Analog oder digital?
In § 630 f Abs. 1 Satz 1 BGB ist festgeschrieben, dass die Dokumentation entweder in Papierform oder elektronisch zu führen ist. Vor diesem Hintergrund sprechen gegen eine digitale Dokumentation keine rechtlichen Bedenken und tatsächlich ist diese aus vielen Kreißsälen nicht mehr wegzudenken. Allerdings muss sich der »gute Glaube« beziehungsweise die positive Indizwirkung an die Dokumentation, die ihren gedanklichen Ursprung in nachvollziehbaren handschriftlichen Eintragungen des Behandelnden in einer Papierakte hat, auch auf die digitale Dokumentation erstrecken. Denn einer digitalen Dokumentation sieht man es nicht auf den ersten Blick an, wenn beispielsweise Eintragungen nachträglich hinzugekommen sind oder gelöscht wurden.
Aus diesem Grund fordert § 630 f Abs. 1 Satz 2 BGB explizit einen Fälschungsschutz in dem Sinne, dass Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der elektronischen Dokumentation nur zulässig sind, wenn erstens der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und zweitens der Zeitpunkt der Berichtigung beziehungsweise Änderung sicher festgehalten wird. Folgerichtig stellte der BGH in einem Fall erst kürzlich fest, dass von einer elektronischen Dokumentation, die nicht in diesem Sinn fälschungssicher ist, kein positiver Glaube ausgeht und nicht zwangsläufig angenommen werden könne, dass eine dokumentierte Maßnahme auch tatsächlich durchgeführt wurde (BGH, Az. VI ZR 84/19, Urteil vom 27.4.2021). Der BGH in dem Urteil wörtlich:
»Einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen […] nicht erkennbar macht, fehlt es gerade deshalb an der Zuverlässigkeit, weil sie Veränderungen so zulässt, dass sie unbemerkt bleiben. Der Patient steht insoweit außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs. Er wird deshalb regelmäßig nicht in der Lage sein, Anhaltspunkte für eine – bewusste oder versehentliche – nachträgliche Abänderung der elektronischen Dokumentation vorzutragen.«
Fälschungssicher?
Der zentrale Punkt einer digitalen Dokumentation ist aus haftungsrechtlicher Sicht die dargestellte Fälschungssicherheit, wobei diese im Rahmen der üblichen Krankenhausinformationssysteme in der Regel gewährleistet ist. Selbstverständlich besteht das Erfordernis einer fälschungssicheren Software aber auch für die übrigen Einsatzbereiche einer Hebamme, beispielsweise im Rahmen der außerklinischen Geburtshilfe oder Wochenbettbetreuung. Sofern hier keine Fälschungssicherheit besteht, tut sich die Hebamme mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des BGH aus haftungsrechtlicher Sicht keinen Gefallen.
Praktische Probleme der digitalen Dokumentation
Im Übrigen zeigt die anwaltliche Praxis, dass mit einer digitalen Dokumentation mancherorts eher praktische Probleme verbunden sind, die dann mittelbar auch rechtliche Relevanz haben können. Dies betrifft insbesondere drei Themenbereiche, zu denen folgende Hinweise relevant sein dürften:
- Bei einer digitalen Dokumentation sollten für das geburtshilfliche Team ausreichend technische Eingabemöglichkeiten vorhanden sein, damit die Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gefertigt werden kann und nicht dadurch vergessen beziehungsweise vernachlässigt wird, dass Hebamme oder Ärzt:in auf einen freien Arbeitsplatz warten müssen.
- Die Anmeldung zur digitalen Dokumentation sollte praktikabel ausgestaltet sein. Eine Handhabung, in der sich eine Person im System anmeldet, angemeldet bleibt und sämtliche Dokumentationseinträge – auch die von anderen Personen – unter dieser Anmeldung vorgenommen werden, birgt die Gefahr, dass nicht erkennbar ist, wer tatsächlich dokumentiert hat. Auf den ersten Blick wäre jedenfalls die Person, die im System angemeldet ist, für sämtliche Einträge verantwortlich.
- Die Einführung einer digitalen Dokumentation sollte Anlass sein, die eigenen Fertigkeiten im Maschinenschreiben zu hinterfragen und gegebenenfalls zu üben. Eine digitale Dokumentation darf inhaltlich nicht deswegen hinter einer handschriftlichen Dokumentation zurückbleiben, weil keine ausreichende Übung im flinken Bedienen der Taststatur besteht.
Resümee
Trotz der genannten Problembereiche dürfte der Schritt weg vom Papier und hin zur Digitalisierung der Dokumentation unaufhaltsam sein. Aus haftungsrechtlicher Sicht bringt der ordnungsgemäße Einsatz einer papierlosen Dokumentation den Vorteil, dass sämtliche Probleme wegfallen, die mit dem Entziffern von Handschriften und dem Zuordnen von Einträgen in der Papierakte zu den jeweiligen Behandler:innen verbunden waren.
Mit dem Hinweis auf eine bestehende Fälschungssicherheit der Software kann zuverlässig dem Vorwurf begegnet werden, dass Ärzt:in oder Hebamme die Dokumentation zu ihren Gunsten manipuliert haben. So gesehen ist der Einsatz einer digitalen Dokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht zu begrüßen.