Der neue Präsident der DGPM Prof. Dr. Ekkehard Schleußner (r.) löst seinen Vorgänger Prof. Dr. Rolf Schlößer ab. Foto: © Birgit Heimbach
Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) betrachtete den »Wandel als Herausforderung«. Er fand online mit rund 1.000 Teilnehmer:innen vom 24. bis 27. November 2021 statt. Zwischen den vielen unterschiedlichen Themen ging es auf dem Kongress immer mal wieder um die Geburtseinleitung, ein Dauerthema in der geburtshilflichen Diskussion.
Der Geburtshelfer Prof. Dr. Sven Kehl, Oberarzt im Uniklinikum Erlangen, hat die neue Leitlinie dazu mitentwickelt. Er gab zu bedenken, dass eine Geburtseinleitung nicht das Risiko für eine Sectio erhöhe, sondern es sogar deutlich verringere. Eine Einleitung vor der 39. Schwangerschaftswoche müsse aber unbedingt einen triftigen Grund haben. Denn je früher man auf die Welt komme, desto höher sei das Risiko, »im späteren Leben früher zu sterben«. Die Einleitungsquote in seiner Klinik liege wegen des hohe Risikopotenzials bei 29 %, das sei etwas über dem bundesdeutschen Durchschnitt.
Kehl stellte die gängigen Methoden vor: Mechanische Methoden mit einem sehr geringen Risiko der Überstimulation seien Eipollösung, Amniotomie, Ballonkatheter und Dilatatoren. Medikamentös wirkten Oxytocin, Dinoproston (Prostaglandin E2) und das besonders effektive Misoprostol (Prostanglandin E1). Mitentscheidend für die Wahl sei der Bishop-Score. Kehl erläuterte, dass er gern den Ballonkatheter verwende, der ursprünglich für Schwangerschaftsabbrüche entwickelt worden sei. Dazu gebe er das neu zugelassene Medikament Angusta. Diese Kombination sei sehr erfolgversprechend. Wie das umstrittene Off-Label-Medikament Cytotec enthalte Angusta Misoprostol – aber in einer geringeren Dosis und mit einer klaren Dosierungsempfehlung.
Dr. Birthe Osorio vom Ortenau Klinikum in Offenburg zeigte in einer Übersicht mit 2.000 hauseigenen Geburtseinleitungen, dass sie in 254 Fällen Rizinusöl verwendet hatten, weil sich die Frauen dies gewünscht hätten. Mehrfach auf dem Kongress wurde aber betont, dass diese nicht standardisierte Methode nicht verwendet werden sollte, auf gar keinen Fall in der außerklinischen Geburtshilfe. Dieser Wehencocktail sei zudem eine standardunterschreitende Methode, erklärte Dr. Roland Uphoff, Fachanwalt für Medizinrecht mit einer Kanzlei für Geburtsschadensrecht und Arzthaftung: Der Cocktail sei obsolet. Medizinisch eingeleitete Geburten seien zudem Risikogeburten. Damit gelte der Arztvorbehalt.
Kleinere geburtshilfliche Kliniken, die aus Angst vor Cytotec auf Rizinusöl ausgewichen seien, sollten sich vor Augen führen, dass das Abführmittel im Off-Label-Use unkalkulierbar sei und große Risiken berge, so Prof. Dr. Werner Rath, ehemals Chef der Geburtshilfe im Klinikum Aachen. Beim Kind könne ein Mekoniumabgang provoziert werden und der Uterus könne überstimuliert werden.
In einem Block mit 22 Zuhörer:innen, den Elke Mattern als erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) betreute, stellten drei Promovierende vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ihre Arbeiten vor:
Nadine Schmitt forschte zum Wohlbefinden von Begleitpersonen bei einer physiologischen Geburt. Dies einschätzen zu können, sei für die Geburtshilfe wichtig, denn sie könnten eine Gebärende besser unterstützen, wenn sie sich auch wohlfühlten. Nach ihrem Master in Psychologie ist Schmitt seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft in Halle-Wittenberg. Sie erhofft sich, dass aus dem von ihr entwickelten Fragebogen ein etabliertes Instrument werden kann, mit dem eine Klinik das Wohlbefinden der Begleitpersonen evaluieren kann, um es dann zum Wohle der Gebärenden verbessern zu können.
Joana Streffing, die einen Master in Midwifery (M.Sc.) hat und an der Evangelischen Hochschule Berlin unterrichtet, will die Gestaltung des Gebärraumes auf die Arbeitszufriedenheit der Hebammen untersuchen. Ihnen seien beispielsweise Licht, Farbe, persönliche Gegenstände und Sitzmöglichkeiten sehr wichtig und sie wünschten sich Rückzugsmöglichkeiten, wo sie sich zu Hause fühlen könnten. Streffing möchte mit ihrer Arbeit eine Raumgestaltung im Sinne der Hebammen unterstützen.
Helen Petschenka (M.Sc.) erstellt ein standardisiertes Triage-System für Schwangere, die notfallmäßig zur Aufnahme in den Kreißsaal kommen. Ihr Zugang zu den Daten erfolge durch direkten Kontakt zu Kolleg:innen. Damit sei ein hohes Maß an Identifikation und Kooperation auf Augenhöhe gegeben zwischen Forscherin und den befragten Hebammen.
PD Dr. Gregor Seliger, Leitender Oberarzt an der Martin-Luther-Universität Halle und Dozent für die Hebammenstudierenden, wünscht sich, dass diese sich noch mehr für Forschung begeisterten. Dafür müssten ihnen vor einer Promotion noch verstärkt wissenschaftliche Methoden vermittelt werden.
Der Einfluss der zukünftigen Bevölkerungszahl in Deutschland auf die Eckdaten der Geburtshilfe wurde in einem sehr spannenden Block erörtert. Man erfuhr, dass wir derzeit eine ungünstig verzerrte Alterspyramide haben, so kämen etwa auf ein:e Rentner:in 0,5 einzahlende Personen. Erst 2040 werde sich die Rentenversorgung mit eins zu eins wieder ausgeglichen haben – diese Angaben gaben einen guten Überblick über die wohl zu erwartende Zahl an Geburten. Prof. Dr. Nicola Bauer zitierte die amtliche Bevölkerungsstatistik der Hessen Agentur, wonach es 2030 einen relativen Rückgang der Geburten um 12 % geben werde. Aufgrund der angestrebten Eins-zu-eins-Betreuung würden dafür aber trotzdem 11 % mehr Hebammen im außerklinischen Bereich benötigt, im klinischen Bereich seien es 22 %. Es müsse also dringend etwas getan werden, um die Anzahl der Hebammen zu erhöhen.
Bereits heute seien Erstgebärende im Durchschnitt 31,6 Jahre alt. Das erhöhe beispielsweise die Zahl an Fertilitätsbehandlungen, was oft eine intensivere Betreuung bedeute. Dazu kämen vermehrt Frauen mit Adipositas und Diabetes, die ebenfalls betreuungsintensiv seien. Bei der Analyse der Bedarfe sei zu bedenken, dass viele Hebammen nicht in Vollzeit arbeiteten, weil sie familiären Verpflichtungen nachkämen. Die Zahl der ausgebildeten Hebammen dürfe also nicht allein zugrunde gelegt werden. Um die Versorgung zu gewährleisten, müssten etwa digitale Beratungsangebote eingeführt werden, auch Angebote für Wiedereinsteiger:innen und die Anerkennung ausländischer Hebammen. Und schließlich müssten mehr Anreize geschaffen werden, den Beruf zu ergreifen und darin zu bleiben.
Auch PD Dr. Holger Maul, Chef der Geburtshilfe der Asklepios Klinik in Hamburg-Barmbek, wartete mit Statistiken auf. 2020 kamen 773.100 Lebendgeborene zur Welt, das waren 1,53 Kinder je Frau. Obwohl die deutschen Frauen unter den Frauen zwischen 15 und 49 Jahren mit 82,7 % den größten Anteil darstellen, lag ihre Geburtenziffer bei »nur« 1,4 %. Der Anteil der Gebärenden mit Migrationshintergrund war dabei recht groß: Die kosovarische Staatsangehörigkeit zeigte sich mit 4,2 % am häufigsten, gefolgt von der syrischen mit 3,9 %.
Die Anforderungen an die Kommunikation mit den Gebärenden seien enorm gestiegen, so Maul. Dazu kämen weitere Herausforderungen: Der Qualitätsanspruch von Seiten der Familien wachse ebenso wie der Wunsch nach Effizienzsteigerung von Seiten der Arbeitgeber. Digitalisierung und Zentralisierung seien unausweichlich. Den besten geburtshilflichen Standard hätten Kliniken mit rund 8.000 Geburten. Kleine Häuser hätten dagegen keine Chance auf ein Fortbestehen – weder qualitativ noch finanziell. Maul ist der Auffassung, dass verschiedene Versorgungstypen unter einem Dach die Lösung seien, mit einer gemeinsamen Leitung von Chefärztin und Hebamme. Er ist sich sicher: In zehn Jahren werde es nur Chefärztinnen und keine Chefärzte geben.
Laktierende Adenome, die gut erkennbar die Ligamente durchbrechen, seien schmerzlose, gutartige, schnell zunehmende Raumforderungen, die sich beim Abstillen spontan zurückbilden würden. Hinweise für bösartige Tumoren seien im Ultraschall zusätzlich etwa eine Binnenvaskularisierung, eine Hautverdickung und eine unscharfe Abgrenzung der raumfordernden Struktur. Auch Entzündungszeichen gehörten oft dazu, die dann nicht als harmlose Mastitis nach einem Milchstau fehlinterpretiert werden dürften. Für eine Differenzialdiagnostik und den Ausschluss eines Mammakarzinoms seien bei Schwangeren häufiger als sonst Stanzbiopsien nötig. In den letzten Monaten habe man bei den Frauen irritierend viele geschwollene Lymphknoten gesehen – ein harmloser Hinweis auf eine nicht weit zurückliegende Corona-Impfung.
PD Dr. Dirk Manfred Olbertz, Chefarzt der Neonatologie am Perinatalzentrum der Universitätsfrauenklinik am Klinikum Südstadt in Rostock, differenzierte das Alter der Erstgebärenden: Akademikerinnen seien bei der Geburt ihres ersten Kindes schon jetzt im Durchschnitt 35 Jahre alt – zugunsten der Karriere. Doch durch ihr erhöhtes Risiko für Frühgeburten würden gerade sie beim Nachwuchs die kognitive Entwicklung gefährden, die ihnen besonders wichtig sei. Die kognitive Entwicklung sei eben abhängig vom Reifegrad bei der Geburt.
Durch die Zentralisierung der Kliniken sei zukünftig immer mehr luftgebundene Rettung nötig. Schon jetzt gebe es Nachtflüge von über 100 Kilometern von und zur zentralen Großanlaufstelle auch für das Perinatalzentrum im Klinikum Rostock.
Im vergangenen Jahr hatte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in einer S2k-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Frühgeburt erneut formuliert, dass ein Screening bei Schwangeren auf eine asymptomatische oder symptomatische bakterielle Vaginose und eine direkt anschließende antibiotische Behandlung die Rate an Frühgeborenen nicht generell senke (DGGG 2020). Ein solches Screening hatte Prof. Dr. Erich Saling, Begründer der DGPM und Organisator vieler Kongresse der Gesellschaft, mehrere Jahre lang intensiv versucht einzuführen (siehe auch Seite 76ff.). In der Leitlinie wurde nur festgehalten, dass eine von Laktobazillen dominierte vaginale Mikrobiota mit normalen pH-Werten protektiv sei. Und nur bei Symptomen sollten Antibiotika verabreicht werden.
Drei Vorträge widmeten sich im weiteren Sinne der Dysbiose. Dr. Franziska Klaas von der Klinik St. Hedwig aus Regensburg wiederholte zunächst die Angaben von Saling: Zu 40 % seien aufsteigende Infektionen der Grund für eine Frühgeburt. Bei einer gesunden Schwangerschaft sei die Amnionhöhle zu über 99 % steril, bei einer drohenden Frühgeburt ohne Blasensprung sei sie in 12,8 % der Fälle besiedelt und zu 32,8 % bei einer drohenden Frühgeburt mit Blasensprung (Preterm Premature Rupture of Membranes/PPROM). Pathogene Keime seien Bakterien wie E. coli, Gardnerella und Mycoplasma spp. Ein Drittel aller Schwangeren mit Zervixinsuffizienz seien kolonisiert mit Myco- und Ureaplasma. Erhielten sie ein Antibiotikum, hätten sie das dasselbe Outcome wie Frauen, die eine Zervixinsuffizienz ohne diese Bakterien haben.
Laut der Fachärztin für Pathologie Dr. Ruth Hiller vom Uniklinikum Leipzig würden Dysbiosen, Infektionen und Entzündungen bei 3 % aller Schwangerschaften zum PPROM führen und dann auch zu einem gewissen Anteil zur Early Onset Neonatal Sepsis (EONS). Wenn Laktobazillen fehlten, erhöhe sich das Risiko für einen PPROM und für eine daraus folgende EONS. Eine längere Antibiotikagabe, die als Nebeneffekt auch die protektiven Laktobazillen zerstöre, sei jeweils genau zu überdenken.
Die Gynäkologin Dr. Janine Zöllkau vom Uniklinikum Jena stellte die PEONS Pilot-Studie vor – zur Vorhersage (Prediction) einer frühen neonatalen Sepsis (EONS) (Zöllkau et al. 2020): Es sollten demnach Methoden gefunden werden, zukünftig das Risiko einer Sepsis nach Blasensprung aufgrund einer Mikrobiom-Analyse des Scheidenmilieus vorhersehen zu können. Die Inzidenz einer EONS nach PPROM durch Infektion betrage 14 bis 22 %. Die Besiedelung mit Escherichia coli sei ein wichtiger Biomarker für das Risiko einer EONS. Eine Mikrobiom-Analyse scheine für das Outcome günstig zu sein, so Zöllkau.
Eine spannende Auseinandersetzung zur Leitlinie »Geburt am Termin« gab es zwischen Klinikchefs am letzten Tag. Zunächst formulierte Prof. Dr. Thorsten Fischer von der Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg und im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGG) seinen Ärger darüber, dass die Leitlinie in Hebammenzeitschriften als feministischer Sieg gefeiert werde. Schnell wurde klar, um was es bei dieser Debatte vor allem ging: um die Art der Überwachung der fetalen Herztöne unter der Geburt. Fischer erklärte gleich zu Beginn, dass er bei der Erstellung der Leitlinie gegen die Auskultation mit HT-Rohr durch die Hebammen gestimmt habe. Er sei für eine bessere Schulung in der CTG-Interpretation, denn diese sei oft verzerrt.
Prof. Dr. Constantin von Kaisenberg, Bereichsleiter der Pränatalmedizin und Geburtshilfe in Perinatalzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover, meinte dazu: Trotz CTG-Schulung gebe es kein Benefit durch das CTG. Man könne nicht um jeden Preis überwachen, es müsse auch etwas bringen. Warum mache man keine Vergleichsstudie: Auskultation versus CTG. Es sei doch einfach: »Wir wollen die Zahl der Sectiones senken, also schaffen wir die Rahmenbedingungen für die Eins-zu-eins-Betreuung und die Auskultation.« Er fragte, warum außer sechs männlichen diskutierenden Chefärzten eigentlich keine Hebamme an dieser Runde beteiligt sei. Schleußners Antwort: Es hätten sich dafür keine Hebammen gefunden.
Prof. Dr. Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Joseph-Krankenhaus in Berlin, gab zu bedenken, dass Hebammen sich einem Frontalangriff wohl nicht aussetzen wollten. Er ergänzte, dass Hebammen die Auskultation bereits verstärkt übten, dass es ihnen aber durch Corona und die Distanzvorgaben nun erschwert werde. Die Auskultation sei wohlgemerkt für die Low-Risk-Frauen gedacht. Ganz ohne CTG gehe es natürlich nicht, auch nicht in der außerklinischen Geburtshilfe.
Schleußner gab einen interessanten Aspekt zu bedenken: Man habe die NICE-Guideline vor dem Zitieren in der Leitlinie gar nicht genau studiert. Dort stehe, man habe ein Dauer-CTG mit einem intermittierenden CTG verglichen – nicht mit der intermittierenden Auskultation mittels Dopton oder HT-Rohr. Und in Bezug auf die Angabe von Kaisenberg ergänzte er: »Die Eins-zu-eins-Betreuung senkt nicht bewiesenermaßen die Zahl der Sectiones.« Prof. Dr. Fischer warf daraufhin ein: »Bestimmt sind jetzt all Zuhörer:innen irritiert!« Und blieb bei seinem Appell für das CTG: »Es gibt ja auch keinen Studien-Nachweis über die Bedeutung eines Fallschirmes und dann könnte man ja gleich ohne Fallschirm springen.«
Es kam ein Einwand über den Chat von Katharina Desery von der Elternbewegung Motherhood, ob man auch über das Thema Informed Consent sprechen könne. Kaisenberg entgegnete: »Natürlich reden wir immer mit der Frau, sie darf selbstbestimmt wählen.« Aber schnell ging es unter den sechs Ärzten wieder um das CTG.
Prof. Dr. Anton Scharl, Direktor der Frauenkliniken Amberg, Weiden, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): »Das CTG ist nicht perfekt, aber es gibt derzeit anscheinend nichts Besseres.« Prof. Dr. Holger Stepan, Leiter der Abteilung Geburtsmedizin am Uniklinikum Leipzig, äußerte sich konstruktiv: »Lasst uns bessere Methoden entwickeln.«
Das Zickzackmuster ist gekennzeichnet durch eine Bandbreitenveränderung der Baseline von mehr als 25 bpm mit einer Mindestdauer von 1 Minute und Höchstdauer von 30 Minuten. Diese Art übermäßiger Variabilität unterscheidet sich vom saltatorischen Muster, das als eine gleichmäßig erhöhte Bandbreite von über 30 Minuten definiert ist.
Laut Klaus Vetter solle man sich aber über eine sehr große Variabilität nicht immer freuen, sondern dem nachgehen. Das Zickzackmuster gehe oft späten Dezelerationen voraus (Tarvonen et al. 2020) und sei oft verbunden mit metabolischer Azidose, möglicherweise gebe es eine zerebrale Störung aufgrund von Entzündungsmediatoren, die dann zu dem CTG-Muster führe – möglicherweise im Zusammenhang mit einer Covid-Infektion, so Prof. Vetter.
Prof. Dr. Klaus Vetter, ehemaliger Chef der Geburtshilfe im Vivantes-Klinikum Neukölln und zeitweise Präsident DGGG, nannte in seinem Vortrag zum CTG an anderer Stelle des Kongresses einige wichtige Aspekte in Bezug auf die CTG-Interpretation. Platonisch fragte er: »Warum sollen wir auf Infos durch eine CTG verzichten? Sollen wir schicksalhaft oder prospektiv agieren?« Er meinte, dass es auf dem Gebiet des CTGs noch viel zu lernen gebe und stellte einige Muster vor – etwa das Zickzack-Muster (»zigzag pattern«) vor, das anscheinend im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion auftreten kann (siehe Kasten »Cycling & Checkliste«).
Als sich die Diskussion zum CTG und zum Verfassen von Leitlinien dem Ende näherte, meinte Kehl zur Bewertung von Leitlinien: »Man darf nicht aufhören, nachzudenken!« Scharl: «Leitlinien regen zum Nachdenken an.« Abou-Dakn: »Wer hätte gedacht, dass man nach 50 Jahren CTG-Schreiben nochmal neu denkt. Durch so eine Diskussion hat man Spaß weiterzuarbeiten, das hält jung.« Natürlich müsse man die Leitlinie noch nachbessern. Am Ende stand ein hoffnungsstimmender Satz: »In vier Jahren wird die Leitlinie toll!« Und Schleußner – nun gewählt zum Präsidenten der DGPM – betonte: »Wir sind nur als Team gut, die Diskussion geht weiter, gemeinsam.«
Die Hinweise auf die Bedeutung des Denkens verweisen schon auf das Motto des nächsten Kongresses der DGPM vom 30. November bis 2. Dezember 2023. Unter dem Kongresspräsidenten Prof. Dr. Mario Rüdiger, Chefneonatologe am Uniklinikum Dresden heißt es dann: »Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich«.
Das »Cycling« (zyklischer Wechsel) ist seiner Meinung nach der wichtigste Marker eines physiologischen Aktivitätswechsels und entsprechenden CTG-Befunden, die gern falsch interpretiert würden. Vetter: »Ein Zyklus im CTG stellt sich durch wechselnde Phasen aktiver und ruhiger Schlafmuster dar.« Diese ähneln den »Rapid Eye Movement«- (REM) und »Non-REM«-Schlafzyklen von Erwachsenen und kennzeichnen das Wohlbefinden des Fetus während der Wehen (Chandraharan 2018). Vetter: »Das Cycling deutet auf eine adäquate neurologische Reaktionsfähigkeit hin. Die Übergänge zwischen den Mustern werden nach 32 bis 34 Schwangerschaftswochen deutlicher.« Dabei sei zu beachten: »Von der Pathophysiologie aus sind die zyklischen Wechsel über einen gewissen Zeitraum und nicht nur akzidentell das Entscheidende.«
Vetter zitierte die Checkliste zur Fetalüberwachung mittels CTG nach der Londoner Gruppe um Chandraharan (2017):
Allmählich entstehende Hypoxie:
Chandraharan E: Handbook of CTG Interpretation: From Patterns to Physiology. Cambridge 2017
Chandraharan E, Preti M: Importanceof fetal heart rate cycling_during the interpretation_of the cardiotocograph_(CTG). International Journal of Gynecology and Reproductive Sciences 2018. www.researchgate.net/publication/326904907_
Sinaci S, Ocal DF, Tokalioglu EO, Ozturk FH, Senel SA, Keskin LH, Tekin OM, Sahin D: Cardiotocographic features in COVID-19 infected pregnant women. JPerinat Med. 2021. doi: 10.1515/jpm-2021–0132
Tarvonen M, Petteri H, Sainio S, Vuorela P, Andersson S, Teramo K: Intrapartum zigzag pattern of fetal heart rate is an early sign of fetal hypoxia: A large obstetric retrospective cohort study. 2020. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica 2020. Volume 100, 2: 252–262. doi.org/10.1111/aogs.14007. https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/aogs.14007
Zaima A, Chandraharan E: Intrapartum Fetal Monitoring 2021. Glob libr women´s med (GLOWM). The continious Textbook of Women´s Medicine Series – Obstetrics Module 2021. DOI: 10.3843/GLOWM.415163
Zöllkau J, Pastuschek J, Borges L, Heimann Y, Makarewicz O, Bergner M, Haase R, Stubert J, Olbertz DM, Pieper P, Dawczynski K, Schleußner E.: PEONS: Prädiktion der Early-onset neonatal Sepsis (EONS) nach vorzeitigem Blasensprung (PPROM) mit vaginaler Mikrobiom-Analyse . Geburtshilfe Frauenheilkd 2020. 80(10): e145. DOI: 10.1055/s-0040–1717995. www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0040-1717995