniger gut ausgebildeten Geburtsbegleiterinnen. Eine Studie sucht nach den Gründen.

Das Gesundheitssystem in Australien ist das interventionsreichste der Welt. Es sieht eine überwiegend ärztliche Versorgung in Krankenhäusern vor. Auch die Geburtshilfe ist sehr medizinisch ausgelegt. Zwar leiten Hebammen die Geburten in den Krankenhäusern, aber unter ärztlicher Verantwortung. Lediglich 0,4 Prozent aller Frauen gebären mit einer Hebamme zu Hause.

Frauen aus den ländlichen Gebieten müssen weite Wege bis zum nächsten Krankenhaus auf sich nehmen. Innerhalb einer Großstadt ist das nächste Krankenhaus in 10 bis 30 Minuten erreichbar, aber auf dem Land dauert es durchschnittlich 60 Minuten bis zur nächsten geburtshilflichen Abteilung. Die Entfernung der Geburtsbegleiterinnen zu den Frauen wird mit 120 bis 240 Minuten angegeben.

Amtlich zugelassene Hebammen

2015 waren in Australien 28.211 Hebammen registriert, von denen nur 241 Hausgeburtshilfe angeboten haben. Ohne amtliche Zulassung darf eine Hebamme nicht arbeiten.

Die außerklinische Geburtshilfe wird gesellschaftlich, politisch und medial nicht unterstützt. Wenn freiberufliche Hebammen (Private Practising Midwifes, PPM) dennoch Hausgeburten anbieten, müssen sie im Schadensfall mit ihrem Privatvermögen haften. Eine hausgeburtserfahrene Hebamme hat bereits 2010 eine Studie initiiert den »Improving Maternity Services Report« – kurz IMSR-Studie genannt. Diese hat ergeben, dass die australische Versorgung in der Geburtshilfe längst nicht die Bedürfnisse der werdenden Mütter abdeckt. Über 60 Prozent aller Befragten wünschen sich demnach einen besseren Zugang zu Hausgeburten und außerklinischer Geburtshilfe. Als Gründe für diesen Missstand wurden vor allem die vielen und strengen Standards und Leitlinien genannt, die Reformen in der Geburtshilfe und die Veränderungen im Versicherungswesen. 2001 war die Haftpflichtversicherung für Hebammen weggefallen. Die Hebammen, die dennoch legal außerklinische Geburten anbieten, fordern einen entsprechend hohen Preis dafür: Eine Hausgeburt kostet rund 4.000 Australische Dollars, umgerechnet etwa 2.700 Euro. Das müssen die Frauen und Paare privat bezahlen, was einen weiteren Faktor für die schwere Zugänglichkeit für Hausgeburten darstellt.

Nicht zugelassene Geburtsbegleiterinnen

Was tun also die Frauen, die sich in der medizinischen Welt der Geburtshilfe nicht zu Hause fühlen und keine Option auf eine Hausgeburt haben? Um sie zu versorgen, hat sich in Australien der Zweig der sogenannten Unregulated Birth Workers entwickelt, kurz: UBW. Diese GeburtsbegleiterInnen sind überwiegend Frauen. Es können Hebammen sein, die aus verschiedenen Gründen keine amtliche Zulassung haben oder deren im Ausland absolvierte Ausbildung inklusive Berufserfahrung zwischen sechs und 30 Jahren in Australien nicht anerkannt wird, weiterhin Laien-Hebammen oder Geburtsvorbereiterinnen.

Auch die UBWs werden privat bezahlt, allerdings liegt der verhandelbare Preis deutlich unter dem Satz der PPMs: Sie nehmen 200 bis 3.000 Australische Dollars, umgerechnet 130 bis 2.000 Euro für eine Hausgeburt. Sie werden über Mundpropaganda oder entsprechende Internetseiten kontaktiert.

UBWs stellen ihre Dienste und Leistungen während der Schwangerschaft und zur Geburt zur Verfügung. Eine Wochenbettbetreuung, wie wir sie aus Deutschland kennen, gibt es in Australien nicht. Anders als bei den privat praktizierenden Hebammen, unterliegen die Dienste der nicht zugelassenen UBWs keiner Regulierung und sind nicht durch Leitlinien eingeschränkt. Es ist auch keine Zulassung als Hebamme erforderlich, geschweige denn eine spezielle Ausbildung.

Wichtig für die Arbeit als UBWs sind lediglich geburtshilfliche Kenntnisse. So können beispielsweise auch Hebammen im Ruhestand oder Frauen als UBW tätig sein, die eine Hebammenausbildung begonnen, aber nicht beendet haben. Alle UBWs der IMSR-Studie von 2010 haben selbst ihre Kinder zu Hause ohne Hebammenhilfe geboren.

Vier Gründe für Freebirthing

Für werdende Eltern und UBWs in Australien sind laut Studie vier zentrale Gründe ausschlaggebend, um sich für eine außerklinische Geburt zu entscheiden:

  1. Sie empfinden das aktuelle System im Krankenhaus als traumatisierend. Die Gebärenden nehmen vor allem die während der Geburt gefallenen Worte von Hebammen und Ärzten als traumatisierend wahr. Sie berichten von einer entmachtenden, respektlosen Betreuung durch das Personal im Krankenhaus, von Zurechtweisungen, Schikane, Herumkommandierung und dem Zwang zu Interventionen.
  2. Das Versorgungssystem ist zu unflexibel. Die Frauen bemängeln den Zugang zur außerklinischen, hebammengeleiteten Geburtshilfe als überaus schwierig, weil Hebammen nicht verfügbar oder zu teuer sind, nicht die Einstellung der Gebärenden teilen oder Frauen mit Risikofaktoren, wie etwa Zustand nach Fehlgeburt in der zwölften Woche, aus Angst vor Meldungen beim Gesundheitsamt von Anfang an ausschließen.
  3. Eltern und vor allem werdende Mütter möchten mit Liebe und Respekt behandelt werden. Sie möchten keine Geburtshilfe vom Fließband erfahren, die von Richt- und Leitlinien geprägt ist. Sie erwarten eine Orientierung an den Gebärenden und deren Bedürfnissen.
  4. Sie wollen das Beste aus beiden Welten. Die Schwangeren suchen nach einem Weg, um die Vorteile einer Geburt im Krankenhaus mit ihren eigenen Wünschen und der vertrauten, häuslichen Umgebung zu kombinieren. Sie möchten sich selbst über den Geburtsprozess informieren, ihre eigene Geburtskraft stärken und Vertrauen in sich selbst entwickeln. Gleichzeitig brauchen sie aber auch ein Sicherheitsnetz im Rücken, für den Fall, dass beispielsweise eine Verlegung in ein Krankenhaus notwendig ist.

Staatliche Aufsicht

Das staatliche Gesundheitssystem sieht diese Entwicklung sehr kritisch. Der Bundesstaat South Australia hat bereits ein Gesetz erlassen, das es fachkundigen Personen verbietet, als UBW Geburten zu begleiten, ohne dass eine zugelassene Hebamme, ein Arzt oder eine Ärztin zugegen ist. Die Strafen für Nichteinhaltung reichen von Geldstrafen bis zur Inhaftierung. Anlass für das Gesetz ist eine ausgebildete Hebamme, die im Zusammenhang mit drei bei Hausgeburten verstorbenen Kindern stehen soll. Dieser Fall hat medial derartige Wellen geschlagen, dass andere Bundesstaaten mittlerweile ebenfalls über die Einführung eines entsprechenden Gesetzes nachdenken.

Resümee

Diese kleine, auf wenigen Interviews beruhende Studie kommt zum Schluss, dass sich die Situation unter den gegebenen Umständen nur noch weiter verschlechtern werde. Der Lösungsansatz müsse unter anderem eine empathischere Geburtshilfe in den Kliniken sein. Frauen wollten sich nicht nur medizinisch gut aufgehoben, sondern auch emotional aufgefangen und verstanden fühlen. Außerdem müsse die administrative Überregulierung der Zulassung von Hebammen durch die zuständigen Gesundheitsbehörden abgebaut und der Zugang zur außerklinischen Geburtshilfe vereinfacht werden. Dann könnten mehr zugelassene Hebammen ihre Dienste auch im Haus der Gebärenden anbieten.

Zitiervorlage
Ludwig S: Hausgeburten in Australien: Ohne Hebamme, aber nicht allein. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2017. 69 (9): 30–31
Literatur
Rigg EC et al.: Why do women choose an unregulated birth worker to birth at home in Australia: a qualitative study.BMC Pregnancy and Childbirth. (17): 99. 2017
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