Eines der Werke, die VALIE EXPORT zu einer heute gefeierten Künstlerin machten, war das »Geburtenbett«: 1980 präsentierte sich damit der österreichische Pavillon auf der internationalen Kunstausstellung »Biennale di Venezia«, dann wurde es im berühmten mumok (Museum moderner Kunst, Stiftung Ludwig, Wien) für einige Zeit aufgebaut und später immer wieder in Ausstellungen gezeigt. So war es unlängst in London in einer Filiale der österreichischen Galerie von Thaddaeus Ropac zu sehen, der die 1940 in Linz geborene Künstlerin vertritt.
Das »Geburtenbett« erzeugt Unwohlsein. Man sträubt sich, länger hinzuschauen, findet es zu radikal, bar jeder Realität (siehe Seite 84). Rein schematisch betrachtet, stimmt jedoch zumindest die Grundform. Das Gebilde aus einer Eisenplatte, einem abgeschrägten Podest und dem matratzenartigen Keil für den Oberkörper wirkt tatsächlich wie ein Modell für ein Gebärbett. Es hat auch den Charme solcher Betten, zumindest von denen aus den 1970er Jahren. Und die von der Künstlerin höchst ungemütlich und brutal darauf applizierte untere Hälfte einer Frau mit gespreizten aufgestellten Beinen sowie die roten Neonröhren, die sich wie geronnene Blutrinnsale zu beiden Seiten des Fußendes ausbreiten und »heruntertropfen«, versinnbildlichen das, was viele Frauen während ihrer Geburt erleben mussten: Schmerzen, Ausgeliefertsein, Kälte, Spaltung des Körpers in ihrem subjektiven Erleben.
Radikal thematisiert wird der Verlust physischer und psychischer Integrität, der auf makabre Weise auch noch den Segen der Kirche erhält: Ein Video ist am Gebärbett angebracht, das die Wandlung während der Heiligen Messe zeigt, bei der Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt werden. »Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären«, heißt es in der Bibel. Eine andere Sequenz der raumgreifenden Geburts-Installation dreht sich um Gentechnik.
Ein weiterer Monitor zeigt den Film »… Remote … Remote« von 1973. »Remote« bedeutet kontaktfrei oder auch Fernbedienung. Gefilmt ist die Künstlerin selbst vor einem Polizeifoto, das zwei von ihren Eltern missbrauchte, sich an den Händen haltende Kinder im Heim zeigt. Die Künstlerin schneidet sich – tatsächlich – mit einem Teppichmesser in das Nagelbett ihrer eigenen Finger und taucht sie danach blutend in eine Schüssel mit Milch. Sie sagt dazu: »Neben der starken Symbolhaftigkeit der beiden Flüssigkeiten – Blut als Resultat von Verletzung, Milch als wichtiger, durch die Mutter abgegebener Nährstoff für ein neues Leben, für eine anscheinend immerwährende Intimität, immerwährende Körperwärme – zeigt der Film, dass es eine unbewusste, seelische Komponente von Zeit gibt, die nach meiner Ansicht gegenüber der als real empfundenen, also bewusst wahrgenommenen Zeit, in Form von Ängsten, Schuldgefühlen oder Deformierungen immer überwiegt.« Der Kunsthistoriker Otto Zybok fasst zusammen, dass der Film den Versuch unternehme, die Gespaltenheit des Körpers im Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit gleichermaßen darzustellen (Zybok 2018).