In der süßlichen Muttermilch wirken viele Aromastoffe, etwa Oxidationsprodukte der Fettsäuren wie das blumig und zitrusartig riechende Nonanal der Ölsäure. Auch einige von Hormonen abgeleitete Substanzen wie der Schweißgeruchsstoff Androstenon verleihen der Milch ihr Aroma – ebenso Stoffe aus Gewürzen wie Vanillin, wenn die Mutter Vanillekipferl gegessen hat. Mamille und Warzenhof erscheinen fast wie die Blütenstände von Mutterkraut (Matricaria odorata) und Kamille (Matricaria chamomilla). Sie verströmen einen verlockenden Duft, der dem Säugling Identität, Zugehörigkeit und ein Gefühl von Heimat gibt. Illustration: © Birgit Heimbach

Locken Duftstoffe in der Milch ein Baby zur Mamille und erkennt es an einer individuellen Geruchs- und Geschmackssignatur die Milch seiner Mutter? Ändert sich das Aroma von Muttermilch im Laufe der Laktation und wird ein Säugling durch Aromen geprägt? Wissenschaftler:innen finden immer mehr heraus. 

Neugeborene haben eine Präferenz für Süßes. So mögen sie auf Anhieb Muttermilch, die wegen der energiereichen Kohlenhydrate leicht süßlich schmeckt. Dass sie sich auch vom Milchduft anlocken lassen, den Erwachsene kaum wahrnehmen, war bereits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt, als man feststellte, dass sie ihren Kopf tendenziell zu dieser Geruchsquelle hindrehen. Muttermilch enthält tatsächlich viele verschiedene Aroma- und Geruchsstoffe mit unterschiedlichen chemischen Strukturen endogenen oder exogenen Ursprungs – darunter Aldehyde, Ketone, Lactone, Säuren, Alkohole, Amine, Terpene und sauerstoff- oder stickstoffhaltige Heterocyclen (Buettner 2007).

Noch unklar ist die Auswirkung der meisten Stoffe auf das Gesamtaroma. Einige der prägenden geruchsaktiven Substanzen sind die flüchtigen Oxidationsprodukte von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (polyunsaturated fatty acids, PUFA). Beispiele hierfür sind geruchsintensive Aldehyde der Linolsäure wie etwa das grasig riechende Hexanal und Pentanal mit fruchtigem Geruch. Auch Nonanal mit citrusartigem Geruch gehört dazu – ein Produkt der Oxidation von n-9-Fettsäuren wie Ölsäure, der am häufigsten vorkommenden Fettsäure in der Muttermilch.

Manche Säuren haben ebenfalls einen charakteristischen Geruch – beispielsweise die käsig riechende Buttersäure. Dazu kommen aromatische Kohlenwasserstoffe (Muelbert 2021). »Dies sind jedoch nur einige Beispiele von rund mindestens 80 geruchsaktiven Substanzen in Muttermilch«, so Loos, Habilitandin am Lehrstuhl für Aroma- und Geruchsforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Daneben spielen weitere Faktoren eine Rolle: So beeinflusst der Fett- und Proteingehalt der Milch indirekt den Geruch der Muttermilch, da er sich auf die Freisetzung der geruchsaktiven Stoffe auswirkt. Bakterien wie die Lactobazillen können durch ihren Stoffwechsel ebenfalls zum Profil der flüchtigen und geruchsaktiven Substanzen beitragen. Die spezifische Zusammensetzung der Muttermilch sowie die Darmflora von Neugeborenen verleihen auch dem Stuhl von gestillten Säuglingen eine besondere Note.

Es wird angenommen, dass der Geruch der Muttermilch vielfältige Funktionen hat. Eine davon könnte die Vorbereitung auf die Nahrungsaufnahme sein. Die olfaktorische Stimulation mit Essensaromen fördert in Vorbereitung auf die Nahrungsaufnahme den Speichelfluss, peristaltische Bewegungen und die Freisetzung von für die Verdauung wichtigen Hormonen und Enzymen. Diese sogenannte cephalische Phasenantwort (CPR) leitet den Verdauungsprozess ein, bevor die Nahrung den Magen erreicht. Eine weitere Funktion des Muttermilchgeruchs ist der Anreiz zu Saugbewegungen und dem Finden der Brust durch das Neugeborene. Bei Frühgeborenen kann etwa die regelmäßige Stimulation mit Muttermilchgeruch zu einer besseren Nahrungsaufnahme führen (Muelbert 2020).

In einer Studie mit Säuglingen zwischen zwei und neun Monaten konnte die Pädiaterin Dr. Janine Gellrich von der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, zeigen, dass das Gehirn in diesem Alter auf einen olfaktorischen Reiz mit Muttermilch stark reagiert. Amplituden im EEG wiesen darauf hin. Gellrich, die sich mit der Entwicklung des Geruchssinns befasst, arbeitete an der Klinik auch an einer Studie mit, die untersuchte, ob unterschiedliche Geruchsstimulationen die Sondenernährung bei Frühgeborenen verkürzen könnte (Schriever V et al 2018). Gellrich: »Tatsächlich konnte eine regelmäßige Geruchsstimulation mit Vanille die Sondenernährung um eine Woche verkürzen. Die Wahl fiel auf diesen Stoff, weil die Anwendung hygienisch einfacher war und bei der Menge an Vanille-Konsum davon auszugehen ist, dass Vanille fast immer auch Muttermilch aromatisiert.«

Schweißgeruchsstoffe in der Muttermilch

Prof. Dr. Andrea Büttner, Leiterin des Lehrstuhls für Aroma- und Geruchsforschung an der FAU, erforscht seit langem die frühkindliche Ernährung und Aromawahrnehmung während des Stillens. Sie befasste sich auch mit Geruchsstoffen in der Muttermilch, die aus Körperflüssigkeiten wie Schweiß oder Urin bekannt sind. Sie identifizierte 2007 das geruchsaktive Steroid Androstenon (5α-Androst-16-en-3-on) und wies es 2013 mit ihrem Team in einer Konzentration von 26–155 ng/kg in Muttermilch nach. Da diese Substanz bisher noch nicht in Milch anderer Tierarten nachgewiesen wurde, wurde vermutet, dass sie in der Mutter-Kind-Interaktion eine Signalfunktion hat. Steroide sind eine Substanzklasse mit einem bestimmten Grundgerüst. Einige Hormone haben eine Steroidstruktur, aber nicht alle Steroide sind Hormone.

In Kooperation mit Dr. Benoist Schaal vom Centre des Sciences du Goût et de l’Alimentation in Dijon, Frankreich, untersuchte Loos an der FAU für ihre Dissertation die Reaktionen drei Tage alter Neugeborener auf verschiedene Konzentrationen von fünf Schweißgeruchsstoffen. Kopfdrehen oder Leck- und Saugbewegungen zeigten, dass sie bereits bei sehr geringen Konzentrationen, die Erwachsene nicht erkannten, reagierten – tendenziell eher ablehnend. Die erwartete positive Reaktion wurde nicht beobachtet. Loos erklärt: »Der individuelle Geruch jeder Muttermilch besteht aus einer Vielzahl an Geruchsstoffen. Möglicherweise bringen die Neugeborenen einzelne Geruchsstoffe nicht mit ihrer Mutter in Verbindung. « Und sie erläutert den Unterschied von Aroma und Geruch: »Von Aromastoffen spricht man, wenn es um die sensorische Wahrnehmung der Muttermilch als Lebensmittel und dessen Beeinflussung durch die mütterliche Ernährung geht. Der Begriff Geruchsstoffe wird überwiegend verwendet, wenn es um die Funktion des Muttermilchgeruchs beispielsweise beim Stillvorgang geht.« Die Begriffe Geruch und Aroma können abhängig vom Kontext aber nahezu synonym verwendet werden.

Der Geruchssinn
Über 400 Typen von Rezeptoren in den Riechsinneszellen der Nase übertragen Geruchsinformationen in elektrische Signale, die über 1.000 bis 2.000 Zellknäuel im Riechkolben ins Gehirn gelangen. Da unterschiedliche Geruchsrezeptoren durch unterschiedliche Geruchsstoffe aktiviert werden, entsteht bereits in der Riechschleimhaut ein für jeden Geruch individuelles Muster aktivierter Riechsinneszellen. So können Menschen ihr Leben lang bestimmte Gerüche der Kindheit wiedererkennen. Damit ein Geruchsstoff an die Riechschleimhaut gelangen kann, muss er leicht – flüchtig – genug sein, um über die Luft in die Nase transportiert zu werden.

Neben der Geruchswahrnehmung über die Nase (orthonasal) können Aromen auch über den Mund-Rachen-Raum (retronasal) wahrgenommen werden: Zusammen mit Geschmacks- eindrücken auf der Zunge (süß, salzig, sauer, bitter, umami) ist die Wahrnehmung des Aromas entscheidend für ein Geschmackserlebnis.

Der Geruchssinn funktioniert bereits einige Wochen vor der Geburt. Ein Neugeborenes kann sehr gut Gerüche und Aromen wahrnehmen – besser als Erwachsene – und lernen.

Geschmack: nur auf der Zunge wahrnehmbar (süß, sauer, bitter, salzig, umami)

Geruch und Aroma: orthonasale und retronasale Wahrnehmung in der Nase

Flavour: Gesamtheit der sensorischen Eindrücke bei Verzehr eines Lebensmittels.

Kolostrum ist besonders beliebt

1991 hatte man im Kolostrum höhere Konzentrationen an Methylamin nachgewiesen als in reifer Muttermilch. Methylamin ist ein Ammoniak-Abkömmling, der auch im Urin vorkommt und leicht nach Fisch oder Ammoniak riecht. Büttner und ihr Team zeigten 2012, dass dies auch für die Vorläufer von Schweißgeruchsstoffen gilt. Wie sich ansonsten die Konzentration der Geruchsstoffe im Laufe der Laktation verändert, ist noch weitgehend unbekannt. In einer Studie von Prof. Mariana Muelbert und ihrem Team (Muelbert et al. 2020) wurde gezeigt: Die relative Konzentration der meisten Fettsäuren und ihrer Ester nimmt mit fortschreitender Laktation zu und ist bei den meisten sozial benachteiligten Müttern und Schwangerschaftsdiabetikerinnen niedriger (p < 0,05). Mittelkettige Fettsäuren waren im Kolostrum häufiger als in Übergangs-Muttermilch (p < 0,001). Das Geschlecht des Säuglings, Gestationsalter und Geburtsgewicht waren nicht mit dem Profil flüchtiger Verbindungen assoziiert.

Die Hypothese von Loos: »Kolostrum ist besonders attraktiv für Neugeborene und hilft ihnen mit seinem bestimmten Geruchsprofil, die Brustwarze schneller zu finden.« Es wird angenommen, dass der Übergang zwischen dem Geruch von Fruchtwasser, Kolostrum, Übergangsmilch und reifer Milch fließend ist, da sich die Gerüche sehr ähneln. Dies vermittelt dem Kind eine Kontinuität seiner chemosensorischen Umgebung, was den Übergang vom Uterus in ein eigenständiges Leben erleichtert. Dafür spricht etwa, dass einige Geruchsstoffe in all diesen Substraten nachgewiesen werden konnten, und dass Säuglinge in den ersten Lebenstagen äquivalente Reaktionen auf die Gerüche von Kolostrum und Fruchtwasser zeigen (Marlier et al. 1998). Eine 2020 von Benoist Schaal veröffentlichte Studie ergab des Weiteren, dass Säuglinge Milch aus verschiedenen Laktationsstadien olfaktorisch unterscheiden können. Sie bevorzugten den Geruch der Milch entsprechend ihrem Stillstadium und dem postpartalen Alter, also beispielsweise am zweiten Tag Kolostrum gegenüber reifer Muttermilch (Klaey-Tasso et al. 2020). Loos: »Der Stoff, der den spezifischen Geruch von Kolostrum ausmacht, muss noch gefunden werden.«

Laut den schwedischen Forscherinnen Kajsa Brimdyr und Ann-Marie Widström finden Neugeborene direkt nach der Geburt anhand des ihnen bekannten Geruchs den Weg zur Brust, berühren diese dann immer wieder und übertragen den Geschmack der Brust in den Mund (Hand-zu-Brust-Mund-Bewegungen). Ein Trick unterstützt Neugeborene in dieser frühen Sensibilitätsperiode: In der ersten Stunde nach der Geburt werden Gerüche besonders gut erlernt (Romantshik et al. 2007). Und der Kolostrum-Geruch erhöht über den Weg des Riechkolbens die Menge an sauerstoffangereichertem Hämoglobin über der olfaktorischen Rinde im Großhirn des Neugeborenen besonders stark in den ersten Stunden nach der Geburt (Bartocci et al. 2020). Zur Erklärung: Stärker angeregte Hirnareale werden vermehrt mit Sauerstoff versorgt. Brimdyr empfiehlt, diese empfindlichen Mechanismen nicht zu stören, Begleiter:innen der Geburt sollten möglichst nicht Fremdgerüche mit ihren eigenen Händen übertragen und auch nicht den Brustgeruch entfernen.

Talgdrüsen als Unterstützung

Die Montgomery-Drüsen (Areolar Glands) auf den Warzenvorhöfen tragen als Talgdrüsen zum spezifischen Brustgeruch bei. Sie münden in knotenförmigen Höckern (Montgomery-Tuberkel), in denen oft auch kleinere Milchkanäle enden. Talg und Milch treffen zusammen. 2009 fand das Team um Schaal heraus, dass der Geruch dieser Areolarsekretion mehr als alle anderen Reize die oralen Reaktionen der Neugeborenen verstärkte – unabhängig von direkten Erfahrungen mit der Brust oder der Milch (Doucet et al. 2009). Eine weitere Studie mit 121 kaukasischen Mutter-Kind-Dyaden in den ersten drei Tagen postpartum ergab: Im Durchschnitt hatten 97 % der Frauen Montgomery-Drüsen, 80,2 % hatten 1 – 20 Einheiten pro Warzenhof und bei 33 % trat sichtbar Flüssigkeit aus den Drüsen aus. Die Menge der Drüsen schien positiv mit dem Wachstum des Neugeborenen nach der Geburt und der Geschwindigkeit des Laktationsbeginns verbunden zu sein: Säuglinge primiparer Frauen mit niedrigeren Drüsen-Zahlen hatten eine geringere Gewichtszunahme und es dauerte länger, bis sich die Laktation eingestellt hatte. Die Drüsen können laut der Studie die Initiierung der Stillbeziehung beeinflussen (Doucet et al. 2012).

Auch das Sekret einer anderen Mutter stimuliert das Saugen. Wird das Sekret unter die Nase eines schlafenden Babys gelegt, reagiert es mit Zungeherausstrecken, Saugen und Nippelsuchverhalten. Laut Wyatt könnte die aktive Substanz – wenn sie einmal bekannt ist – Babys helfen, wenn das Saugen nicht klappt (Wyatt 2015). Das Sekret sei eines der vielversprechendsten Substrate menschlicher Pheromone.

Hilft Muttermilchgeruch gegen Schmerzen?

Eine Studie mit 50 Frühgeborenen zeigte, dass Muttermilchgeruch – im Gegensatz zu dem Geruch von Formula – die PIPP-Werte (Premature Infant Pain Profile) während der Venenpunktion senkte und das Weinen nach diesem Eingriff deutlich reduzierte. Die analgetische Wirkung sei sicher (Badiee 2013).

In einer randomisierten Studie mit 135 Frühgeborenen erwies sich auch Vanilleduft hilfreich zur Schmerzlinderung, aber Muttermilchgeruch war effektiver (Jebreili , 2015).

Eine kürzlich erschienene Studie zeigte, dass die wirksamste Methode zur Schmerzlinderung bei Neugeborenen der Geruch der Milch der eigenen Mutter war, der Geruch der Milch einer anderen Mutter erreichte einen ähnlichen Wert – alle 60 Kinder weinten weniger als die 30 Kinder in der Kontrollgruppe ohne Geruchsgabe zur Beruhigung (Cakirli 2021). Eingesetzt wurde eine Schmerz-, Erregungs- und Sedierungsskala für Neugeborene (N-PASS) und ein spezielles Bewertungsformular.

Ernährung der Mutter

Julie A. Mennella und Kollegen stellten bereits in den 1990er Jahren fest, dass der Geruch der Muttermilch etwa durch die Aufnahme von Knoblauch, Alkohol, Vanille, Karotten oder nach dem Rauchen verändert sein kann. In einer 1996 von ihnen durchgeführten Studie tranken die Säuglinge offensichtlich länger an der Brust und nahmen mehr Milch zu sich, wenn die Mütter Vanille zu sich genommen hatten (Mennella 1996). Eine Zeit lang gaben nun Babynahrungshersteller auch Vanillearomen in ihre Produkte und beeinflussten die Kinder möglicherweise nachhaltig. Man sprach sogar von der Vanille-Generation (Burger 2010).

Mit ihrer Arbeitsgruppe beschäftigt sich Loos mit den molekularen Grundlagen eines solchen Übergangs von Aromen in die Muttermilch. Viele Aromastoffe sind sehr labil und können im Körper abgebaut oder zu Derivaten verstoffwechselt werden, die wenig mit dem Ausgangsprodukt zu tun haben. Andere Aromastoffe kommen nur in sehr geringen Mengen in Lebensmitteln vor und haben kaum Auswirkung. Das Team des Lehrstuhls für Aroma- und Geruchsforschung der FAU wies etwa nach, dass die Einnahme von Fischöl und Stilltee das Aromaprofil der Muttermilch nicht verändert. Eukalyptuskapseln geben der Muttermilch dagegen eine deutliche Eukalyptusnote. Allerdings nicht nur durch den ursprünglichen geruchsaktiven Wirkstoff Eukalyptol, sondern auch eine Vielzahl von Derivaten, die der mütterliche Organismus daraus erst bildet. Knoblauch (vor allem roh) und Bärlauch geben der Muttermilch ebenfalls ein charakteristisches Aroma: nach Knoblauch und Kohl. Mittels Gaschromatografie-Massenspektrometrie/Olfaktometrie wurden Metaboliten nachgewiesen, die auf Knoblauch zurückzuführen sind: Allylmethylsulfid (AMS), Allylmethylsulfoxid (AMSO) und Allylmethylsulfon (AMSO2). Riechexpert:innen testeten die Metaboliten und gaben an, dass AMS ein knoblauchartiges Aroma verströmt – die übrigen Derivate waren geruchlos. Loos: »Spannend ist, dass wir in Muttermilch auch Derivate von Aromastoffen gefunden haben, die ursprünglich nicht in derselben Form in den verzehrten Lebensmitteln vorhanden waren. Bisher denkt man primär über den Geruch nach. Darüberhinausgehende Effekte solcher Derivate auf Gesundheit und Entwicklung der Säuglinge sind noch weitgehend unerforscht.«

Lagerung ändert das Aroma
In der Milch bilden sich je nach Temperatur der Lagerung durch den Abbau der Fette unterschiedliche Fehlaromen in unterschiedlicher Geschwindigkeit: Bei Kühlschranklagerung entsteht nach einigen Tagen ein ranziges Aroma, in der Gefriertruhe bei -20 °C bildet sich nach etwa drei Monaten ein fischig-metallischer Geruch aus. Durch Lagerung bei -80 °C kann dies erheblich hinausgezögert werden. Die Forscherin Andrea Büttner rät daher zur Geschmacksprobe, wenn die Milch mehrere Monate im Gefrierfach war.

Loos und ihr Team betrachteten mit Forscher:innen der Technischen Universität München erstmals auch die Gesamtheit der chemosensorischen Eindrücke. Sie zeigten, dass neben dem würzigen Aroma eines Currygerichtes auch die scharfen Geschmackseindrücke, die trigeminal wirken (auf den Trigeminusnerv, ein wichtiger Nerv für das Gesicht), in geringer Konzentration in Muttermilch übergehen (Debong et al. 2021; N´Diaye et al. 2021). Dies könnte zu einer multisensorischen Prägung auf Aroma und Geschmack führen, erklärt Loos.

Frühe sensorische Erfahrungen beeinflussen spätere Nahrungspräferenzen und Ernährungsgewohnheiten (Forestell 2017). Wie groß diese Effekte für spätere Lebensjahre sind, ist aufgrund der Komplexität schwierig zu bestimmen. Loos: »Wir müssen auch berücksichtigen, dass Aromen offenbar nur eingeschränkt mit der Muttermilch transportiert werden, aber in sonstigen sozialen Kontexten – etwa über den Körpergeruch der Mutter oder über Gerüche, die bei der Nahrungszubereitung entstehen – eine viel stärkere Wirkung entfalten können. Über Geruch können sich Menschen leicht an Kindheitserlebnisse erinnern, und Mamas Kuchen-Backen oder Lieblingsspeise-Kochen ist eine der prägendsten Erfahrungen. Beim sozialen Lernen von Gerüchen und Aromen besteht noch ein großer Forschungsbedarf.« Karin Chatelain von der Forschungsgruppe für Lebensmittelsensorik an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften sagt: »Wir speichern bestimmte Gefühle und Zusammenhänge, die in dem Moment mit der Speise verknüpft werden. Geschmack hat ganz viel mit Identität, mit Zugehörigkeit, mit Heimat zu tun.« Mütter, die während der Schwangerschaft und Stillzeit viele gesunde Lebensmittel konsumieren, geben jedenfalls ihren Säuglingen die Möglichkeit, diese Aromen zu mögen. Dies erleichtert den Übergang zu gesunden Lebensmitteln.

Zitiervorlage
Loos, H. & Heimbach, B. (2021). Aroma von Muttermilch: Geschmack der Geborgenheit. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 73 (12), 62–67.
Links
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