Miriam Steinacker: »Als ich mit 19 Jahren meine Ausbildung zur Hebamme begann, dachte ich naiv, dass mir als junger Mensch wechselnde Arbeitszeiten mit Diensten zu allen Tages- und Nachtzeiten nichts anhaben könnten.« Foto: © privat

Die Achtung des eigenen Körpers und das Thema Selbstfürsorge scheinen derzeit allgegenwärtig zu sein. Ein achtsamer Umgang mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen wird von der Gesellschaft als wichtiges Element für ein gesundes Leben erachtet. Demnach erscheint es umso erstaunlicher, dass Themen, wie das gesunde Schlafverhalten, in der Hebammenausbildung kaum eine Rolle spielen. Ein gestörtes Schlafverhalten ist kein seltenes Phänomen für Personen, die im Schichtdienst tätig sind.

Internationale Studien belegen, dass 29–38 % aller Schichtarbeiter:innen weltweit unter einem gestörten Schlafverhalten leiden (Rodenbeck, 2010). Zudem verdeutlicht das Institut für Schlaf und Regeneration in einem Paper aus dem Jahr 2024, dass Schlafstörungen das Risiko auf physische und psychische Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Depressionen signifikant erhöhen (Institut für Schlaf und Regeneration, 2024).

Wer sich für ein Studium zur Hebamme entscheidet, sollte sich von Anfang an darüber im Klaren sein, dass diese Berufswahl mit Arbeitszeiten verbunden ist, die als herausfordernd empfunden werden können. Denn Schichtarbeit kann nicht nur im Studium, sondern auch noch im späteren Berufsalltag ein fester Bestandteil sein, was bedeutet, dass man nicht nur tagsüber arbeitet, sondern auch am Abend oder in der Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen. Schließlich kommen Kinder zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Welt. Es kann sein, dass die Arbeitszeiten häufig zwischen Früh-, Spät- und Nachtschichten wechseln oder man kurzfristig für einen nicht besetzten Nachtdienst einspringen muss. Hierdurch wird der Schlaf-Wach-Rhythmus erheblich beeinflusst.

Auf dem Boden der Tatsachen

Als ich mit 19 Jahren meine Ausbildung zur Hebamme begann, dachte ich naiv, dass mir als junger Mensch wechselnde Arbeitszeiten mit Diensten zu allen Tages- und Nachtzeiten nichts anhaben könnten. Ich war es schließlich gewohnt, bis in die frühen Morgenstunden auf Partys zu tanzen – wie anstrengend könnten Nachtschichten schon sein? Doch sehr schnell wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mir wurde klar, dass es etwas ganz anderes ist, Verantwortung für das Leben von Kind und Eltern zu tragen, während der eigene Biorhythmus verdreht ist.

Besonders herausfordernd empfand ich den raschen Wechsel zwischen Früh-, Spät- und Nachtschichten. Dies ließ mir kaum Zeit, mich körperlich auf eine andere Wach-Schlaf-Phase anzupassen. Zusätzlich musste ich in den verbleibenden Stunden lernen und mich auf Prüfungen vorbereiten. Bereits in den ersten Monaten der Ausbildung fühlte ich mich ausgelaugt und wurde an meine Grenzen gebracht. Es war keine Ausnahme, dass ich mich nach Nachtdiensten schlaflos im Bett hin und her wälzte. Auch der Versuch, möglichst zeitig vor einem Frühdienst einzuschlafen, endete oft in stundenlangem Wachliegen. Trotzdem verlor ich meinen Wunsch, Hebamme zu werden nicht aus den Augen – es war und ist mein Traumberuf. Das Motto »Augen zu und durch« half mir, die anstrengenden Phasen während meiner Ausbildung zu meistern und meinem Traum ein Stück näher zu kommen.

Gemeinsam Strategien finden

Dass ich jedoch mit dem Thema Schlafstörung nicht allein war, wurde mir durch den Austausch mit meinen Kommiliton:innen bewusst. Wir alle kannten diese Form der Herausforderungen und es tat gut, sich regelmäßig untereinander auszutauschen. Gemeinsam überlegten wir, welche Strategien uns helfen könnten, mit den wechselnden Schichten und Arbeitszeiten besser zurecht zu kommen.

Ich versuchte durch Atem- und Entspannungsübungen sowie Meditationen vor oder nach Diensten besser in den Schlaf zu finden. Während die Methoden einige Zeit gut für mich funktionierten, kamen auch wieder Phasen, die von schlaflosen Nächten geprägt waren.

Auffällig war, dass im Rahmen meiner Ausbildung das Thema Schlaf oder Schlafstörungen nicht thematisiert wurde. Es wurde weder aktiv angesprochen, noch wurden uns konkrete Hilfestellungen oder präventive Maßnahmen als Teil des Unterrichts vermittelt.

Warum wird das Thema aber so wenig berücksichtigt? Liegt es daran, dass man davon ausgeht, dass wir Schüler:innen – und ebenso die heutigen Studierenden – belastbar genug sind, um damit ohne weitere Unterstützung umzugehen? Oder wird das Thema als nicht so wichtig eingestuft? Wirft man einen Blick auf die Anforderungen, mit denen werdende und bereits examinierte Hebammen konfrontiert sind, ist die fehlende Thematisierung als problematisch einzustufen.

Raum für Austausch und Reflexion

Mit einem Blick auf die aktuelle Studienlage wird deutlich, dass die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Hebammen maßgeblich durch Schlafstörungen beeinflusst werden kann. Vor diesem Hintergrund ist ein Umdenken in der Gestaltung der Lehrpläne erforderlich. Schlafstörungen sind keine Randerscheinung, sondern eine weitverbreitete Belastung für Personen, die im Schichtdienst arbeiten.

Das Thema sollte in der Ausbildung oder im Studium mehr Beachtung finden. Das Aufgreifen der Thematik kann neben einer theoretischen Auseinandersetzung auch durch die Vermittlung von Strategien erfolgen, um mit den Herausforderungen besser umgehen zu können. Eine Möglichkeit wäre die Gestaltung von Unterrichtseinheiten, bei denen die Schüler:innen oder Student:innen durch erfahrende Hebammen praktische Hinweise und Unterstützung im Umgang mit einem gestörten Schlafverhalten erhalten können. Eine ehrliche und realistische Darstellung von Erfahrungen einer Hebamme im Zusammenhang mit dem Thema Schlaf könnte den Zugang dazu erleichtern. Zudem könnte die Vermittlung von präventiven Ansätzen in den Lehrplan integriert werden, die Schüler:innen oder Student:innen helfen, besser mit den Anforderungen zurecht zu kommen. Dies könnte im Rahmen von psychologischen Unterstützungsangeboten erfolgen, um die eigene Resilienz zu stärken.

Nicht zuletzt sollte Raum für Austausch und Reflexion geschaffen werden, so dass Betroffene sich gegenseitig unterstützen können.

Einige Hochschulen in Deutschland haben bereits erkannt, wie wichtig es ist, Studierende frühzeitig in ihrer Selbstfürsorge und Reflexion zu unterstützen. So bietet die Universität Leipzig seit 2024 semesterübergreifend Supervision für alle Studierenden der Hebammenkunde an.

Auch bundesweit setzen sich Expert:innen dafür ein, Supervision für Hebammen zu etablieren. Das Netzwerk »Supervision mit Hebammen« von der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching e.V. arbeitet daran, an Hochschulen entsprechende Formate zu integrieren, um Themen wie Selbstfürsorge und Konfliktbewältigung zu reflektieren. Diese Beispiele zeigen, dass ein Bewusstsein für die Notwendigkeit solcher Unterstützungsangebote wächst und dies ein Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Neben der Selbstfürsorge auf individueller Ebene bedarf es jedoch auch struktureller Maßnahmen, um den Berufsalltag von Hebammen langfristig gesünder zu gestalten. Zusätzlich muss die Diskussion um eine ausreichende Personaldecke und faire Entlohnung intensiver geführt werden, damit Hebammen entlastet werden.

Wissen als wichtige Stellschraube

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Auseinandersetzung mit einem gesunden Schlafverhalten darf nicht erst im Berufsalltag beginnen! Der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper sollte schon während der Ausbildung gefördert und gestärkt werden. Die frühzeitige Thematisierung und Prävention von Schlafstörungen können eine wichtige Stellschraube darstellen, um den Umgang mit wechselnden Arbeitszeiten für viele zu erleichtern. Schlafstörungen sollten ernst genommen werden, um sie anschließend aktiv angehen zu können.

Zitiervorlage
Steinacker, M. (2025). Resilienz in der Hebammenausbildung: Kommt der Schlaf zu kurz? Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (5), 22–23.
Literatur
Institut für Schlaf und Regeneration (2024). Die Bedeutung der Schlafgesundheit in Gesundheitsfachberufen. https://institut-schlaf.de/wp-content/uploads/2024/04/White-Paper-Die-Bedeutung-der-Schlafgesundheit-in-Gesundheitsfachberufen-3.pdf

Rodenbeck, A., & Hajak, G. (2010). Das Schichtarbeitersyndrom: Eine systematische Übersicht zu Schlafstörungen durch Schichtarbeit. Somnologie, 14(2), 105–110.

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