Foto: © Katja Baumgarten

In Deutschland sind die Fortbildungspflichten für Hebammen in den Berufsordnungen der Bundesländer recht unterschiedlich geregelt. Ist das sinnvoll? Wohin geht die Entwicklung?

„Warum sorgt der Deutsche Hebammenverband nicht dafür, dass die Fortbildungspflicht für Hebammen in Deutschland einheitlich geregelt wird?“ Diese Frage wurde mir während meiner Sprechstunde als Bundesfortbildungsbeauftragte des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) auf der Bundesdelegiertentagung von einer Kollegin gestellt. Dafür würde ich sofort sorgen, wenn es möglich wäre. Die Bundesrepublik Deutschland ist aber föderalistisch. Für die Berufsordnungen der Hebammen sind die Bundesländer zuständig und da wir 16 Bundesländer haben, gibt es 16 verschiedene Berufsordnungen. Leider hat der DHV auf die Gesetzgebung der Bundesländer keinerlei Einfluss. Wenn man Glück hat, wird bei der Verabschiedung neuer Berufsordnungen durch die Landesparlamente der Vorstand des Landesverbandes mit einbezogen.

Der Hebammenberuf ist ein alter, nicht ärztlicher Heilberuf mit einer großen Verantwortung für Mutter und Kind. Bei jeder Geburt in der Bundesrepublik Deutschland muss zwingend eine Hebamme oder ein Einbindungspfleger hinzugezogen werden (BGBI.I S.512; 27. April 1993 §4 Abs. 1).

Das Hebammengesetz definiert die Tätigkeiten einer Hebamme (BGBI.I S.512; 27. April 1993 § 4 Abs. 2): Die Hebamme kann eine gesunde Schwangere während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit selbstständig und eigenverantwortlich betreuen und begleiten. Eine ihrer wichtigsten Aufgabe ist es, Pathologien frühzeitig zu erkennen und im Falle eines von der Norm abweichenden Verlaufes rechtzeitig anderes Fachpersonal hinzuzuziehen. Letzteres regeln die Berufsordnungen der Länder. Aus der hohen Verantwortung in diesem Beruf resultiert eine Verpflichtung zur Fortbildung.

Vorgaben zur Fortbildungspflicht

In der Berufsanerkennungsrichtlinie der Europäischen Union heißt es: „Die Ausbildung von Hebammen gewährleistet durch berufliche und allgemeine Weiterbildung im Einklang mit den spezifischen Verfahren der einzelnen Mitgliedsstaaten, dass Personen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, mit der beruflichen Entwicklung so weit Schritt halten, wie dies für eine sichere und effiziente berufliche Leistung erforderlich ist“ (EU-Richtlinie 2005/36/EG unter Artikel 22, Buchstabe b).

Da Bildung in Deutschland Ländersache ist, wird auch die Fortbildungspflicht der Hebammen in den einzelnen Bundesländern im jeweiligen Landesrecht über Berufsordnungen geregelt. Das heißt, für die rund 20.000 Hebammen in Deutschland kommen 16 verschiedene Fortbildungsregelungen zum Einsatz.

Außerdem werden im Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach 134a SGB V § 7 Abs. 1 Maßnahmen zur Qualitätssicherung geregelt: Die Hebamme ist gemäß der jeweiligen Berufsordnung der Hebammen verpflichtet, an Qualitätsmaßnahmen und an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. (Horschitz/Selow 2007 S.167)

Erhöhte Anforderungen

Es war bis Anfang der 1970er Jahre für Hebammen üblich, nach ihrem Hebammenexamen an einem Krankenhaus meist in der Nähe ihrer Heimatgemeinde bis zum Rentenalter – oder zumindest bis zum Eintritt in die Familienphase – im Kreißsaal zu arbeiten oder in einer Gemeinde als niedergelassene Hebamme die Frauen zu betreuen. Niedergelassene Hebammen waren gesetzlich verpflichtet, sich alle fünf Jahre an einer Hebammenlehranstalt fortzubilden, um ihre Niederlassungserlaubnis zu behalten (Martius 1979: 520). Das Leben ist mobiler geworden, Wohnorte, Arbeitsplätze, selbst Berufe werden schneller und öfter gewechselt. Umwelt, Technik und Medizin entwickeln sich so rasant, dass das einmal in der Ausbildung erworbene Wissen nicht mehr für ein ganzes Leben ausreicht. Auch die Hebammen befinden sich in der Zeit des Überganges vom industriellen zum digitalen Zeitalter. Das Prinzip des lebenslangen Lernens muss auch im Arbeitsleben einer Hebamme berücksichtigt werden. Lebenslanges Lernen umfasst alles formale, nichtformale und informelle Lernen an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis einschließlich der Phase des Ruhestands. (Bund-Länder-Kommission 2004: 13)

Die Hebamme muss als Berufsanfängerin, als Erwachsene und als ältere Hebamme immer wieder hebammenspezifische, aber auch andere nicht direkt mit der medizinischen Ausrichtung des Berufes zusammenhängende Dinge lernen, zum Beispiel den Umgang mit Computern, betriebswirtschaftliche Fertigkeiten, Fremdsprachen und vieles andere mehr. „Mit der Erweiterung der Arbeitsschwerpunkte von der Klinik auf die freie Praxis haben sich die Anforderungen an die Kompetenzen der Hebammen erhöht. Insbesondere sind sozialkommunikative und personale Fähigkeiten erforderlich, um die vielschichtigen Beratungsaufgaben zu bewältigen. Gleichzeitig müssen die Hebammen die medizinischen Entwicklungen verfolgen, ihr Handeln reflektieren und an aktuellen Forschungsergebnissen ausrichten“ (Groß et al. 2008: 12).

Fortbildungsstunden oder -punkte

Wie in der Tabelle zum Vergleich der Berufsordnungen der Bundesländer ersichtlich, stammen die ältesten Berufsordnungen aus dem Jahr 1992. Sie sind also 20 Jahre alt.

Die Musterberufsordnung wurde vom DHV auf Anforderung einer länderoffenen AG der Landesgesundheitsminister erstellt, Die Musterberufsordnung des  DHV empfiehlt eine Fortbildungspflicht von 60 Stunden in drei Jahren. Eine Fortbildungsstunde entspricht 45 Minuten. Einige Bundesländer geben davon abweichende Empfehlungen. Dazu zählen Berlin (45 Stunden in drei Jahren) und Sachsen-Anhalt (30 Stunden in drei Jahren), Bayern (40 Stunden in drei Jahren) und Brandenburg (30 Stunden in drei Jahren). In Hamburg, Niedersachsen und Thüringen empfehlen die Hebammenlandesverbände 40 Fortbildungsstunden oder -punkte in zwei Jahren. Fortbildungspunkte entsprechen den Fortbildungsstunden, also 45 Minuten pro Fortbildungspunkt. 40 Fortbildungsstunden in zwei Jahren entsprechen im Prinzip der DHV-Empfehlung und den in den Ländern Hessen und Nordrhein-Westfalen (NRW) gesetzlich festgelegten 60 Fortbildungsstunden in drei Jahren, nur der mögliche Überprüfungs- beziehungsweise Nachweiszeitraum ist um ein Jahr verkürzt.

Unterschiedliche Sichtweisen

Bei der Festschreibung der Fortbildungsinhalte kommt es immer wieder zu zwei verschiedenen Sichtweisen. Die eine Sichtweise ist: „Es muss Hebamme drin sein, wo Hebamme draufsteht“, das heißt eine Hebamme muss ihr Leben lang immer und überall alle Hebammentätigkeiten nach dem aktuellen „State of Arts“ ausführen können. Davon gehen zum Beispiel die Empfehlungen in Nordrhein-Westfalen aus. Dort muss jede Hebammen beispielsweise mindestens 25 Fortbildungsstunden Notfallmanagement in drei Jahren nachweisen.

Die andere Sichtweise bevorzugt die Regel, dass sich die Hebamme gut und ausreichend in den Schwerpunkten ihrer Tätigkeit fortbilden soll, wie es zum Beispiel im Gesetzestext der hessischen Berufsordnung festgelegt ist.

Die Berufsordnung vom 3. Dezember 2010 bestimmt in § 2 Abs. 5 die Fortbildungspflicht der hessischen Hebammen und Entbindungspfleger mit folgendem Wortlaut: „Als geeignete Fortbildungen nach Anlage 1 werden empfohlen:

  1. Fortbildungen, Kongresse und Tagungen, die inhaltlich das gegenwärtig ausgeübte oder angestrebte Tätigkeitsspektrum der Hebamme betreffen oder sich ändernde Rahmenbedingungen der Berufsausübung zum Gegenstand haben
  2. bei Tätigkeit in der außerklinischen Geburtshilfe: Notfälle in der Geburtshilfe einschließlich Reanimation des Neugeborenen
  3. berufliche Weiterbildungen (beispielsweise Familienhebamme, Leitungsweiterbildung)
  4. Management, Qualitätsmanagement, Risikomanagement
  5. Dokumentation
  6. Arbeitsschutz, Brandschutz und Hygiene
  7. Gesprächsführung, Beratungskompetenz
  8. Studium in einem Studiengang des Gesundheitswesens (beispielsweise Bachelor/Master of Midwifery, Pflegepädagogik, Public Health)
  9. Teilnahme an Qualitätszirkeln
  10. berufsspezifische Sprachkurse.“

In der hessischen Berufsordnung wird den Hebammen überlassen, in welchem Stundenumfang sie sich zu welchem Thema fortbilden. Nur für Hebammen, die außerklinische Geburtshilfe leisten, wird eine Fortbildung in Notfallmanagement und Reanimation festgeschrieben.

Definierte Angaben zum Inhalt der Fortbildungen, die die Hebamme besuchen soll, gibt es per Gesetz nur in Berlin und Hessen und seit 1. Januar 2013 auch in Bremen.

In Nordrhein-Westfalen (NRW) gibt es als Besonderheit eine Konsensempfehlung zwischen Hebammenlandesverband, Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes NRW e.V. Auch in Hessen ist eine Konsensempfehlung zwischen Landeshebammenverband, Regierungspräsidium und dem Sprecher der Amtsärzte auf der Grundlage der Empfehlungen aus NRW entwickelt worden. Da die hessische Gesetzgebung von der zweiten Sichtweise ausgegangen ist, das heißt die Hebamme kann sich ihre Fortbildungsinhalte nach ihrem Tätigkeitsspektrum zusammenstellen, wirft die Übernahme der Empfehlungen von NRW mehr Fragen auf, als sie zur Klärung der Fortbildungspflicht beiträgt.

Detaillierte Empfehlungen

Die Hebammenlandesverbände in Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Thüringen haben detaillierte Empfehlungen zu den Fortbildungsinhalten und -formen ausgearbeitet. In sieben Bundesländern gibt es weder von der Landesgesetzgebung noch von den Hebammenlandesverbänden Angaben zur Stundenzahl oder zum Inhalt der Fortbildungen für Hebammen. Berufsordnungen sind dort vorhanden, doch diese enthalten keine detaillierten Empfehlungen. In diesen Ländern ist die Fortbildungspflicht sehr allgemein formuliert, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Die Berufsordnung in Rheinland-Pfalz vom 14. März 1995 schreibt in § 8 vor: „Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, sich regelmäßig beruflich fortzubilden, insbesondere durch Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und durch Studium von Fachliteratur. Sie haben dem Gesundheitsamt auf Verlangen die von ihnen durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen in geeigneter Form nachzuweisen.“

Den folgenden Satz mit dem besonderen Hinweis auf die Fortbildungsveranstaltungen der Hebammenverbände und Hebammenschulen enthalten acht Berufsordnungen (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen): „Geeignete Mittel der Fortbildung sind insbesondere die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen der Hebammenschulen und der Hebammenverbände sowie das Studium der Fachliteratur.“

Im Jahre 2012 boten nur wenige Hebammenschulen Fortbildungen für ausgebildete Hebammen an. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Formulierung ein Überbleibsel aus dem Hebammengesetz von 1938 ist, in dem sich jede Hebamme mit Niederlassungserlaubnis alle fünf Jahre an einer Hebammenlehranstalt fortbilden musste. Die Niederlassungserlaubnis für freiberuflich tätige Hebammen wurde im Jahre 1985 (Horschitz & Kurtenbach 2003, Hebammengesetz S. 6f.) abgeschafft. Die Formulierung „Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen der Hebammenschulen“ blieb jedoch in den Berufsordnungen vieler Bundesländer erhalten.

Nachweispflicht

In Hamburg, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein besteht zwar eine Fortbildungspflicht, die Nachweispflicht ist jedoch nicht geregelt. In allen anderen Ländern muss die Erfüllung der Fortbildungspflicht bei der Unteren Gesundheitsbehörde – sprich den Gesundheitsämtern – nachgewiesen werden.  Die Nachweispflicht wird unterschiedlich formuliert. Der Satz „… müssen dies gegenüber dem Gesundheitsamt (in geeigneter Form) nachweisen können“ gilt in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Den Zusatz „auf Verlangen des Gesundheitsamtes “ formulieren Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz, wobei in Rheinland-Pfalz die Gesundheitsbehörde die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen anordnen kann. Dieser Zusatz in Rheinland-Pfalz ist einmalig in den deutschen Berufsordnungen.

Besondere Formulierungen und Handhabungen des Nachweises der Fortbildungspflicht gibt es in Niedersachsen (sinngemäß: die Teilnahme alle drei Jahre unaufgefordert dem Gesundheitsamt nachzuweisen) und Nordrhein-Westfalen (innerhalb von drei Jahren müssen mindestens 60 Stunden nachgewiesen werden).

Aber selbst in den Ländern, in denen die Nachweispflicht geregelt ist, gibt es sehr unterschiedliche Interpretationen bei den einzelnen Gesundheitsämtern. Nordrhein-Westfalen hat eine Konsensempfehlung zwischen Hebammenverband, Ministerium und dem Verband der Amtsärzte. Dieses Konsenspapier hat aber eben nur Empfehlungscharakter. Die endgültige Entscheidung, ob eine Fortbildung anerkannt wird oder nicht, liegt bei der Unteren Gesundheitsbehörde. In anderen Bundesländern, die keine Fortbildungsempfehlungen ausgesprochen haben, kann mit dem Bezug einer Hebammenfachzeitschrift und dem Besitz von Fachliteratur laut Gesetz die Fortbildungspflicht schon erfüllt sein.

Tabelle: Vorgaben der Länderberufsordnungen zur Fortbildungspflicht

Sanktionen bei Nichterfüllung

Nach § 1 Abs. 1 des Hebammengesetzes bedarf es einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme oder Entbindungspfleger. § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 regelt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Erlaubnis erteilt wird.

In § 2 Abs. 1 Nr. 2 heißt es: „Eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 wird erteilt, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergibt.“

§ 3 Abs. 2 räumt die Möglichkeit ein, die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme zu entziehen, wenn § 2 Abs. 1 Nr. 2 nicht mehr erfüllt ist. (Horschitz & Kurtenbach 2003: 25ff.)

Ist ein Nichtnachkommen der Fortbildungspflicht ein Verhalten, das auf eine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes hinweist?

In der Rechtsprechung ist kein Fall bekannt, in dem einer Hebamme wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht die Anerkennung als Hebamme aberkannt wurde. Horschitz und Kurtenbach schreiben dazu: „Die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes nach Abs. 1 Nr. 2 [des § 2, Anmerkung der Verfasserin] kann sich aus Charaktermängeln, aber auch aus vorwerfbarem Verhalten (insbesondere Straftaten) ergeben. … auch eine schwere Verfehlung braucht noch nicht immer ein Beweis für mangelnde Eignung oder Zuverlässigkeit zu sein.“ (Horschitz & Kurtenbacher 2003: 29)

Die Sanktionen beim Nichtnachkommen der Fortbildungspflicht in den Berufsordnungen der Länder sind wieder sehr unterschiedlich geregelt. Da es 16 Bundesländer und damit 16 Berufsordnungen für Hebammen gibt, hier nur einige exemplarische Regelungen:

Die Hessische Berufsordnung sieht keinerlei Sanktionen vor. In der Niedersächsischen Berufsordnung heißt es in § 8 Abs. 3: „Die untere Gesundheitsbehörde hat wiederholte Verstöße einer Hebamme gegen Pflichten nach Absatz 2 und § 7 der Behörde zu melden, die für die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Hebamme zuständig ist.“ Da § 7 die Fortbildungspflicht in der Niedersächsischen Berufsordnung regelt, können demnach wiederholte Verstöße mit der Rücknahme der Anerkennung als Hebamme geahndet werden. In der Rheinland-Pfälzischen Berufsordnung (§ 8) kann die untere Gesundheitsbehörde eine Fortbildung anordnen.

Probleme durch Föderalismus

Die föderalistische Regelung, dass die Berufsordnungen in jedem Bundesland anders gestaltet sind, macht es den Hebammen in der Bundesrepublik nicht leicht, ihrer Fortbildungspflicht nachzukommen. Wechselt die Hebamme ihren Wohnort in ein anderes Bundesland, muss sie teilweise völlig andere Voraussetzungen bei ihren Fortbildungen erfüllen. Zieht eine Hebamme zum Beispiel von Brandenburg (allgemeine Verpflichtung zur Fortbildung) nach Nordrhein-Westfalen (sehr genau definierte Fortbildungspflicht), muss sie eventuell in kürzester Zeit 60 Stunden genau definierte Fortbildungen nachholen. In Nordrhein-Westfalen muss eine Hebamme 25 Stunden Fach- und Methodenkompetenz, 25 Stunden Notfallmanagement und bis zu 10 Stunden freie Wahlfortbildungen nachweisen.

Dies stellt für die betroffene Hebamme neben dem logistischen Problem, wo sie geeignete Fortbildungen finden kann, auch ein finanzielles Problem dar. Hebammen haben kein hohes Einkommen. Im Mittel verdiente eine freiberufliche Hebamme 15.100 Euro im Jahr 2010, eine ganzjährig angestellte Hebamme verdiente durchschnittlich 31.000 Euro brutto (IGES Studie S.161). 20 Stunden Fortbildung im Jahr zu bezahlen, stellt eine Hebamme vor eine große finanzielle Aufgabe. Für freiberufliche Hebammen fällt neben den Kosten für die Fortbildungen auch noch der Wegfall des Einkommens für diese mindestens drei Tage ins Gewicht, da sie nicht arbeiten kann, wenn sie Fortbildungen besucht. Die angestellte Hebamme bekommt nur noch in den seltensten Fällen Arbeitsbefreiung für Fortbildungen und muss so für die Fortbildungen Freizeit- oder Urlaubstage opfern.

Mögliche Lösungen

Verkammerung

Andere Heilberufe wie ÄrztInnen sind in Kammern organisiert. Von der Bundesärztekammer gibt es eine (Muster-)Satzung, die die Fortbildungspflicht der ÄrztInnen regelt. Da aber auch Kammern dem föderalistischen System unterliegen, muss diese Mustersatzung in den Bundesländern erst in die jeweiligen Landessatzungen aufgenommen werden. Die Bundesärztekammer ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechtes, sondern ein freiwilliger Zusammenschluss der Landesärztekammern, und hat keine Weisungsbefugnis. Hier tritt wieder das Problem auf, dass jedes Land seine eigene Satzung haben kann und auch durch die Kammerbildung keine Vereinheitlichung der Fortbildungspflicht gewährleistet ist.

Ein Vorteil der Verkammerung wäre, dass alle Hebammen verpflichtet wären, der Kammer beizutreten. Kammern können in ihren Satzungen Sanktionen gegen ihre Mitglieder bei Verstößen gegen die Berufsordnung aufnehmen. So könnte der Fortbildungsverpflichtung mehr Nachdruck verliehen werden. Die Hebammen sind mit geschätzten 20.000 Kolleginnen in Deutschland eine sehr kleine Berufsgruppe, die sich im Falle einer Verkammerung auf Landesebene mit dem großen gesetzlich festgelegten Verwaltungsaufwand in einigen Ländern sehr schwer tun würde, eine eigene Kammer aufrecht zu erhalten. Das Land Bremen hat zum Beispiel nur etwa 200 Hebammen.

Beispiel Niedersachsen: circa 20 Euro pro Hebamme

In Niedersachen gibt es seit dem Wegfall der Niederlassungserlaubnis im Jahr 1985 vom Landesamt für Soziales, Jugend und Familie einen Zuschuss von bis zu 40.000 Euro für Fortbildungen, die der Niedersächsische Hebammenlandesverband organisiert, die sogenannten Landesfortbildungen (LaFo). Dieser Zuschuss muss der Niedersächsische Hebammenlandesverband in jedem Jahr neu beantragen. Das Landesamt entscheidet jedes Jahr neu über den Antrag, es gibt keinen gesetzlichen Anspruch. Eine finanzielle Unterstützung der Hebammen für ihre Fortbildungen in allen Ländern wäre eine brauchbare Lösung. Das Budget von 40.000 Euro für etwa 2.000 Hebammen des Landesverbandes Niedersachsen, also 20 Euro pro Hebamme, wäre sicher für jedes Bundesland machbar.

Bessere Bezahlung der Hebammen

Eine andere Lösung wäre, die Hebammen endlich so gut zu entlohnen, dass sie sich die vorgeschriebenen Fortbildungsstunden leisten können. Ohne genauere Regelung der Fortbildungspflicht per Gesetz würden bei dieser Lösung trotzdem nicht alle Hebammen die nötigen Fortbildungen belegen

Einheitliche Regelungen – welcher Standard?

Nordrhein-Westfalen hat die am genauesten definierte Fortbildungspflicht in Deutschland und die längste Erfahrung (definierte Fortbildungspflicht seit 2005). Anfangsschwierigkeiten in der Definition oder im Anerkennungsprozedere würden wegfallen. Das Konsenspapier zwischen dem Landesverband der Hebammen NRW e.V., dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes NRW e.V. und dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes über die Definition der Fortbildungspflicht ist sehr ausführlich. Es hat aber für die ausführende Untere Gesundheitsbehörde nur Empfehlungscharakter. Jeder Amtsarzt kann eine Fortbildung, die eine Hebamme absolviert hat, anerkennen oder ablehnen. Das macht die praktizierende Hebamme vom Wohlwollen oder den persönlichen Interpretationen des Amtsarztes vor Ort abhängig, was manchmal zu großen Ungerechtigkeiten führt.

In Sachsen gibt es die kürzeste und am wenigsten definierte Fortbildungspflicht: Laut § 8 sind Hebammen verpflichtet, sich beruflich fortzubilden. Sie haben in dem Umfang von Fortbildungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, wie dies zur Erhaltung und Entwicklung der zur Berufsausübung notwendigen Fachkenntnisse nötig ist.

Der Vorteil dieses Paragrafen ist, dass jede Hebamme nach ihren eigen Bedürfnissen und ihren finanziellen Mitteln die Fortbildungen so zusammenstellen kann, wie es für sie passt. Der Nachteil einer so allgemeinen Empfehlung besteht darin, dass einige Hebammen ihrer Fortbildungspflicht eventuell nicht nachkämen.

Blick in die Zukunft

Eine einheitliche gesetzlicher Regelung der Fortbildungspflicht für Hebammen wäre wünschenswert, ist aber aufgrund des föderalistischen Systems in Deutschland zurzeit nicht in Sicht.

Die Überführung der Hebammenleistungen ins Sozialgesetzbuch V (SGB V) bietet keine Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung der Fortbildungspflicht, da Sozialgesetzbücher die Ansprüche der Bevölkerung an Versorgung definieren und nicht den Bedarf einzelner Berufsgruppen (SGB V § 1). Allerdings wird mit dem Einzug der Hebammenleistungen ins SGB V eine Verpflichtung einer jeden Hebamme zum Qualitätsmanagement nach sich ziehen. Dies bedeutet, eine stetige Verbesserung anzustreben und damit auch Fortbildungen zu planen. So könnte die Überführung ins SGB V letztlich doch eine Chance zur Vereinheitlichung der Fortbildungspflicht oder wenigstens der Fortbildungsempfehlungen bergen. Möglicherweise werden die Fortbildungsanforderungen an Hebammen an anderer Stelle geregelt, zum Beispiel bei der Haftpflichtversicherung. Es ist durchaus denkbar, dass zum Beispiel eine Hebamme, die in der außerklinischen Geburtshilfe tätig ist, von dem Haftpflichtversicherer verpflichtet wird, sich eine gewisse Anzahl von Stunden in Notfallmanagement fortzubilden, um überhaupt der Haftpflichtversicherung beitreten zu können.

Die Krankenkassen könnten bei den Verhandlungen mit den Hebammenverbänden auf die Idee kommen, ihre Vergütung an Bedingungen zu knüpfen. Sie könnten im Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe Fortbildungen von Hebammen fordern, die bestimmte Leistungen abrechnen wollen.

Die Entwicklung der Fortbildungslandschaft für Hebammen in Deutschland weiter zu beobachten, bleibt spannend. In einigen Bundesländern werden zurzeit die Berufsordnungen für Hebammen geändert und die Fortbildungspflicht neu definiert.

Die Fortbildungslandschaft in Deutschland wird sich in Zukunft eher durch nichtgesetzliche Vorschriften, wie Verträge mit den Krankenkassen oder Haftpflichtversicherern, verändern, da diese Verträge in viel kürzeren Abständen verhandelt werden als Gesetze und Berufsordnungen.

Nachgefragt

Dr. Angelica Ensel: Könnte es nicht eine freiwillige Selbstverpflichtung aller Landesverbände zur Fortbildung geben, mit der sie beschließen, dass sie einheitliche Empfehlungen geben?

Ute Petrus: Das können wir tun. Doch dies hat für den Gesetzgeber keine Konsequenzen – nicht einmal eine moralische Verpflichtung entsteht daraus. Und wir sind uns auch nicht einig. Einige Landesverbände empfinden 60 Stunden in drei Jahren als eine zu große Herausforderung für die Kolleginnen.

Wie können Hebammen mitwirken an den Inhalten der Angebote für Fortbildungen?

Fortbildungen werden nicht nur vom Deutschen Hebammenverband (DHV), sondern auch von den Landesverbänden angeboten. Die Fortbildungsangebote des DHV entstehen beispielsweise oft aus politischen oder gesetzlichen Anforderungen. Die Fortbildung im Qualitätsmanagement entstand beispielsweise aus den Anforderungen des fünften Sozialgesetzbuches, die Praxisanleiterinnenfortbildung für Hebammen aus der Öffnungsklausel (Möglichkeit primär qualifizierender Studiengänge) in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Auch Anforderungen und Wünsche, die von Hebammen an mich herangetragen werden, wie Wiedereinstieg in die Hebammenarbeit für Kolleginnen, die länger aus dem Beruf ausgeschieden waren, erfülle ich gerne.

Kommen die Impulse auch aus der Politik?

Politische Impulse, die in unseren politischen Gremien gesetzt werden, beispielsweise verstärkte Fortbildung der Kolleginnen in Betreuung in der frühen Schwangerschaft, um die Schwangerenvorsorge weniger risikozentriert zu gestalten, sind in Planung. Es gibt auf verschiedene Hebammengruppen zugeschnittene Fortbildungen, wie Hebammenlehrerinnen, leitende Hebammen, angestellte Hebammen, Beleghebammen, Geburtshaushebammen … Wenn eine Kollegin eine gute Idee hat, kann sie sich jederzeit direkt an mich wenden.

Zitiervorlage
Petrus U: Fortbildungen sind Ländersache. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2013. 65 (3): 24–29
Literatur
Albrecht, M. et al.: IGES Studie. Versorgungs- und Vergütungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe. Ergebnisbericht (2012)

Bund-Länder-Kommission: Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland Heft 115. www.blk-bonn.de/papers/heft115.pdf (2004)

Bürgerliches Gesetzbuch: www.gesetze-im-internet.de/bgb/EU-Richtlinie 2005/36/EG

Gabler Wirtschaftslexikon: Stichwort: Körperschaft des öffentlichen Rechts, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/2935/koerperschaft-des-oeffentlichen-rechts-v5.html

Groß, M.; Barre, F.; Stenz, G.: Fortbildungspflicht der Hebammen. Evaluation der Umsetzung in NRW und konzeptionelle Empfehlung im Auftrag des Ministeriums Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (2008)

Hebammenberufsordnungen und Empfehlungen dazu: www.hebammenverband.de/index.php?id=2161

Horschitz, H.; Kurtenbach, H.: Hebammengesetz. Elwin Staude Verlag. 3. Auflage. Hannover (2003)

Horschitz, H.; Selow, M.: Hebammengebührenrecht. Mabuse Verlag. Frankfurt/Main ( 2007)

Martius, G.: Hebammenlehrbuch. 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. (1971)

Muster-Satzungsregelung Fortbildung und Fortbildungszertifikat Beschlussprotokoll des 107. Deutschen Ärztetages vom 18.-21. Mai in Bremen (2004)

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477

https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png