Brüste werden sowohl unter dem Aspekt von weiblicher Schönheit angesehen, als Symbole für Sexappeal, aber auch für Mütterlichkeit betrachtet. Frauen finden im Laufe ihres Lebens unterschiedlich guten Kontakt zu ihren eigenen Brüsten, zu deren Aussehen und den Gefühlen, die Berührungen ihrer Brüste auslösen können. Hebammen sollten das in ihrer Arbeit berücksichtigen. Sie können Frauen darin unterstützen, ihre Brüste liebevoll zu akzeptieren.
Mehr als Stillorgane
Jede und jeder hat einen anderen Blick auf weibliche Brüste – die eigenen oder die von anderen. Und jede Frau empfindet Berührungen an ihren Brüsten anders. Manche Brüste sind sehr robust, andere äußerst sensibel. Sie reagieren auch verschieden auf unterschiedliche Situationen und Menschen. Wenn die Brüste zwar sichtbar, aber so empfindlich sind, dass sie keine festen oder groben Berührungen vertragen, gilt das bei einigen Männern als Defizit an praller Weiblichkeit – eine Wertung, die so manche selbstunsichere Frau übernimmt.
Brüste sind auch nicht immer gleich, sie wandeln sich in den Lebensphasen. So gibt es Veränderungen der Brüste in Form und Farbe in Zusammenhang mit der Menstruation, bei anderen Hormoneinflüssen, bei Gewichtszunahme oder -abnahme sowie in den verschiedenen Altersphasen. Gesellschaftlich werden diese Veränderungen manchmal als unschön abgewertet. Die mediale Norm ist die einer jungen, prallen, runden und symmetrischen Brust. Operative Brustvergrößerung oder -verkleinerung ohne medizinische Gründe sind daher zu einem weit verbreiteten Eingriff bei Frauen geworden.
So exponiert weibliche Brüste in Medien und Werbung auch präsentiert werden, tragen nicht alle Frauen sie unbefangen und mit Stolz vor sich her. Das Anschwellen der Brüste bei Erregung (bei der die Brustknospen nicht automatisch hart werden), bei dem sich die Venen der Brust mit Blut füllen, wird als Zeichen der Lust verstanden. Brustknospen sind sehr berührungs- und kälteempfindlich und gehören zu den zentralen erogenen Zonen des weiblichen – und so manchen männlichen – Körpers. Auch die Montgomery-Drüsen rings um die Knospe reagieren auf sexuelle Erregung und treten hervor.
Bei positiver Einstellung zum Körper in der Schwangerschaft und beim späteren Stillen kann das Prallerwerden der Brüste als positives Zeichen der eigenen Mütterlichkeit empfunden werden. So manche Frau mit sonst eher kleinem »Busen« freut sich über das vorübergehende Supersizing rund um die Geburt und die neuen BH-Körbchengrößen.
Berührungen
Die Brüste einer Frau zählen zu den intimen Zonen ihres Körpers. Wer sie wie berühren darf, ist eine sehr subjektive Entscheidung. Manche Frauen lieben alltägliche und erotische Berührungen durch ihre PartnerInnen, andere mögen dort gar nicht angefasst werden – oder nur unter bestimmten Bedingungen. Übergriffige Berührungen und Blicke im Alltag lassen besonders Frauen mit hervor-ragenden Brüsten zu dunkler, weiter Kleidung greifen, um sie zu verstecken.
Inzwischen gibt es viele Anregungen zur Selbstuntersuchung der Brust als Früherkennung von Brustkrebs. Und die meisten Brusttumore werden selbst getastet. Das ist eine gute Eigendiagnostik. Allerdings wird so die Brust als potenzielles Risiko vermittelt und soll regelmäßig prüfend betastet werden.
Was aber ist mit der Lust in der Brust jenseits äußerer Formen? Immer mehr Frauen und Mädchen entdecken in ihnen wie »aus Versehen« eine spannende erogene Zone, also einen Ort für Erregungen, Ekstasen und heiße Quellen der Kraft für den ganzen Körper. Dennoch können viele Frauen ihre Brüste weniger als ureigene Lustquellen begreifen, sondern eher als Quellen der Lust für ein Liebesgegenüber.
Sensibilität und Verletzlichkeit
Frauen stehen selten mit »stolzgeschwellter Brust« da, vielmehr verstecken viele ihren Brustbereich – entweder, weil sie selbst die Größe und Form ihrer Brüste nicht mögen oder weil sie im Laufe ihres Lebens immer wieder Verletzungen und Abwertungen, Ignoranz oder unangenehme Berührungen erlitten haben. Manche haben ihre Brüste sogar vor ihrem eigenen Bewusstsein versteckt und können sie nicht mehr sensibel wahrnehmen. Entsprechend kommt es mir vor, als ob der ganze Geschlechterkampf und die Kontroversen der Frauenfrage sich im Feld weiblicher Brüste abspielen würden. Die Frage von Zeigen oder Verstecken bezieht sich jedoch eher auf äußere Formen als auf die eigenen inneren Empfindungen, die Frauen in ihren Brüsten haben. Diese werden von den meisten Frauen noch mehr versteckt als die äußeren Formen.
Das Thema Brustvergrößerungen und Brustverkleinerungen (außer bei direkten körperlichen Beschwerden) hat eine wichtige Grundlage: Keine Frau soll sich so schön fühlen, wie sie gerade ist, sondern den Drang entwickeln, anders zu werden, um mehr anerkannt und geliebt zu werden.
Was für viele so erst einmal schwer vorstellbar ist, kann im besonders geschützten Rahmen wie in einem Tantra-Kurs befreiend und ermächtigend wirken: wenn Frauen wohlwollend, mit offenem Herzen, die Brüste anderer Frauen in all ihrer Vielfalt und Schönheit ansehen können.
Einige Frauen, denen eine oder beide Brüste als sichtbare Erhebungen fehlen oder die für ihre Begriffe viel zu kleine Brüste haben, sind erstaunt, wie viel positive oder erotische Gefühle hier vorhanden sind, wenn sie ihre Brüste sehr bewusst, liebevoll und achtsam berühren oder berühren lassen.
Es ist ein riesiger Unterschied, ob die Brüste nur auf Knoten hin abgetastet werden, oder ob sie sorgsam und zärtlich berührt werden. Auch wenn sie mit den eigenen Händen gehalten, als ganz eigenes Körperteil wahrgenommen werden, kann sich Brustbewusstsein entwickeln.