Wirbel- oder Gelenkverschiebungen beim Kind zeigen sich über seine Beweglichkeit – gerade bei Drehbewegungen des Kopfes. Foto: © Efe Gökpinar

ChiropraktorInnen behandeln ausschließlich mit Hilfe ihrer Hände mechanische Probleme an Gelenken, Muskeln, Sehnen und Bändern sowie deren Auswirkungen. Typische Schwangerschaftsbeschwerden wie Becken- und Rückenschmerzen können sie genauso erfolgreich behandeln, wie Koliken, Kopfschiefstände und weitere Körper­asymmetrien bei Neugeborenen.

Angewandte Chiropraktik bedeutet, dass Fehlstellungen von Wirbeln und Gelenken korrigiert und Blockaden gelöst werden. ChiropraktorInnen sprechen dabei von Justierung, weil sie Wirbel und Gelenke ganz gezielt durch Technik und Schnelligkeit und nicht über Kraft justieren. Die Behandlung von Neugeborenen erfolgt ganz besonders sanft, mit nur wenig Druck, mehr von einzelnen Fingern als von den Händen.

Chiropraktische Behandlungen sind für Erwachsene, Kinder, Babys und Neugeborene gleichermaßen zu empfehlen, da viele Symptome und Beschwerden gut zu beheben sind. Und zwar grundsätzlich ohne den Einsatz von Spritzen und Medikamenten, nur mit den Händen.

In der Schwangerschaft

Die Auflockerung aller Gewebe in der Schwangerschaft begünstigt eher Fehlpositionierungen von Wirbeln und Gelenken als im nichtschwangeren Zustand. Die Fehlstellung der Wirbel übt einen Druck auf das Nervensystem aus und führt zu Schmerzen und funktionellen Beeinträchtigungen. Am häufigsten treten folgende Symp­tome oder Beschwerden auf, die durch eine chiropraktische Behandlung verbessert oder behoben werden können:

  • Ischalgie – ausgelöst unter anderem durch Überbelastung der Wirbelsäule
  • Hüftblockaden – ausgelöst durch stärkere Gewichtsbelastung, hormonelle Veränderung (erhöhter Relaxin-Spiegel) und falsche Haltung
  • Verspannungen und Blockaden im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule – ausgelöst durch das erhöhte Gewicht der Brust.

Für werdende Mütter bedeuten chiropraktische Behandlungen, dass sie im Hinblick auf ihren Bewegungsapparat stabiler und schmerzfrei durch die Schwangerschaft kommen. Das Kind kann sich im Uterus besser positionieren und entwickeln. Das erleichtert nicht zuletzt den Geburtsvorgang. Eine physiologische Geburt wiederum wirkt sich positiv auf die Entwicklung des Kindes aus.

Die Behandlung kann in bekleidetem Zustand stattfinden. Die Schwangere liegt auf der Seite. Die gesamte Wirbelsäule wird abgetastet und der Ort der Fehlstellung diagnostiziert. Mit einer kleinen, schnellen Bewegung wird die Fehlstellung der Wirbel behoben. Neben einer „Befreiung” des Gelenkes hat Chiropraktik auch einen entspannenden Effekt auf die Muskeln in der Umgebung. Nach wenigen Minuten ist die manuelle Behandlung vorbei. 25 bis 40 Prozent der Patientinnen verspüren schon nach der ersten Behandlung eine deutliche Besserung. Die Behandlung erfolgt anfangs im Abstand von zwei Tagen und wird je nach Erfolg in größeren Abständen fortgesetzt.

Studium zum Chiropraktor

SpezialistInnen für Chiropraktik sind an ihrer Ausbildung zu erkennen und nennen sich in Deutschland ChiropraktorInnen. Sie haben ein intensives Studium der Chiropraktik absolviert: fünf Jahre an der Universität oder Hochschule sowie ein Praxisjahr. Die Ausbildung entspricht sowohl den einheitlichen internationalen Standards als auch den Richtlinien der WHO. ChiropraktorInnen verfügen über fundierte Kenntnisse in der Allgemeinmedizin und sind dazu in der Lage, radiologische Bilder zu lesen und zu deuten. Als weltweit drittgrößter Heilberuf neben der Schul- und Zahnmedizin nimmt die Chiropraktik heute mit derzeit rund 90.000 ChiropraktorInnen eine wichtige Position zwischen Orthopädie, Neurologie, Innerer Medizin und Rheumatologie ein. Ihre Wirkungsweise und Effektivität ist wissenschaftlich belegt. Deutschland ist eines der wenigen Industrieländer, in denen die ChiropraktorInnen noch nicht ausgebildet werden und nicht offiziell ins staatliche Gesundheitssystem integriert sind. Während beispielsweise in Dänemark große Unternehmen sogar eigene Betriebs-ChiropraktorInnen beschäftigen, praktizieren in ganz Deutschland aktuell nur etwa 100 ChiropraktorInnen. Da es in Deutschland kein Chiropraktoren-Gesetz gibt, sind sie dazu verpflichtet, unter dem Heilpraktiker-Gesetz zu arbeiten, obwohl keine Regelungen über Ausbildungsvoraussetzungen, Dauer oder Inhalt der (Heilpraktiker-)Ausbildung existieren. Das Heilpraktikergesetz definiert lediglich, dass man eine Erlaubnis braucht, wenn man die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt (approbiert) zu sein.

Bei ChiropraktorInnen ist also garantiert, dass es sich um SpezialistInnen handelt (Church et al. 2016), während es bei ChiropraktikerInnen und ChirotherapeutInnen keine einheitlichen Ausbildungsstandards gibt.

Weitere Informationen

Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Chiropraktik gibt es Informationen über die geschichtlichen und wissenschaftlichen Aspekte der Chiropraktik und die Arbeit der ChiropraktorInnen:
www.chiropraktik.de

ChiropraktorInnen in der Nähe sind zu finden unter:

Abbildungen 1 und 2: Physiologische Symmetrie der Hautfalten des Babys und asymmetrische
Faltenbildung bei Fehlstellungen einzelner Gelenke Zeichnung: © Jonas Greef

Zeichnung: © Jonas Greef

Neugeborene und Babys

Bei Neugeborenen und Babys liegt die Erfolgsquote mit durchschnittlich vier Behandlungen bei 90 Prozent. Die hohe Effektivität liegt darin begründet, dass die Ursachen der Symptome ausschließlich während der Schwangerschaft oder der Geburt entstehen und die Kinder in der ersten Zeit überwiegend schlafen, essen und verdauen. Bis zur ersten Behandlung vergeht im besten Fall relativ wenig Lebenszeit, damit aus Fehlstellungen durch falsche Belastungen keine Fehlhaltungen werden. Die biomechanischen Funktionsstörungen können schnell und nachhaltig behoben werden.

Im Vergleich dazu sind die Ursachen bei Erwachsenen vielzählig und dauern zum Teil seit Jahren an – von Bewegungsmangel über regelmäßige Fehl- und/oder Überbelastung (beispielsweise zu lange vor dem Computer sitzen oder Kinder tragen) bis hin zu Traumata wie Sportverletzungen.

Wenngleich der Säuglingskörper für die starken Kräfte ausgerüstet ist, die während einer natürlichen Geburt auf ihn einwirken, kann es zu Wirbel- und Gelenkverschiebungen kommen. Diese Fehlstellungen können die Entwicklung des Kindes nachhaltig stören. Das Risiko für Wirbel- oder Gelenkverschiebungen ist erhöht bei

  • Zeitdruck oder Beschleunigung beim Geburtsvorgang – Druck auf den Bauch der Mutter
  • Einsatz von Instrumenten wie Saugglocke und Geburtszange
  • einem sehr großen Kind: Der Platz im Mutterleib ist nicht ausreichend, so dass das Kind „gestaucht” wird
  • einer unphysiologischen Position des Kindes (zum Beispiel Steißlage, Sternengucker)
  • einer falschen Einstellung des Kindes aufgrund eines Beckenschiefstandes der Mutter
  • einer sehr langen Geburt (erhöhte Kräfteeinwirkung auf den kleinen Körper)
  • einem akuten Kaiserschnitt.

In diesen Fällen ist zu überlegen, in den ersten Tagen nach der Geburt einen Check-Up von einem Chiropraktor machen und das Kind behandeln zu lassen, wenn erforderlich. Eltern können auch selbst auf Auffälligkeiten achten und gegebenenfalls einen Chiropraktor aufsuchen. Bei den folgenden Symptomen kann eine chiropraktische Behandlung sehr oft auf sichere Art Abhilfe schaffen, was durch Studien wissenschaftlich belegt ist (Miller & Benfield 2008; Alcantara 2009; Miller 2012; Alcantara 2015):

  • Koliken
  • Schreikind
  • Weinen beim An- und Ausziehen
  • Schwierigkeiten beim Stuhlgang
  • Nicht auf dem Bauch liegen wollen
  • extreme Körperspannung (Opisthotonus – die Kinder sind sozusagen rückwärts überstreckt wie ein Flitzebogen)
  • Asymmetrien von Körperfalten (siehe Abbildung 1)
  • Das Kind ist in der Entwicklung zurück.
  • Das Kind spuckt sehr viel.
  • Es bewegt die Arme und Beine nicht gleich gut.
  • Es kann eine Hand nicht gut öffnen.
  • Dominanz in der Kopfhaltung: Das Kind dreht den Kopf bevorzugt auf eine Seite und/oder bevorzugt beim Stillen eine Brustseite.

Trinkt das Kind beispielsweise auf einer Seite besser an der Brust als auf der anderen, lässt sich zu Hause einfach testen, ob es einem Chiropraktor vorgestellt werden sollte. Wenn eine Schulter oder der Körper mit der Bewegung des Kopfes mitgeht, ist der Hals verspannt und eine chiropraktische Behandlung ist nötig. Die eingeschränkte Kopfbewegung kann dazu führen, dass der Hinterkopf durch das ständige Darauf-Liegen abflacht. Das ist innerhalb der ersten drei Lebensmonate gut behandelbar.

Die Behandlung der Kinder erfolgt am besten auf der Liege, während sie schlafen oder entspannt satt sind. Der Vater oder die Mutter können ihr Kind festhalten, so dass immer ein Körperkontakt besteht, während der Chiropraktor das Kind behandelt. Einige Kinder schlafen einfach weiter, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass die Behandlung nicht weh tut. Häufig werden die Kinder nach der Behandlung noch in der Praxis gestillt. Meistens ist es nur der Schreck, der die Kinder kurz unglücklich sein lässt. Bis zur nächsten Behandlung vergehen ein bis zwei Tage, so dass die gesamte Behandlungsdauer kaum über zwei Wochen hinausgeht.

Abbildung 3: Schematische Darstellung eines einfachen Tests, den die Hebamme oder die Eltern selbst durchführen können: Kopf des Kindes nach links und nach rechts drehen und dabei darauf achten, ob die Schultern entspannt liegen bleiben. Links bewegt sich die Schulter in der Drehung mit, rechts bleibt sie liegen. Zeichnung: © Jonas Greef

Zeichnung: © Jonas Greef

Tipps für Eltern, um Nacken- und Kopfprobleme bei ihrem Baby zu vermeiden
  • Beim Zu-Bett-Legen abwechselnd den linken und den rechten Hinterkopf belasten. Wenn der Kopf abgeflacht ist, auf die Gegenseite (auf die runde Seite) legen.
  • Babys sollten so wenig Zeit wie möglich in gekrümmter Haltung verbringen (beispielsweise in Autositzen).
  • Die Bauchlage fördert die Entwicklung des Kindes:
  • Sollte das Baby grundsätzlich Probleme haben, auf dem Bauch zu liegen, zeitlich staffeln: Zuerst mit ein bis zwei Minuten pro Tag beginnen und langsam erweitern. Ziel ist alle zwei Stunden fünf Minuten Bauchlage.
  • Wenn das Baby eine Lieblingsseite hat, den Kopf auch mal auf die Gegenseite drehen, während es in Bauchlage ist.
  • Spielsachen auf die Gegenseite der Lieblingsseite legen, um so die Drehung dorthin zu fördern.

Chiropraktische Beratung

ChiropraktorInnen stehen den Schwangeren und Müttern auch beratend zur Seite. Sowohl im Hinblick auf das Wohl des Kindes als auch auf das eigene Wohl, da das Kind davon automatisch profitiert. Daher ist es wichtig, dass Mütter immer wiederkehrende, neue Gewohnheiten wie das Wickeln oder Stillen von Anfang an richtig machen, um die eigene Gesundheit zu schonen.

Tipps, die bei Eltern und Baby für einen entspannten Rücken sorgen

Transport

  • Das Kind nur so lange wie nötig in den Kinderautositz legen.
  • Bei langer Autofahrt Pausen einplanen und das Baby zum Ausgleich hochheben und auf den Bauch legen.
  • Eine Babyschale immer nur beidhändig, ganz nah vor dem Körper tragen und mit Blick nach vorne aufs Kind.
  • Das Baby eng vor dem Körper tragen, größere Kinder „huckepack” hinten auf dem Rücken.

Bewegung

  • Beim Spazierengehen mit Kinderwagen hin und wieder jemanden anderes schieben lassen. Dann kann man selbst auch mal die Arme frei schwingen lassen.
  • Gymnastik mit dem Kind stimuliert Koordination, Balance, Kraft und Nähe – Zeitpunkt der Übung der Stimmung des Kindes anpassen.

Alltag

  • Rucksack statt einseitig getragener Wickeltasche.
  • Höhe der Wickelkommode anpassen, sodass die Unterarme im rechten Winkel gebeugt sind.
  • Wenn man das Kind hochhebt, selber den Rücken möglichst gerade behalten.
  • Beim Stillen mit einem Kissen im Rücken und Nacken nach hinten lehnen. So kann die Mutter das Baby beobachten, ohne den Nacken zu überdehnen.
  • Wenn das Kind aus dem Bettchen oder Laufstall gehoben wird, sollte die Liegefläche des Kindes so hoch wie möglich gestellt werden, ohne die Sicherheit zu gefährden.

Kommt eine neue Patientin mit ihrem Baby durch die Empfehlung einer Hebamme in die Praxis, erhält die Hebamme im Anschluss einen Bericht über die Behandlungsergebnisse vom Chiropraktor. Durch diese Rückmeldung wird Transparenz und Vertrauen geschaffen und unter Beweis gestellt, wie die chiropraktische Behandlung gewirkt hat.

Die meisten Hebammen erleben in den parallel zur der Behandlung stattfindenden Wochenbettbesuchen schon deutliche Veränderungen am Kind und Entspannung in der Familie.

Zitiervorlage
Gökpinar E: Chiropraktik für Schwangere und Neugeborene: Mit den Händen heilen. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2017. 69 (2): 26–29
Literatur

Alcantara J, Ohm J, Kunz D: The safety and effectiveness of pediatric chiropractic: a survey of chiropractors and parents in a practice-based research network. Explore (NY) 2009. 5(5):290-5

Alcantara J, Alcantara JD, Alcantara J: The Chiropractic Care of Infants with Breastfeeding Difficulties. Explore (NY) 2015. 11(6):468-74

Church EW et al.: Systematic Review and Meta-analysis of Chiropractic Care and Cervical Artery Dissection: No Evidence for Causation 2016. 8(2)

Cochrane Database of Systematic Reviews: Plain Language Summaries. Manipulative therapies for infantile colic 2012

Miller JE, Benfield K: Adverse effects of spinal manipulative therapy in children younger than 3 years: a retrospective study in a chiropractic teaching clinic. J Manipulative Physiol Ther 2008. 31(6): 419-23

Miller JE, Phillips HL: Long-term effects of infant colic: a survey comparison of chiropractic treatment and nontreatment groups. J Manipulative Physiol Ther 2009. 32(8): 635-8

Miller JE. et al: Efficacy of Chiropractic Manual Therapy on Infant Colic: A Pragmatic Single-Blind, Randomized Controlled Trial. Journal of Manipulative & Physiological Therapeutics 2012.Volume 35 (8) 600–607

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