Mit großer Traurigkeit schreibe ich, dass die Geburtswelt zwei ihrer großen Helden verloren hat. Dr. med. Marsden Grigg Wagner und Dr. David B. Chamberlain sind von uns gegangen. Am 28. April verkündete Karen Joan Wagner ihren Freunden auf Facebook: „Ruhe in Frieden – mein Vater, Marsden Grigg Wagner, ist gestern im Krankenhaus in West Virginia ruhig gestorben. Er hatte ein unglaubliches Leben, und hat mehr getan und mehr Leuten geholfen, als die meisten von uns sich je erträumen könnten. Ich werde ihn in Erinnerung behalten als warm und fürsorglich und liebevoll und charmant und intelligent und musikalisch. Er hat mich sehr geliebt und wir hatten viele tolle gemeinsame Zeiten. Ich schätze mich glücklich, so viele gute Erinnerungen an ihn zu haben.”
Die Nachricht vom Verlust von Marsden Wagner, 84, verbreitete sich durch die sozialen Medien in der Welt der natürlichen Geburtshilfe, der Doulas und der Hebammen. Und am 1. Mai wurde der Tod von Dr. David Chamberlain bekanntgegeben, der ebenfalls 84 Jahre alt wurde. Auch sein Leben und seine Arbeit hatten eine sehr große Wirkung auf dieselben Kreise. Diese beiden Männer waren Größen, gefeiert, zitiert und verehrt von Hebammen und Unterstützern der natürlichen Geburt weltweit.
Für die „normale” Geburt
Marsden Wagner war 15 Jahre lang Referatsleiter des europäischen Regionalbüros Gesundheit für Mutter und Kind von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kopenhagen. Er war Perinatologe und perinataler Epidemiologe. Außerdem war er ein begehrter Redner auf Geburtskongressen, unter anderem bei den weltweit stattfindenden Midwifery Today-Konferenzen. Er war ein ausgesprochener Befürworter der natürlichen Geburt und der Hebammenarbeit. Und manchmal wurde er gebeten, mit Gesetzgebern und Entscheidungsträgern über die Vorteile von Hebammen zu sprechen.
Marsden Wagner hat einige bedeutende Bücher veröffentlicht, unter anderem „Pursuing the Birth Machine, Creating Your Birth Plan: The Definitive Guide to a Safe and Empowering Birth” und „Born in the USA” (Anm. d. Übersetzerin: es gibt noch keine deutschsprachigen Übersetzungen). Er hat zahlreiche Artikel geschrieben (siehe Links), die Befürworter der normalen Geburt auf der ganzen Welt beeinflussen.
Häufig wurde er von Filmemachern um Rat gebeten, die geburtshilfliche Themen dokumentierten. Interviews mit ihm sind in den Filmen „The Business of Being Born” von Ricki Lake, „Gentle Birth Choices” von Barbara Harper und „Pregnant in America” erschienen. Marsden Wagner war einer der ersten, der vor den Gefahren des Magenmittels Cytotec warnte, das zur Einleitung der Geburt eingesetzt wird, teilweise mit tödlichem Ausgang. Er war entschieden: „Setzen Sie Cytotec nicht zur Geburtseinleitung ein.” Die Hebamme und Pädagogin Gloria Lemay ehrt Marsden Wagner in ihrem Blog: „Seine Leidenschaft für die Geburt war keine der leidenden Art… er liebte Babys und er wollte die Geburtshilfe in eine intelligente Richtung lenken, die der gesamten Menschheit dienen sollte, und er hatte Spaß auf dieser Reise.” (http://wisewomanwayofbirth.com/marsden-wagner-md-remembered/)
Sie sagte ihm einmal, wie sehr sie ihn bewundere und wie wichtig seine Arbeit sei. Er antwortete ihr: „Gloria, du und all die Frauen, die bei den Geburten dabei sind, ihr seid diejenigen, die ich bewundere. Ihr gebt mir Kraft und ich verehre euch.”
Er hat sich viele Jahre seines Lebens eingesetzt als Fürsprecher für sichere geburtshilfliche Praktiken. Eines seiner primären Ziele war: mehr Hebammen und ein Ende ihrer Verfolgung. „Seit 50 Jahren haben wir Gehirnwäsche bei amerikanischen Frauen betrieben bezüglich der Geburt, wie gefährlich sie ist, wie viele schreckliche Sachen schiefgehen können, und dass sie im Krankenhaus sein müssen, wo all die Ärzte sind und all die Maschinen und all die OP-Tische, damit wir die ganzen furchtbaren Notfälle behandeln können, wenn sie stattfinden … Es ist absolut nicht wahr.”
Der alleinerziehende Vater von vier Kindern hat unermüdlich gearbeitet, um eine Veränderung zu bewirken, und sprach oder schrieb oft vernichtend über die medikalisierte Geburtsmaschine. Das Internetportal The Inquisitr hat Marsden Wagner schon früher zitiert, als er die Grundlage des Widerstands gegen Hebammen, Wassergeburten und Hausgeburten offenlegte: „Das Ganze geht um Revierverhalten. Es geht um Macht. Es geht um Kontrolle. Und letztlich geht es um Geld.” Marsden Wagner hörte nie auf, Frauen in dem Glauben zu unterstützen, dass die Macht der Geburt ihre sei. Sein Einfluss war unermesslich.
Dr. David Chamberlain: ein Kraftwerk
Dr. David Chamberlain war ebenso ein Kraftwerk. Er war Psychologe, Autor und Pionier in der prä- und perinatale Psychologie. Er war Mitbegründer von BirthPsychology.com, der Internetseite für die US-amerikanische Gesellschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Gesundheit (APPPAH: The Association for Pre- and Perinatal Psychology and Health). Er hat das bahnbrechende Buch „Babies Remember Birth” geschrieben (auf Deutsch: „Woran Babys sich erinnern”, Kösel, 2010). Zum zehnjährigen Jubiläum wurde es neu aufgelegt, umbenannt in „The Mind of Your Newborn Baby”. Dr. Chamberlain schrieb und sprach ausgiebig darüber, dass Babys im Mutterleib tatsächlich fähig sind zu lernen, Schmerz zu empfinden, zu kommunizieren und echte Erinnerungen zu haben. Im Rahmen seiner lebenslangen Forschung dokumentierte er viele Fälle von Menschen, die sich an vorgeburtliche Ereignisse erinnerten: Erinnerungen, die empirisch verifiziert wurden.
Zu lange hätten Mediziner Neugeborene so behandelt, als ob ihre Schreie einfach nur Reflexe wären, als ob sie „unmöglich echte Erfahrungen machen könnten”. Man glaubte, dass sie nicht wirklich Schmerz empfinden könnten. Wie David Chamberlain aber herausfand, war die Realität eine andere: Babys empfanden tatsächlich Schmerzen während schmerzhafter Erlebnisse. Er entdeckte auch, dass die frühen Erfahrungen im Mutterleib und in der Zeit um die Geburt oft tiefgehende, manchmal traumatische Auswirkungen auf den Menschen hatten, mit lebenslangen Folgen. Er sagte, die „Experten” seien unwissend bezüglich Babys, was zu „Traumaschichten” führen könne. Chamberlain hat erklärt, dass Babys im Mutterleib zur Erinnerung fähig sind, lange bevor es genug Hirnzellen gibt, um die Erinnerungen auf einer strikt physiologischen Basis zu erklären. Sie haben eine „Psyche” oder eine Seele von Anfang an. Jahrzehntelange Forschung von Chamberlain und anderen hat dies bestätigt.
Wandel im Umgang mit Neugeborenen
Aufgrund seiner Erkenntnisse über die Fähigkeiten des Neugeborenen wurde Dr. Chamberlain zu einem starken Verfechter für einen Wandel im Umgang mit Neugeborenen. Er schrieb und sprach ausführlich darüber, dass Neugeborene und Babys im Mutterleib fühlende, bewusste Menschen sind. Viele Praktiken des typischen amerikanischen Geburtsmodus ignorieren die starken Proteste der Babys bezüglich dessen, was sie erleben. In seiner 1989 veröffentlichten Arbeit „Babies Remember Pain” erklärte er, dass Babyschreie zum Ausdruck bringen, dass sie eine grobe Behandlung nicht mögen (www.cirp.org/library/psych/chamberlain/). Sein Abstract zur Arbeit „Babys haben seit Jahrhunderten bei der Geburt geweint, aber wir waren nicht bereit, ihre Schreie als berechtigten Ausdruck von Schmerz, der im Gedächtnis aufgenommen wird, zu akzeptieren. Trotz zunehmender Beweise war Verleugnung die typische Reaktion von Psychologen und Medizinern auf Säuglingsschmerzen. Schlüsselmythen über das Gehirn haben die Begründung für schmerzhafte Prozeduren geliefert. Vor diesem Hintergrund belegen Studien über das Schreiverhalten von Säuglingen, dass Weinen sinnvolle Kommunikation ist. Beispiele prä- und perinataler Schreie werden untersucht. Beweise für den Schmerz der Beschneidung werden in persönlichen Erinnerungen und Forschungsergebnissen gefunden. Ein abschließender Abschnitt richtet den Blick auf Schmerz in der Neugeborenen-Intensivstation, im Kreißsaal und Kinderzimmer und schließt mit der Bitte, alle schmerzvollen Prozeduren, die Neugeborenen zugemutet werden, zu überdenken.”
Ähnlich wie Marsden Wagner wurde David Chamberlain oft für Dokumentarfilme über Geburtshilfe um Kommentare gebeten. Auch er befürwortete Hebammenbetreuung bei der Geburt, wegen deren Umgang mit den Babys. Er ist unter anderem zu sehen in Filmen wie „What Babies Want” von Noah Wylie, in „The Other Side of the Glass” und in „The Psychology of Birth”.
Revolutionär
Marsden Wagner und David Chamberlain waren beide auf ihre Art Revolutionäre. Die Wichtigkeit ihres Vermächtnisses kann nicht hoch genug geschätzt werden.
Falls einer von diesen unglaublichen Männern Ihr Leben berührt hat, lade ich Sie ein, über den Einfluss von Dr. Marsden Wagner und/oder Dr. David Chamberlain in den Kommentaren zu diesem Nachruf (Link zum Artikel, siehe Hinweis) zu schreiben. Zeigen Sie der Welt, wie besonders sie waren und wie ihr Leben weiter durch die Zeit Wellen schlagen wird. Ruhet in Frieden, liebe Herren, ich werde euch nie vergessen.