Die Autorin untersucht in ihrer Studie die Auswirkungen von Sex auf die Schwangerschaftsdauer. In diesem Rahmen wurden auch (werdende) Eltern zu ihren Erfahrungen befragt, die in der Schwangerschaftsvorsorge dazu beraten worden waren.
Sexualität und Nähe in der Partnerschaft stärken die Bindung, unterstützen das Wohlbefinden und die Gesundheit, insbesondere während der Schwangerschaft. Werdende Eltern wünschen sich in der Schwangerschaftsbetreuung eine angemessene Beratung über Sexualität und Intimität. Wie schwangere Frauen und ihre Partner:innen Empfehlungen zum Sexualverhalten erleben, erforschte eine qualitative Studie mittels Online-Fragebogen. Untersucht wurden Häufigkeit, Inhalte, Compliance sowie Gedanken und Gefühle werdender Eltern zur Sexualberatung in der Schwangerschaft. 2.395 Teilnehmer:innen, deren Kinder innerhalb der letzten drei Jahre geboren wurde, nahmen an der Befragung teil.
Sexualität als Ressource
Sexualität wird durch soziokulturelle Normen und gesellschaftliche Trends, aber auch durch individuelle Einstellungen und Werte beeinflusst. Im Laufe eines Lebens ändert sich der Stellenwert und die Bedeutung von Intimität und Sexualität. Lust und Freude können sowohl der Grund für sexuelle Aktivitäten sein als auch im Sinne einer Bewältigungsstrategie eine wichtige Ressource darstellen. In einer Partnerschaft sind Sicherheit und Stabilität, Verbundenheit und Nähe sowie Zärtlichkeit und Sexualität wichtige Grundpfeiler für eine zufriedenstellende Beziehung (Kollmeyer & Röder, 2021: 36f). Die Ausschüttung von Oxytocin beim Orgasmus stimuliert Gefühle der Zuneigung, Intimität und Nähe. Konsistentes gegenseitiges sexuelles Vergnügen erhöht die partnerschaftliche Bindung. Studien zeigen, dass die gegenseitige Erfüllung sexueller Wünsche die Partnerschaftszufriedenheit steigert und zur Stabilität in der Beziehung beiträgt. Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Funktionieren der Beziehung, dem Sexualverhalten und der sexuellen Zufriedenheit (Trudel, 2000, zitiert nach Whipple et al., 2007: 8f.).
Wenn Paare Eltern werden
Eine Schwangerschaft geht mit tiefgreifenden körperlichen, seelischen und sozialen Veränderungen einher, die auch zu Konflikten und Belastungen innerhalb einer Beziehung führen können (Weidner et al., 2012: 151). Zu diesen Ergebnissen kommt auch eine Längsschnittstudie, welche die bidirektionalen Zusammenhänge zwischen Beziehungsqualität und sexuellem Wohlbefinden während der Schwangerschaft bis zum ersten Lebensjahr des Kindes untersuchte (Tavares et al., 2023). Theoretische Modelle zur Bewältigung von Beziehungsbedrohungen, wie der Übergang einer Paarbeziehung in die Elternschaft, lassen vermuten, dass sexuelles Wohlbefinden für Paare in schwierigen Zeiten besonders wichtig sein kann.
Empirische Daten stützen die Annahmen, wonach Paare im Übergang zur Elternschaft mit hohem sexuellem Wohlbefinden besser mit Stress zurechtkommen. Sie berichten über größere Intimität und stärkere Bindung (Tavares et al., 2023). Paare, die während der Schwangerschaft sexuellen Genuss erleben, schätzen ihre Beziehung drei Jahre nach der Geburt glücklicher und stabiler ein (Whipple et al., 2007: 6). Sexualität und Intimität schützen als stabilisierende Faktoren vor Entfremdung innerhalb der Partnerschaft (Leeners et al., 2000: 536).
Gesundheitliche Aspekte
Zufriedenstellende Sexualität vermindert Stresserleben, Angststörungen wie auch Depressionen und ist ein starker Prädiktor für höhere Lebensqualität und Wohlbefinden (Marwick, 1999, zitiert nach Whipple et al., 2007: 7). Forschungsergebnisse zeigen, dass sexuelle Aktivitäten mit erlebtem Orgasmus schmerzlindernde und entspannende Wirkung haben, beispielsweise bei Rückenschmerzen oder Migräne (Ellison, 2000, zitiert nach Whipple et al., 2007: 6). Die Exposition von Ejakulat während der Schwangerschaft auf die mütterliche Scheidenhaut senkt das Risiko schwangerschaftsbedingten Bluthochdrucks und reduziert Stoffwechselerkrankungen wie Präeklampsie und Eklampsie (Robillard & Hulsey, 1996, zitiert nach Whipple et al., 2007: 6).
Des Weiteren zeigen Studien, dass Menschen mit einem aktiven Sexualleben mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren (Sztajzel et al., 2000, zitiert nach Whipple et al., 2007: 4). Cortisol, dessen Konzentration im Blut unter Stress ansteigt, wird durch Nähe, Intimität und Sexualität verringert. Oxytocin fördert neben der Paarbindung auch das gegenseitige Vertrauen und hat eine beruhigende, stressmindernde sowie depressionsmildernde Wirkung. Zudem hat Oxytocin einen immunsystemstärkenden Einfluss, senkt allergische Symptome und wirkt entzündungshemmend. Endorphine, die während sexueller Erregung und Nähe zusammen mit Oxytocin ausgeschüttet werden, haben einen schmerzlindernden Effekt, der zur Muskelentspannung und in der Rückkopplung zu nachhaltiger Schmerzlinderung beiträgt. Ein Orgasmus führt bei beiden Geschlechtern zur Ausschüttung von Prolaktin. In Kombination mit Oxytocin und einem reduzierten Cortisolspiegel fördert dieser Cocktail das Einschlafen wie auch den nachfolgenden Schlaf (Gianotten et al., 2021: 481–483).
Veränderungen in der Schwangerschaft
Aufgrund der veränderten hormonellen Situation in der Schwangerschaft wird die Durchblutung der Beckenorgane deutlich erhöht und das Gefäßsystem erweitert. Sexuelle Stimulationen verstärken die vorhandenen Gefäßstauungen im Beckenraum. Die Überlagerung von sexueller Erregung mit erhöhter Beckendurchblutung und Gefäßstauung intensiviert sich im Laufe der Schwangerschaft. Daraufhin ist ein Anstieg des Sexualtriebs möglich, gefolgt von einem größeren Bedürfnis nach koitaler und anderer sexueller Stimulation, begleitet von intensiven Orgasmus-Erlebnissen.
Eine weitere Besonderheit können die ödematös angeschwollenen inneren und äußeren Labien während sexueller Erregung sein sowie eine zunehmende, verstärkte Lubrikation. Gleichzeitig kann der erhöhte vertikale Gefäßdruck die Scheidenwände stärker belasten, so dass penetrierende Sexualität Schmerzen verursachen oder der Scheideneingang, wie betäubt, kaum Berührungen wahrnehmen kann. Lustlosigkeit kann die Folge sein.
Gebärmutter-Kontraktionen, die durch einen Orgasmus ausgelöst werden können, spüren einige Frauen im letzten Drittel der Schwangerschaft als lang anhaltende, klonische Anspannung im Bauchbereich (Geuens et al., 2023: 25f.). Diese Divergenzen erklären einerseits das hohe Maß an sexueller Erregbarkeit einiger Schwangerer bis zum Ende der Schwangerschaft, andererseits auch durchgehende oder temporäre Miss- und Schmerzempfindungen oder Libidoverlust.
Müdigkeit und Erschöpfung können in der Schwangerschaft nicht nur bei der werdenden Mutter, sondern auch beim Partner auftreten, was möglicherweise mit einem Absinken des Testosteronspiegels im Zusammenhang steht und zu einem verminderten sexuellen Verlangen führen kann (Geuens et al., 2023: 70). Des Weiteren können bei werdenden Vätern und Co-Müttern Unsicherheiten über sexuelle Aktivitäten bestehen. Die Haupteinflussfaktoren sind Angst vor einer Verletzung des Fetus oder der Partnerin.
Frauen sorgen sich am meisten davor, ihre:n Partner:in sexuell durch die Schwangerschaft nicht befriedigen zu können. Kommt es zu Veränderungen im Sexualverhalten aufgrund von schwangerschaftsbedingter Verunsicherung oder Unbehagen, kann Unzufriedenheit bei beiden Partner:innen die Folge sein (Khalesi et al., 2018: 227ff.).
Diese beeinträchtigenden Faktoren erhöhen die Anfälligkeit für sexuelle Bedenken sowie das Auftreten sexueller Schwierigkeiten und Dysfunktionen, die auch nach der Schwangerschaft bestehen könnten (Grussu et al., 2021).
Sexualberatung durch Hebammen
Wenn das Selbstbestimmungsrecht des Paares sowie ein respektvoller Umgang beachtet werden, fällt es ihm möglicherweise leichter, über diese Themen mit der Hebamme zu sprechen. Eine ganzheitliche Beratung berücksichtigt auch Themen wie Nähe und alternative Intimitäten, da Streicheln, Massagen und Küssen stress- und schmerzreduzierend als auch immunsystemstärkend sind. Die häufigsten Alternativen in der Paarsexualität sind Petting, Oralsex und gemeinsames Masturbieren. Folglich ist eine Beratung, welche die Vorteile von Intimität und Nähe in der Schwangerschaft veranschaulicht, sehr hilfreich, insbesondere wenn Paare unsicher sind. Sinnvoll wäre eine Beratung, an der beide Partner:innen teilhaben können, um sexuelle Bedenken gemeinsam zu beleuchten.
Wenn Paare wegen körperlicher Beschwerden weniger Sexualität miteinander teilen, Ängste oder Libidoverlust vorhanden sind oder kein:e Sexualpartner:in zur Verfügung steht, kann das Thema Masturbation angesprochen werden. Die körperlichen Vorteile sind vergleichbar mit partnerschaftlicher Sexualität.
Die Beratung kann (werdenden) Eltern helfen, im Anschluss über diese Themen leichter miteinander kommunizieren und offen ihre Bedürfnisse und Ängste äußern zu können. Eine offene Kommunikation über Sexualität führt zu mehr Partnerverständnis sowie emotionaler Nähe und beeinflusst die Gesamtzufriedenheit in Langzeitbeziehungen.
Mehr Beziehungszufriedenheit in der Schwangerschaft und Platz für Intimität und Sexualität können langfristige sexuelle Schwierigkeiten reduzieren.
Es ist wichtig, dass Hebammen den Zusammenhang zwischen sexuellen Schwierigkeiten in der Schwangerschaft und Problemen im sexuellen Miteinander nach der Geburt kennen, um sich der langfristigen Wirkung gegebener Empfehlungen bewusst zu sein.
Eine Möglichkeit, Paaren Informationen zu Sexualität in der Schwangerschaft anzubieten, ist ein informativer Flyer, der sowohl wissenschaftlich fundierte Inhalte als auch Empfehlungen für die Schwangerschaft bereitstellt. Mit dem Überreichen kann das Angebot erfolgen, für weitere Gespräche zur Verfügung zu stehen. So erhalten Eltern alle wichtigen Informationen und haben die Wahl, mit wem sie sich weitergehend darüber auszutauschen möchten.
Für mehr Sicherheit bei der Beratung sind Weiterbildungen auf dem Gebiet der Sexualität und Paarberatung empfehlenswert, um mehr Fach-, Kommunikations- und Beratungskompetenz zu erlangen.
Schwangerenberatung zu Sexualität
Gespräche und fundierte Informationen zur Unbedenklichkeit und Nützlichkeit von Intimität und Sexualität in der Partnerschaft sollten Bestandteil der Schwangerenberatung sein. Fragmentiertes Wissen in Lehrbüchern und mangelnde wissenschaftliche Grundlagen führen zu uneinheitlichen Empfehlungen (Leeners et al., 2000). So wird Paaren, die Sorgen vor einer Frühgeburt haben, geraten, Geschlechtsverkehr im eingeschränkten Maße auszuüben, weil Prostaglandine in der Samenflüssigkeit und von der Frau ausgeschüttetes Oxytocin Wehen auslösen könnten. Um am Ende der Schwangerschaft eine Überschreitung des errechneten Geburtstermins zu vermeiden, wird aus den gleichen Gründen zu mehr penetrierender Sexualität geraten. Beide Empfehlungen können Spannung und Druck in der Paarbeziehung auslösen (Leeners et al., 2002).
Vor einer Beratung zum Thema Sexualität ist es allerdings ratsam zu erkunden, ob die (werdenden) Eltern beraten werden möchten (Geuens et al., 2023: 38f). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, dass bei einer Beratung asynchrone Machtverhältnisse zwischen werdenden Eltern und ihren Geburtshelfer:innen bestehen und Fachkompetenz nicht über dem Selbstbestimmungsrecht der Eltern steht (Stiefel et al., 2020: 65). Ein Grund für den medizinisch kritischen Blick auf das Thema Sexualität in der Schwangerschaft ist die Wirkung des Hormons Prostaglandin, das in der Samenflüssigkeit enthalten ist: Es kann Wehen und damit eine zu frühe Geburt auslösen. Aus diesem Grund wird auch empfohlen, bei Frühgeburtsbestrebungen ein Kondom zu benutzen (Stiefel et al., 2020: 64, 145).
Außerdem empfehlen die Autor:innen des Lehrbuches »Das Hebammenbuch«, zum Ende der Schwangerschaft Geschlechtsverkehr und Stimulation der Brustwarzen zur Wehenförderung zu nutzen, da gleichzeitig das wehenauslösende Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird (Mändle et al., 2020: 195).
Aktuelle Studie und Befragung
Die aktuelle Studie »Sexualität und Schwangerschaft: Welchen Einfluss hat Vaginalverkehr auf die Schwangerschaftsdauer und wie erleben Paare Empfehlungen dazu« mit 2.395 Teilnehmer:innen zeigt einen signifikanten Zusammenhang (p=0,014) zwischen mehr Vaginalverkehr und seltenerer Frühgeburtlichkeit sowie keinen Zusammenhang bei Terminüberschreitungen. Die Verwendung eines Kondoms hatte keinen Effekt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass partnerschaftliche Sexualität einen protektiven Einfluss auf Frühgeburtlichkeit zu haben scheint und zur Geburtsanregung wirkungslos ist. Ein möglicher gemeinsamer Faktor, wie Gesundheitszustand oder Beziehungszufriedenheit, wurde nicht untersucht (Schulz-Ille et al., 2024: 50).
In der gleichen Studie fand eine qualitative Befragung zum Sexualverhalten und zu Erfahrungen mit der Beratung von Geburtshelfenden statt. Die Auswertung erfolgte nach dem Prinzip der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring, 1994) und beinhaltet folgende Themen:
1. Welche Bedeutung haben Intimität und Sexualität für die Teilnehmer:innen?
1.775 Teilnehmer:innen beantworteten diese Frage. Die Antworten konnten in acht Kategorien eingeteilt werden. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Antworten innerhalb der Kategorien. Die Auswertung zeigt, dass für 46 % der Teilnehmer:innen Sexualität wichtig bis sehr wichtig war und für 27 % Sexualität in der Schwangerschaft keine oder wenig Bedeutung hatte. 7 % bewerteten Sexualität weder positiv noch negativ, während für weitere 7 % Intimität wichtiger war als penetrierender Sex. Bei 5 % der Teilnehmenden wollte eine Partei Sex und die andere nicht, 4 % fühlten sich mit Sexualität nicht wohl und 3 % verzichteten auf Sexualität wegen einer Risikoschwangerschaft. 1 % bevorzugte Masturbation.
Kategorien | Exemplarische Zitate |
Gesteigerte Lust während der Schwangerschaft (37 %) | »Der Körper scheint es regelrecht zu fordern. Eine Schwangerschaft steigerte bei mir jedes Mal enorm die Libido«»Stark gesteigerte Libido in der gesamten Schwangerschaft, 1. und 2. Trimester am stärksten. Man sollte die Zeit nutzen, mit kleinem Kind kommt man nicht dazu und will es ggf. auch nicht«.»Ich empfinde den Sex als besser/intensiver.« |
Einschränkungen und Schwierigkeiten (23 %) | »Ich hatte sehr viel Lust und die Gefühle körperlich und emotional viel intensiver als vorher. Meinen Partner hat der Gedanke, dass das Baby dabei ist, die Lust gebremst.«
»Man wird durch einen Bauch und eine ständig volle Blase doch sehr behindert. :D« »Befreites Gefühl und besonders gute Orgasmen im 1. bis frühes 2. Trimester (danach Schmerzen)« »Mein Mann fand mich jeden Tag schärfer, während ich mich täglich unwohler fühlte« »Es kann zu Blutungen kommen, was aber nicht schlimm sein muss« »Man sollte nicht nur Sex zustimmen, um seinen Partner nicht zu verärgern/zu kränken etc., obwohl man eigentlich Angst hat, seinem Kind schaden zu können oder eine Frühgeburt damit auslösen zu können.« |
Sexualität ist in der Schwangerschaft kein Problem, braucht Aufmerksamkeit, kann auch verändert sein (14 %) | »Dass es weiterhin möglich [ist].«
»Sich Raum zu geben.« »Die Bedürfnisse können auch je nach Schwangerschaft variieren und jeder sollte schauen, wie und was für einen selbst gerade das Richtige ist. Die Sexualität in der Schwangerschaft war bei uns einfach anders als sonst.« »Viele Gedanken um die Schwangerschaft. Schwer abschalten können – daher kaum oder nie Orgasmen!?« |
Rückgang sexueller Aktivitäten (5 %) | »Es wurde deutlich weniger als vor der Schwangerschaft.«
»Schwierig, vor allem gedanklich für den Mann« |
Kommentare zu Empfehlungen seitens der Geburtshelfer (5 %): | »Es hat mich schon geprägt, dass mir gesagt wurde, dass Sperma eine verfrühte Geburt auslösen kann bzw. am Ende dann geburtsanregend sein kann, und wir haben schon dadurch unser Sexleben angepasst bzw. habe ich es am Ende dadurch auch gemacht, obwohl mir nicht so danach war, weil ich wollte, dass es losgeht.«
»Nichts muss, alles kann, solange man keine anderen Einschränkungen verordnet bekommen hat« »Sperma hat keine wehenfördernde Wirkung« |
Alternative Sexualpraktiken (3 %) | »Masturbation wird langweilig«
»Dass man auch einige Monate auf Vaginalsex verzichten kann und trotzdem Orgasmen haben kann.« »Vaginas waren in beiden Schwangerschaften erregender als Penisse.« »Dass meine Libido größer war und ich vermehrt masturbiert habe. Sex mit dem Riesenbauch und der zunehmenden Bewegungseinschränkung war mir einfach zu mühsam ????« |
Nach der Geburt könnte der Sex anders sein (2 %) | »Dass man ruhig vor der Entbindung noch mit seinem Partner aktiv bleiben sollte, da es lange Zeit nach der Geburt keinen Spaß mehr macht.«
»Besser in der Schwangerschaft nochmal genießen, wer weiß, wann danach wieder Zeit und Lust kommen.« |
Tabelle 1: Beispielhafte Antworten aus der Befragung zu persönlichen Erfahrungen mit Sexualität in der Schwangerschaft
Tabellen: © Susanne Schulz-Ille
2. Persönliche Erfahrungen zur Sexualität in der Schwangerschaft
99 Teilnehmer:innen haben auf die Frage nach den eigenen persönlichen Erfahrungen zu Sexualität in der Schwangerschaft geantwortet (siehe Abbildung 2). Sieben Kategorien konnten herausgearbeitet werden. In Tabelle 1 sind einige exemplarische Zitate aus jeder Kategorie aufgeführt.
Kategorien | Exemplarische Gründe |
Medizinische Gründe | Vorangegangene Fehlgeburt, Übelkeit, Blutungen, Frühgeburtsrisiko, Risikoschwangerschaft, Verbot vom Gynäkologen, Schmerzen, tiefsitzender Mutterkuchen, vorzeitige Wehen, häufige Blasenentzündungen |
Psychosoziale Gründe | Geschwisterkinder haben viel Zeit beansprucht, Lustlosigkeit, Unwohlsein mit Sex, Angst vor Komplikationen oder dem Kind zu schaden, ungünstige Umstände, kein Partner, Beziehungskrise |
Partner wollte keinen Sex | Partner konnte »kopfmäßig« nicht, wollte nicht, fühlte sich unwohl dabei, keine Libido, Angst, fand es gruselig |
Partnerin wollte keinen Sex | Partnerin fühlte sich nicht danach, wollte nicht, hatte keine Lust, fand es unangenehm, Unwohlsein |
Tabelle 2: Exemplarische Gründe für einen Verzicht auf Geschlechtsverkehr in der Schwangerschaft
3. Gründe für den Verzicht auf Sexualität
253 Teilnehmer:innen antworteten auf die Frage, warum sie auf Geschlechtsverkehr verzichtet haben. Die Antworten konnten in die vier Kategorien Medizinische Gründe (33 %), Psychosoziale Gründe (51 %), Partner wollte keinen Sex (11 %) und Partnerin wollte keinen Sex (5 %) eingeteilt werden. Tabelle 2 zeigt exemplarisch einige Beispiele.
Teilnehmer:innen, die ihr Baby nach dem errechneten Geburtstermin geboren hatten, konnten in dem Fragebogen angeben, ob sie zuvor eine Beratung wegen Terminüberschreitung in Anspruch genommen hatten. Rund 60 % der Eltern hatten diese Beratung erhalten. Gut die Hälfte aus der Beratungsgruppe bekam die Empfehlung, penetrierenden Geschlechtsverkehr zur Geburtsanregung durchzuführen. Knapp 7 % gaben an, nach dieser Empfehlung 4–5-mal oder öfter pro Woche Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.
52 Teilnehmer:innen beantworteten die Frage, warum sie trotz Empfehlung auf Sexualität verzichtet haben. Die Gründe konnten ebenfalls in die vier Kategorien medizinische Gründe (15 %), psychosoziale Gründe (56 %), Partner wollte nicht (17 %) und Partnerin wollte nicht (12 %) eingeteilt werden. Tabelle 3 zeigt exemplarisch einige Zitate der Teilnehmer:innen.
Kategorien | Exemplarische Gründe |
Medizinische Gründe | Rückenschmerzen, Schambeinschmerzen, Becken- und Hüftschmerzen, Wehencocktail statt Sex, Analvenenthrombose, Partner erkrankt, Schmerzen |
Psychosoziale Gründe | Lustlosigkeit, unangenehm, Angst, Trennung vom Partner, zu großer Bauch, Krankenhausaufenthalt, zu heiß |
Partner wollte keinen Sex | Partner wollte nicht, hatte Angst, unangenehme Vorstellung wegen des Kindes, Hemmungen |
Partnerin wollte keinen Sex | Partnerin hatte keine Lust, wollte nicht, unmotiviert |
Tabelle 3: Gründe für einen Verzicht auf Geschlechtsverkehr trotz Empfehlung
4. Gedanken und Gefühle zu Empfehlungen zum Sexualverhalten
Wenn werdenden Eltern eine Frühgeburt droht oder sie den Geburtstermin überschreiten, kommt es vor, dass Geburtshelfer:innen ihnen Empfehlungen zum Sexualverhalten geben. 1.644 Teilnehmer:innen haben auf die Frage geantwortet, welche Gedanken und Gefühle sie bei Empfehlungen dieser Art hatten. Die Einteilung der Antworten erfolgte in vier Kategorien: neutral, positiv, negativ und keine Empfehlungen bekommen. Abbildung 3 zeigt die Verteilung der Antworten.
Die Ergebnisse zeigen, dass 73 % der Teilnehmer:innen keine Empfehlungen zu ihrem Sexualverhalten erhalten haben. Von den übrigen 27 % bewerteten 11 % die Empfehlungen positiv und 7 % negativ. 9 % standen den Empfehlungen neutral gegenüber. Tabelle 3 zeigt exemplarische Antwortbeispiele.
Kategorien | Exemplarische Zitate |
Neutral | Rein medizinischer Rat, normales Thema, nicht mehr als eine Hilfestellung, keine besonderen Gefühle, nicht schlimm, egal, Empfehlung kam nicht in Frage, war okay
»Mein Leben, meine Entscheidung« »Wie als ob mir ein Medikament verschrieben würde« »Das ist deren Job – ich lebe dementsprechend, wie ich es mit meinem Partner möchte.« »Keine zusätzlichen negativen Gefühle, weil schon die ganzen Untersuchungen/Gespräche mehr oder weniger in die Intimsphäre eingreifen. Da kam es mir normal vor.« |
positiv | Vertrauen, Dankbarkeit, Offenheit, gut beraten gefühlt
»Wir haben die Empfehlung geschätzt« »Ich fand es gut, dass Sexualität in der Schwangerschaft offen besprochen wurde« »Ich war froh, überhaupt Einflussmöglichkeiten bei drohender Frühgeburt genannt zu bekommen.« »Habe ich dankend entgegengenommen, das Wohl meines Babys war mir lieber« |
negativ | Befremdlich, peinlich, unangenehm, Druck erzeugend
»Ich empfand es als unangenehm, als mir gesagt wurde, Sex wäre gut, um die Geburt einzuleiten. Das hat Druck erzeugt.« »Keine guten Gedanken. Ich hatte das Gefühl, sie gehen davon aus, dass wir keinen Sex haben, was aber ja gar nicht so war.« »Schlecht gefühlt, da keine Libido« »Mir wurde nur 1x kurz vor der Geburt gesagt, dass Sperma geburtsfördernd sein kann. Das hat uns unter Druck gesetzt. Wir wollten Sex haben, aber es hat das erste Mal in 12 Jahren nicht geklappt.« »Ich dachte nur: Wann zur Hölle sollen wir die Entspannung finden, in Ruhe Sex zu haben? Mich hat das überfordert… ihr habt gut reden. Mir tut alles weh und ich bin völlig fertig, sexy fühle ich mich da ganz sicher nicht.« |
Tabelle 4: Gedanken und Gefühle bei Empfehlungen zum Sexualverhalten
Zusammenfassung
In der Schwangerschaft wird partnerschaftliche Sexualität auf besondere Weise herausgefordert. Medizinische Gründe wie Schmerzen oder Unwohlsein, psycho-soziale Gründe wie mangelnde Libido oder Angst um das Baby sowie unterschiedliche Einstellungen der Partner:innen zur Sexualität spielen eine große Rolle und beeinflussen sich wechselseitig.
Die Anwesenheit des Ungeborenen verunsichert vor allem werdende Väter.
Zufriedenstellende Sexualität hat viele gesundheitliche Vorteile, die auch die Schwangerschaft positiv beeinflussen. Hebammen und andere Geburtshelfer:innen als anerkannte Expert:innen für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett können durch Fachwissen und Beratung das Sexualverhalten werdender Eltern beeinflussen.
Die Schwangerschaftsbetreuung hat unter anderem das Ziel, Bedürfnisse zu erkennen und Informationen sowie wertfreie Aufklärung bereitzustellen, damit werdende Eltern Faktoren für gesundheitsförderliches Verhalten kennen und autonom entscheiden können. Gesprächsangebote und wissenschaftlich fundierte Informationen über Intimität und Sexualität sollten selbstverständlicher Bestandteil der Schwangerenbetreuung sein. Die Aufklärung über Unbedenklichkeit und Nützlichkeit von Intimität und Sexualität kann Unsicherheiten entgegenwirken. In der eigenen Studie haben 73 % der Teilnehmer:innen keine Empfehlungen zur Sexualität erhalten. In der Gruppe der Eltern, die eine Empfehlung erhielten, bewerteten 42 % die Beratung positiv und hilfreich. Von den 26 % der Eltern, welche die Beratung negativ bewerteten, entstand die Ablehnung dagegen, wenn sie sich in ihrer Lebenssituation nicht wahrgenommen fühlten, Druck entstand oder das Gespräch sie peinlich berührte. Hilfreich für ein Gespräch sind eine gute Vertrauensbasis sowie Fach- und Gesprächskompetenzen, die den Beratenden ermöglicht, die individuelle Situation der Eltern einzuschätzen.