Wenn ich in meinen Fortbildungen nicht ständig mit Kolleginnen aller Altersstufen und Regionen zu tun hätte, würde ich nicht glauben, wie lange sich manche – sagen wir mal »diskussionswürdigen« – Sprüche im Kreißsaal halten, egal von welcher Berufsgruppe … Leider zeugen sie oft auch von Praktiken, die schon lange nicht mehr als Routine gelten sollten. Aber dann verstehe ich auch wieder besser, warum es vielerorts so schwer ist, die moderne evidenzbasierte und frauenzentrierte Geburtshilfe zu etablieren, die die S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin empfiehlt.
Eine junge Kollegin erzählte neulich, dass sie öfter angemault würde, wenn sich am Morgen Frauen mit langsamen Geburten immer noch im Kreißsaal befänden, ohne geboren zu haben. »Blase auf, Oxy dran – dann wäre das Kind schon längst da!«
Nun gibt es berechtigte Gründe, lange Geburten gut im Blick zu haben – vor allem, wenn besondere Risiken vorliegen. Gerade in der Austrittsphase sinkt mit jeder Stunde die Chance auf eine vaginale Geburt – allerdings nur um einen sehr geringen Prozentsatz. Und trotz klarer Definitionen der wissenschaftlich fundierten Leitlinie fürchten immer noch einige, dass sie verklagt werden könnten, wenn sie nicht intervenieren, bis der Arzt kommt.
Oft sind es dann aber eher praktische, nicht selten sogar egoistische Gründe, die zu Interventionen wie einer Beschleunigung der Geburt führen. Woran besagte junge Kollegin das merkte? An dem Nachsatz: »Hattest wohl keine Lust zu arbeiten?«
Geht’s noch?