In einer Notsituation rechtzeitig einen Kaiserschnitt durchführen zu können, ist ein Qualitätsmerkmal der Geburtshilfe in Europa. Foto: © Esther Mauersberger

Der European Perinatal Health Report (EPHR) vergleicht Daten rund um die Gesundheit von Müttern und Kindern in Europa. Nach der perinatalen Gesundheit von Neugeborenen geht es im zweiten Teil des Beitrags um die Mütter: Ihre Morbidität und Mortalität in der Schwangerschaft, bei Geburten und im Wochenbett ist in Europa ungleich verteilt, wird aber auch unterschiedlich gezählt.

Die Müttersterblichkeit ist ein zentrales Merkmal für die Qualität der gesundheitlichen Versorgung. Es geht dabei um Todesfälle von Frauen in der Zeitspanne zwischen Eintreten der Schwangerschaft und 42 Tagen nach der Geburt, unabhängig von der Dauer oder dem Sitz der Schwangerschaft. Es wird zwischen direkten und indirekten Müttersterbefällen unterschieden: Direkte Sterbefälle treten als Folge von Komplikationen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett oder als Folge von Eingriffen, Unterlassungen oder unsachgemäßer Behandlung auf. Indirekte Sterbefälle gehen auf eine bereits bestehende Vorerkrankung zurück oder auf eine Erkrankung, die sich während der Schwangerschaft entwickelt hat, die nicht ursächlich durch sie bedingt, aber dennoch begünstigt wurde. Mit Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett in Zusammenhang stehende Todesfälle, die später als 42 Tage nach dem Ende der Schwangerschaft eintreten, werden als späte Müttersterbefälle bezeichnet (Welsch et al. 2016).

Insgesamt lässt sich die Müttersterblichkeit in den Euro-Peristat-Teilnehmerländern schwer vergleichen, weil die Qualität der Daten mangelhaft oder unterschiedlich sind (siehe Kasten).

Derzeit erfassen nur wenige dieser Länder Müttersterbefälle in aussagekräftiger Form. Zu nennen sind hier insbesondere Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Italien, bis zu einem gewissen Grad auch die skandinavischen Länder sowie Tschechien (für die stationären Müttersterbefälle). In den meisten anderen Ländern ist aufgrund der Art der Erfassung davon auszugehen, dass ein erheblicher Anteil der Müttersterbefälle nicht in die amtlichen Statistiken eingeht. Die Müttersterblichkeit wird dadurch deutlich unterschätzt. Auch Deutschland gehört zu den Ländern, in denen Müttersterbefälle nur unzureichend erfasst werden (Baumgarten 2018).

Ein weiteres Problem für die Berechnung ist die Tatsache, dass Müttersterbefälle (glücklicherweise!) nur noch sehr selten vorkommen. Kleine Fallzahlen sind für statistische Berechnungen immer ein gewisses Problem. Daher wurden für den EPHR die Daten der Jahre 2011 bis 2015 zusammengefasst. Für kleinere Länder werden aber trotzdem keine ausreichend hohen Zahlen erreicht, um belastbare Werte berechnen zu können.

Betrachtet man nur die drei Viertel der Länder mit den meisten Geburten in Europa, reicht die absolute Zahl der Müttersterbefälle von 8 in Finnland (entsprechend einer Rate von 2,7 pro 100.000 Lebendgeburten) bis 264 in Frankreich (umgerechnet 6,4 pro 100.000 Lebendgeburten). Die Raten liegen zwischen 1,9 pro 100.000 Lebendgeburten in Polen und 15 pro 100.000 Lebendgeburten in Rumänien. Deutschland liegt mit einer Rate von 4,2 im oberen mittleren Drittel. Die Länder, bei denen aufgrund der Erfassungssysteme davon ausgegangen werden kann, dass die meisten Müttersterbefälle zuverlässig erfasst werden, weisen Raten zwischen 5,1 und 6,4 auf.

Der European Perinatal Health Report
Im November 2018 wurde der inzwischen vierte European Perinatal Health Report (EPHR) des Projekts Euro-Peristat veröffentlicht. Darin sind Daten von über fünf Millionen Geburten aus dem Jahr 2015 eingeflossen, die in den nationalen Statistiken der 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie aus Island, Norwegen und der Schweiz registriert wurden. Der Report enthält auch Vergleiche zu den Ergebnissen von 2010. Zu den Indikatoren siehe Teil 1 in DHZ 6/2019, Seite 67ff.

Geburtsmodus: Kaiserschnitt

Der Kaiserschnitt kann für Mutter und Kind ein lebensrettender Eingriff sein. Die Möglichkeit, in einer Notsituation rechtzeitig einen Kaiserschnitt durchführen zu können, ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal geburtshilflicher Versorgung. So gehört beispielsweise in Deutschland die Zeit zwischen Entscheidung und Durchführung eines Notkaiserschnitts zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren. Die Krankenhäuser müssen sie melden und seit 2018 veröffentlichen. Wenn keine Komplikationen vorliegen, ist die vaginale Geburt jedoch mindestens genauso sicher für das Kind und birgt weniger gesundheitliche Risiken für die Mutter, so die Ergebnisse des EPHR.

Abbildung 1: Kaiserschnittraten in Europa (gesamt)
Anmerkung zu den Abbildungen: Die Stellung der Länder mit Geburtenzahlen im unteren Quartil in diesem Ranking ist mit Vorsicht zu interpretieren, da aufgrund der niedrigen Geburtenzahlen die zufallsbedingten Schwankungen in den Ergebnissen höher sind und damit eher zu (zufallsbedingt) sehr hohen oder sehr niedrigen Raten führen können.

Die Höhe der Kaiserschnittraten (und weiteren Interventionen) ist verknüpft mit der Verteilung von bestimmten demografischen und klinischen Merkmalen der Schwangeren. Dazu zählen Parität, höheres Alter, Mehrlingsschwangerschaft, regelwidrige Kindslage und Adipositas. Ebenso wurden Zusammenhänge beobachtet mit bestimmten Merkmalen des Gesundheitssystems und nicht-medizinischen Faktoren. Zum Beispiel spielt die Sorge um juristische Folgen bei Komplikationen eine Rolle, die Vergütungsstrukturen, der Wunsch der Frau nach einem Kaiserschnitt sowie die Kriterien zur klinischen Beurteilung von Risiken. Aus diesem Grund werden im EPHR nicht nur die Gesamtsectioraten der Länder verglichen, sondern auch die Raten bei verschiedenen Risikokonstellationen, wie bei Zustand nach Sectio, Parität, Mehrlinge oder Beckenendlage. Die Analysen zeigen, dass unterschiedliche Merkmale der Schwangeren nicht entscheidend für die Unterschiede im Geburtsmodus sind, sondern beispielsweise die verschiedene Beurteilung von Risiken und die daraus abgeleitete geburtshilfliche Vorgehensweise, aber auch Angst vor juristischen Konsequenzen, unterschiedliche Vergütungsstrukturen oder eine andere Organisation der geburtshilflichen Versorgung insgesamt (Anzahl und Größe der Kliniken, Belegsystem, Verlegungsinfrastruktur, Fragmentierung der Betreuung). Die zum Teil deutlichen Unterschiede können auch als ein Hinweis gewertet werden, geburtshilfliche Interventionen auf das medizinisch notwendige Maß zu beschränken.

Immer mehr Länder erheben die Daten zum Kaiserschnitt so, dass die Ergebnisse gemäß der Robson-Klassifikation aufgeschlüsselt werden können (siehe auch DHZ 8/2015, Seite 34ff.). Diese sind in Deutschland erstmals 2017 in der Bundesauswertung Geburtshilfe des IQTIG enthalten. Die Daten werden aktuell von Euro-Peristat geprüft und sollen später veröffentlicht werden.

Die Spanne der Kaiserschnittraten zwischen den Euro-Peristat-Teilnehmerländern ist mit 16,1 % bis 56,9 % enorm breit (siehe Abbildung 1). Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass die Unterschiede zwischen den Ländern im Vergleich zu 2010 zugenommen haben. Insbesondere die Raten in Finnland, Norwegen, Schweden und den Niederlanden gehören mit 16,4 % bis 18,3 % zu den niedrigsten in den Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen. Deutschland liegt mit einer Rate von 32,2 % deutlich über dem Mittelwert von 28 %.

Abbildung 2: Kaiserschnittraten bei Zustand nach Sectio

In den meisten Ländern sind die Kaiserschnittraten im Vergleich zu 2010 leicht rückläufig oder zumindest stabil, in einigen zeigen sich allerdings auch deutliche Anstiege. In Deutschland ist die Rate seit 2015 mit 32,0 % sowohl 2016 als auch 2017 im Wesentlichen unverändert (IQTIG 2018)

Ein Kaiserschnitt hat maßgeblichen Einfluss auf den Geburtsmodus bei weiteren Kindern. Obwohl mittlerweile zahlreiche Leitlinien das Anstreben einer vaginalen Geburt nach einer Sectio in der Regel als eine sichere Option einstufen, sind die Unterschiede zwischen den Ländern enorm, die hierfür Daten zur Verfügung gestellt haben. Betrachtet man wiederum vor allem die drei Viertel der Teilnehmerländer mit den höchsten Geburtenzahlen, reichen die Sectioraten bei Zustand nach Sectio von 44,6 % in den Niederlanden bis hin zu 88,6 % in Italien. Deutschland gehört mit einer Rate von 80,8 % in dieser Untergruppe zu den Ländern mit den höchsten Raten (siehe Abbildung 2).

Unvollständige Darstellung in Teil 1
Die farbliche Unterteilung nach Geburtenzahlen ist im ersten Teil des Artikels in der Grafik versehentlich nicht erfolgt. Interessierte LeserInnen können diese Information aus den Abbildungen in dieser Ausgabe entnehmen und auf die Grafik im ersten Teil übertragen. Wir bitten Sie, die unvollständige Darstellung zu entschuldigen!

Mehr Daten – mehr Kontinuität in der Erfassung

Der European Perinatal Health Report 2018 zeigt in der Gesamtschau viele positive Entwicklungen. Die Geburtshilfe in Europa kann in vielen Aspekten als Modell für eine qualitativ hochwertige Versorgung angesehen werden. Doch zeigen die zum Teil auffälligen Unterschiede zwischen den Ländern auch, dass nach wie vor Entwicklungsbedarf besteht.

Der internationale Vergleich von geburtshilflichen Indikatoren ist hilfreich, um die Versorgungsqualität in Europa weiterzuentwickeln. Der EPHR 2018 verdeutlicht die Relevanz. Er zeigt aber auch die Herausforderungen, die mit der Datenerhebung und -analyse verbunden sind, um aussagekräftige Vergleiche erstellen zu können.

Nach Ansicht der AutorInnen bilden die Euro-Peristat-Indikatoren den Minimalstandard zur perinatalen Gesundheit und Versorgung ab, gleichzeitig sind in vielen Ländern noch nicht für alle Indikatoren Daten vorhanden. Entsprechend enthält der EPHR 2018 Vergleiche zu allen zehn Core-Indikatoren, aber nur für zwei der empfohlenen Indikatoren (siehe DHZ 6/2019, Seite 68). Für Vergleiche der weiteren 18 empfohlenen Indikatoren fehlen aus vielen Ländern Zahlen, die ein breiteres Spektrum an gesundheitlichen Faktoren, Gesundheitssystemfaktoren sowie sozialen Determinanten von Gesundheit wie Bildungsstand und Herkunftsland abdecken. Während der EPHR 2018 die Ergebnisse zu zwei Zeitpunkten (2010 und 2015) vergleicht, wäre für die Beschreibung und Analyse von Trends eine kontinuierliche Erhebung erforderlich. Insbesondere – aber nicht nur – mit Blick auf Länder mit kleinen Populationen, die höhere jährliche Fluktuationen aufweisen, wäre ein jährlicher Vergleich zur Beurteilung von Entwicklungen noch aussagekräftiger.

Ausblick

Ziel aktueller Initiativen zur Analyse der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung sollte es sein, die Datenerhebung, -aufbereitung und -validierung für nationale Statistiken so zu entwickeln und zu finanzieren, dass noch aussagekräftigere – und im Idealfall jährliche – Vergleiche möglich werden. Denn nur so kann es gelingen, den Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit zu evaluieren. Dann könnte man zentrale Herausforderungen unserer Zeit auf europäischer Ebene wirksam angehen, wie die der Ungleichheit von Gesundheit.

Zitiervorlage
Stahl K: European Perinatal Health Report 2018, Teil 2: Mütter in Europa. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2019. 71 (7): 78–81
Links
European Perinatal Health Report – Core indicators of the health and care of pregnant women and babies in Europe in 2015: https://www.europeristat.com/images/EPHR2015_web_hyperlinked_Euro-Peristat.pdf
Literatur
siehe DZ 6/2019, Seite 72, oder abrufbar in der Redaktion: redaktion@staudeverlag.de
https://staudeverlag.de/wp-content/themes/dhz/assets/img/no-photo.png