Eine ordnungsgemäße Dokumentation kann die Hebamme wirksam vor einer Haftung schützen.

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Der Schritt hin zur Digitalisierung der Dokumentation ist in den Kreißsälen, auf Wochenbettstationen, aber auch in der freiberuflichen Hebammenarbeit längst getan. Papierlos zu dokumentieren, bietet Vorteile und Erleichterungen, wenn einige Grundregeln befolgt werden. 

Die medizinische und rechtliche Relevanz der Behandlungsdokumentation ist vielfach beschrieben (vgl. Almer »Korrekt und wasserdicht«, DHZ 2020, 72 (4): 14–16). Aus medizinischer Sicht dient die Dokumentation in erster Linie dem Zweck, einen Verlust von Informationen zu vermeiden und dadurch eine korrekte Behandlung sicherzustellen. Klassisches Beispiel ist der häufig mehrstündige Verlauf einer Klinikgeburt über die Arbeitszeit der beteiligten Hebammen hinaus: Ohne eine Dokumentation bestünde die Gefahr, dass wichtige Informationen über den Verlauf der Geburt und erhobene Befunde mit dem Schichtwechsel verloren gehen. Um einen solchen Informationsverlust vorzubeugen und damit insgesamt eine korrekte Behandlung sicherzustellen, sind in § 630 f Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) umfangreiche Dokumentationspflichten festgehalten (siehe Kasten).

Aus rechtlicher Sicht ist mit der Behandlungsdokumentation zudem eine Beweislastverteilung verknüpft. So heißt es in § 630 h Abs. 3 BGB:

»Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene Maßnahme und die Ergebnisse […] nicht in der Patientenakte aufgezeichnet […], wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.«

Mit anderen Worten: Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht gemacht, womit sich unter Umständen eine Haftung der Hebamme begründen lässt. Umgekehrt ist mit dem Inhalt einer ordnungsgemäßen Dokumentation aber auch ein guter Glaube verbunden, das heißt eine positive Indizwirkung spricht dafür, dass der Inhalt der Dokumentation korrekt ist. Vor diesem Hintergrund ist es für die Patient:innenseite schwer möglich, den Inhalt einer korrekten Dokumentation in Zweifel zu ziehen. Eine ordnungsgemäße Dokumentation kann die Hebamme also wirksam vor einer Haftung schützen.

§ 630f BGB
Dokumentation der Behandlung
  1. Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.
  2. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.
  3. Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

Analog oder digital?

In § 630 f Abs. 1 Satz 1 BGB ist festgeschrieben, dass die Dokumentation entweder in Papierform oder elektronisch zu führen ist. Vor diesem Hintergrund sprechen gegen eine digitale Dokumentation keine rechtlichen Bedenken und tatsächlich ist diese aus vielen Kreißsälen nicht mehr wegzudenken. Allerdings muss sich der »gute Glaube« beziehungsweise die positive Indizwirkung an die Dokumentation, die ihren gedanklichen Ursprung in nachvollziehbaren handschriftlichen Eintragungen des Behandelnden in einer Papierakte hat, auch auf die digitale Dokumentation erstrecken. Denn einer digitalen Dokumentation sieht man es nicht auf den ersten Blick an, wenn beispielsweise Eintragungen nachträglich hinzugekommen sind oder gelöscht wurden.

Aus diesem Grund fordert § 630 f Abs. 1 Satz 2 BGB explizit einen Fälschungsschutz in dem Sinne, dass Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der elektronischen Dokumentation nur zulässig sind, wenn erstens der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und zweitens der Zeitpunkt der Berichtigung beziehungsweise Änderung sicher festgehalten wird. Folgerichtig stellte der BGH in einem Fall erst kürzlich fest, dass von einer elektronischen Dokumentation, die nicht in diesem Sinn fälschungssicher ist, kein positiver Glaube ausgeht und nicht zwangsläufig angenommen werden könne, dass eine dokumentierte Maßnahme auch tatsächlich durchgeführt wurde (BGH, Az. VI ZR 84/19, Urteil vom 27.4.2021). Der BGH in dem Urteil wörtlich:

»Einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen […] nicht erkennbar macht, fehlt es gerade deshalb an der Zuverlässigkeit, weil sie Veränderungen so zulässt, dass sie unbemerkt bleiben. Der Patient steht insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs. Er wird deshalb regelmäßig nicht in der Lage sein, Anhaltspunkte für eine – bewusste oder versehentliche – nachträgliche Abänderung der elektronischen Dokumentation vorzutragen.«

Fälschungssicher?

Der zentrale Punkt einer digitalen Dokumentation ist aus haftungsrechtlicher Sicht die dargestellte Fälschungssicherheit, wobei diese im Rahmen der üblichen Krankenhausinformationssysteme in der Regel gewährleistet ist. Selbstverständlich besteht das Erfordernis einer fälschungssicheren Software aber auch für die übrigen Einsatzbereiche einer Hebamme, beispielsweise im Rahmen der außerklinischen Geburtshilfe oder Wochenbettbetreuung. Sofern hier keine Fälschungssicherheit besteht, tut sich die Hebamme mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des BGH aus haftungsrechtlicher Sicht keinen Gefallen.

Praktische Probleme der digitalen Dokumentation

Im Übrigen zeigt die anwaltliche Praxis, dass mit einer digitalen Dokumentation mancherorts eher praktische Probleme verbunden sind, die dann mittelbar auch rechtliche Relevanz haben können. Dies betrifft insbesondere drei Themenbereiche, zu denen folgende Hinweise relevant sein dürften:

  • Bei einer digitalen Dokumentation sollten für das geburtshilfliche Team ausreichend technische Eingabemöglichkeiten vorhanden sein, damit die Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gefertigt werden kann und nicht dadurch vergessen beziehungsweise vernachlässigt wird, dass Hebamme oder Ärzt:in auf einen freien Arbeitsplatz warten müssen.
  • Die Anmeldung zur digitalen Dokumentation sollte praktikabel ausgestaltet sein. Eine Handhabung, in der sich eine Person im System anmeldet, angemeldet bleibt und sämtliche Dokumentationseinträge – auch die von anderen Personen – unter dieser Anmeldung vorgenommen werden, birgt die Gefahr, dass nicht erkennbar ist, wer tatsächlich dokumentiert hat. Auf den ersten Blick wäre jedenfalls die Person, die im System angemeldet ist, für sämtliche Einträge verantwortlich.
  • Die Einführung einer digitalen Dokumentation sollte Anlass sein, die eigenen Fertigkeiten im Maschinenschreiben zu hinterfragen und gegebenenfalls zu üben. Eine digitale Dokumentation darf inhaltlich nicht deswegen hinter einer handschriftlichen Dokumentation zurückbleiben, weil keine ausreichende Übung im flinken Bedienen der Taststatur besteht.

Resümee

Trotz der genannten Problembereiche dürfte der Schritt weg vom Papier und hin zur Digitalisierung der Dokumentation unaufhaltsam sein. Aus haftungsrechtlicher Sicht bringt der ordnungsgemäße Einsatz einer papierlosen Dokumentation den Vorteil, dass sämtliche Probleme wegfallen, die mit dem Entziffern von Handschriften und dem Zuordnen von Einträgen in der Papierakte zu den jeweiligen Behandler:innen verbunden waren.

Mit dem Hinweis auf eine bestehende Fälschungssicherheit der Software kann zuverlässig dem Vorwurf begegnet werden, dass Ärzt:in oder Hebamme die Dokumentation zu ihren Gunsten manipuliert haben. So gesehen ist der Einsatz einer digitalen Dokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht zu begrüßen.

Zitiervorlage
Almer, S. (2023). Digitale Dokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht: Was heißt ordnungsgemäß? Deutsche Hebammen Zeitschrift, 75 (7), 34–36.

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