Datenhoheit bei der Frau
Die Besonderheit der ePA ist, dass es sich hierbei um eine patient:innengeführte Akte handelt, die sektorenübergreifend zur Verfügung steht, also zwischen dem klinischen und dem außerklinischen Bereich. Somit rückt auch hier der interprofessionelle Informationsaustauschmehr in den Fokus, aber auch die Partizipation der Patient:innen an den Behandlungsprozessen (Eckrich et al., 2016).
Eine ordnungsgemäß implementierte ePA kann laut eines systematischen Reviews eine Verbesserung der Versorgungsqualität bedeuten, weil dadurch Behandlungsfehler aufgrund fehlender Informationen vermieden werden (Paolo Campanella et al., 2015). Wenn eine zentrale Verfügbarkeit von Gesundheits- und Krankheitsinformationen nicht gewährleistet ist, bedeutet das in den meisten Fällen, dass wir in der Versorgung auf unzureichende Informationen aus den jeweiligen Dokumenten und/oder auf die Information der Frauen angewiesen sind.
Viele Frauen sind aber überfordert damit zu entscheiden, welche Informationen relevant sind und welche nicht. Das bedeutet, dass unter Umständen Versorgungslücken durch mangelhafte Informationsweitergabe entstehen können.
Mit der ePA sind
- alle Dokumente an einem Ort
- die Dokumente klar strukturiert und
- können dadurch schneller erfasst werden.
Die Hebamme ist laut Gesetz (DVG,2019) als Leistungserbringer:in innerhalb der TI vorgesehen und hat sowohl Lese-, als auch Schreibrechte – sie kann also direkt in die ePA dokumentieren. Die Patient:innen selbst – in unserem Fall die betreuten Frauen – können alle Dokumente einsehen und haben vor allem die Hoheit darüber, wer welche Informationen bekommen darf. Hier lohnt sich übrigens die Unterscheidung zwischen Verlaufsdokumentation und Dokumentation in der ePA. In der ePA können Ärzt:innenbriefe, Laborergebnisse, Befunde oder Diagnosen eingestellt werden. Wenn die Patient:in es möchte, kann sie aber auch eigene Dokumente einstellen, wie zum Beispiel ein Schmerztagebuch oder die Ergebnisse von Blutzuckerkontrollen.
Die detaillierte Verlaufsdokumentation, wie zum Beispiel der Geburtsbericht, ist in der ePA nicht vorgesehen. Lediglich bei den sogenannten Medizinischen Informationsobjekten (MIO) wie Mutterpass, Kinderuntersuchungsheft, Impfpass und Zahnarztbonusheft sind genaue Angaben möglich.
Mit der Implementierung der ePA geht für Hebammen eine deutliche Reduzierung des administrativen Aufwandes einher, da – besonders mit gleichzeitiger Nutzung einer digitalen Dokumentation – Informationen nur noch einmal dokumentiert werden und nicht zum Beispiel schriftlich im Mutterpass, in der Karteikarte und dann nochmals für die Abrechnung aufgeschrieben werden müssen. Hier lohnt es sich, mit dem jeweiligen Softwareanbieter zu klären, ob und wie die Integration der TI abläuft.
Kommunikation im Gesundheitswesen
Das zweite große Thema ist die Kommunikation im Gesundheitswesen mit der Forderung nach einer verbesserten intra- und intersektoralen Kooperation aller Leistungserbringer:innen.
Für die Kommunikation sind zwei Bereiche geschaffen worden: KIM (Kommunikation im Medizinwesen) und TIM (TI-Messenger). KIM ist ein E-Mail-Programm innerhalb der TI und alle angebundenen Leistungserbringer:innen haben eine eigene E-Mail-Adresse im bundeseinheitlichen Adressbuch. Das heißt, hier können gesichert und verschlüsselt Informationen ausgetauscht oder Dokumente und Befunde übermittelt werden. Das Programm selbst funktioniert wie ein marktübliches E-Mail-Programm.
TIM ist ein Kurznachrichtendienst, der ähnlich wie bekannte Messenger-Dienste funktioniert. Auch hier sind alle, die an die TI angeschlossen sind, im bundeseinheitlichen Adressbuch auffindbar.
Die Gretchenfrage
An die Telematikinfrastruktur anbinden: Ja oder Nein? Diese Frage treibt viele Kolleg:innen um und die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Perspektivisch wird die Anbindung bis Anfang 2026 verpflichtend werden (SGB V, § 360). Was jetzt schon genutzt werden kann und einen sofortigen Vorteil bringt, sind die Kommunikationsplattformen. Wenn Hebammen also auf Augenhöhe mit anderen Leistungserbringer:innen im Gesundheitswesen wahrgenommen werden wollen, ist es von Vorteil, wenn sie auf den entsprechenden Plattformen vertreten sind.
Da viele der anderen Leistungserbringer:innen schon verpflichtend an die TI angeschlossen sind, werden die Kommunikation und der Informationsaustausch zunehmend über diese Portale stattfinden, damit die Sicherheit der Patient:innendaten gewährleistet ist. Anders ausgedrückt: Wenn wir gleichberechtigt interprofessionell kommunizieren wollen, werden wir mittel- oder langfristig diese Wege nutzen müssen.
Es wird konkret – ein Beispiel
Wie könnte das konkret aussehen? Am Beispiel einer Wochenbettbetreuung lassen sich die Aspekte der Digitalisierung und der TI gut darstellen: Hebamme A wohnt im ländlichen Bereich und betreut eine Frau nach ambulanter Geburt im Wochenbett. Bei der Übernahme der Betreuung ist der Entlassbrief in der ePA der Frau hinterlegt und die Hebamme kann darauf zugreifen.
Da sie einen sehr langen Anfahrtsweg hat, hat sie mit der Frau vereinbart, dass sie einen Hausbesuch morgens aufsuchend durchführt und – wenn alles in Ordnung ist – den zweiten Hausbesuch am späten Nachmittag digital durchführt.
In der Praxis von Hebamme A arbeiten noch Hebamme B und Hebamme C. Von den beiden hat Hebamme C nur nachmittags Kapazitäten von drei Stunden, in denen sie Anmeldungen, Videoberatungen oder auch die digitalen Wochenbettbesuche übernimmt. Da die Kolleginnen eine digitale Dokumentation nutzen, können alle jederzeit auf alle Informationen zugreifen, ohne Zeit für aufwendige Übergaben zu benötigen.
Innerhalb der Betreuung wird nun die Frage nach einer Bilirubin-Kontrolle von der Pädiaterin relevant und die Hebamme kann den bisherigen Verlauf über KIM an die Ärztin schicken und bekommt umgekehrt direkt die Ergebnisse per TIM mitgeteilt. Benefit:
- Hebamme C kann mit diesem Modell ihre Berufstätigkeit aufrechterhalten, was ihr sonst nicht möglich wäre, und entlastet somit die beiden anderen Kolleginnen.
- Die beiden Kolleginnen haben damit Ressourcen für weitere Betreuungen.
- Mit Hilfe der digitalen Dokumentation reduziert sich der administrative Aufwand.
- Durch die Nutzung der Anwendungen innerhalb der TI stehen alle Informationen ohne Zeitverlust zur Verfügung, was die Versorgung verbessern kann.
Resümee
Klingt gut? Wenn wir nochmals auf die Frage zu Anfang zurückkommen, wie die bestmögliche Versorgung von Mutter und Kind unter gleichzeitiger Wahrung der Ressourcen von Hebammen aussehen kann. Hier scheinen die Digitalisierung und die Telematikinfrastruktur Instrumente zu sein, die einen Schritt in diese Richtung ermöglichen.