Chromosomenteppich der Textilkünstlerin Jeanne-Marie Mohn in der TOUCHDOWN-Ausstellung im Zentrum Paul Klee in Bern. Foto: © Britt Schilling

Wie stehen Menschen mit Down-Syndrom zu pränatalen Bluttests? Seit es den NIPT gibt, werden sie dazu befragt. Obwohl sie das Thema als sehr schmerzhaft erleben, geben sie klare Antworten.

Seit 2012 sind sogenannte NIPT, also nicht-invasive Pränataltests, auf dem deutschen Markt erhältlich. Mit diesem Test kann nach einer Blutentnahme bei der Mutter vorgeburtlich die Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 13, 18 oder 21 beim Ungeborenen festgestellt werden. Seit Juli 2022 ist der Test eine Kassenleistung. In der Diskussion darum werden Autor:innen des Magazins Ohrenkuss von Journalist:innen gefragt, wie sie als Menschen mit Down-Syndrom dazu stehen.

Lange hat das Team Interviewanfragen zu dem Thema abgelehnt. Viele der Autor:innen finden es schmerzhaft, sich dazu äußern. Schätzungsweise neun von zehn Paaren entscheiden sich nach einem positiven Test gegen ein Kind mit Down-Syndrom, und die meisten Menschen mit Down-Syndrom erfassen: Dieses Kind wird nicht geboren, weil es so ist wie ich.

Aufklärung, Toleranz, wirkliche Gleichberechtigung

Carina Kühne hat das Down-Syndrom und ist 38 Jahre alt. Sie findet es wichtig, über dieses Thema zu sprechen. Sie schreibt in ihrem Blog: »Ich habe das Down-Syndrom, deshalb bin ich anders als die meisten Menschen. Ich habe nämlich nicht 46, sondern 47 Chromosomen. Das Chromosom 21 ist bei mir 3-fach vorhanden. Trotzdem lebe ich sehr gerne.« Sie hat einen Wunsch für die Zukunft: »Unsere Welt wäre ärmer, wenn es keine Menschen mit Down-Syndrom mehr gäbe! Deshalb wünsche ich mir ein Lebensrecht für alle, viel mehr Aufklärung, Toleranz und wirkliche Gleichberechtigung.«

Das findet auch Ohrenkuss-Autorin und Aktivistin Natalie Dedreux. 2019 hat sie eine Petition gestartet. Das Ziel der Petition war, dass der NIPT nicht zur Kassenleistung werden sollte. Dieses Ziel hat sie, trotz mehr als 30.000 Mitzeichner:innen, nicht erreicht.

Natalie Dedreux schreibt: »Mein Leben mit Down-Syndrom ist cool. Aber ich habe Angst, dass es weniger Menschen mit Down-Syndrom geben wird, wegen dem Bluttest bei schwangeren Frauen auf Down-Syndrom. Ich will nicht, dass die Krankenkasse den Bluttest bezahlt.«

Sie findet es wichtig, zu diesem Thema im Gespräch zu bleiben. »Ich finde: Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist wichtig. Es wird nicht viel darüber geredet. Wieso darf man Babys mit Down-Syndrom bis kurz vor der Geburt noch abtreiben? Ich finde es politisch nicht gut. Dieses Thema ist mir wichtig: Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!« Die Petition kann noch immer unterzeichnet werden unter > www.change.org/natalie.

Fokus auf die medizinischen Defizite

Ein großes Problem in der pränatalen Diagnostik ist die schlechte Beratungssituation rund um die nicht-invasiven Bluttests. Viele Frauen und Paare halten den Test für ein Standardverfahren und werden im Vorfeld nicht oder nur schlecht über den Test und mögliche Konsequenzen der Ergebnisse aufgeklärt. Und ein kleiner Teil der Praxen, in denen die Tests durchgeführt werden, schult seine Mitarbeiter:innen zur Mitteilung der Testergebnisse. Das führt dazu, dass solche Gespräche oft sehr unempathisch ablaufen und häufig direkt in Richtung Abbruch der Schwangerschaft zielen.

Mit der Erstmitteilung wird meist vor allem auf medizinische Defizite von Menschen mit Down-Syndrom hingewiesen. Oft wird betont, dass die Eltern mit der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom lebenslange Fürsorge und Pflege übernehmen würden. Dabei leben viele Menschen mit Down-Syndrom heute so selbstständig wie nie zuvor. Die meisten von ihnen ziehen von zu Hause aus, arbeiten und gehen Beziehungen ein. Der Alltag von Menschen mit Down-Syndrom unterscheidet sich heute nicht mehr in vielen Punkten von dem von Menschen ohne Down-Syndrom. Es gibt noch Barrieren. Aber es gibt auch zunehmend mehr Inklusion.

Wunsch nach Veränderung der Beratung

Anna-Maria Schomburg wünscht sich eine Veränderung der Beratungssituation: »Es gibt oft Mütter, die ihr Baby, das eine Behinderung hat, abtreiben, weil sie die Probleme sehen, die es hat! Menschen mit Down-Syndrom sind genauso wertvoll wie die anderen! Es ist besser, Unterstützung zu bekommen mit einem Baby mit Down-Syndrom, als es abzutreiben! Sowohl Menschen ohne Handicap als auch Menschen mit Handicap sind gleichermaßen wertvoll und werden von ihren Eltern genauso geliebt!«

Teresa Knopp ergänzt: »Ich finde das eine komische Erfindung von den heutigen Forschern, dass die jetzt so Bluttests einführen, um vorher den Eltern zu zeigen, dass wir wirklich Down-Syndrom haben. Die Eltern sollen anscheinend Angst vor uns kriegen. Aber irgendwie denke ich, wir müssen denen Mut machen, dass wir wirklich leben müssen! Denn: Ich bin nicht down, sondern up! Da denke ich irgendwie: Warum schieben die uns einfach in eine Schublade?! Wir können was!«

Verena Elisabeth Turin, Ohrenkuss- Fernkorrespondentin aus Italien, schreibt: »Ich bin sehr glücklich, auch wenn ich Down-Syndrom habe. Und ich leide nicht darunter. Ja – wir leben auch.«

Johanna von Schönfeld stellt klar: »Ich finde Abtreibung auch Scheiße! Ich bin ja auch selber froh, dass meine Mama mich nicht abgegeben hat. Das habe ich ihr auch schon oft gesagt.«

Julia Bertmann ergänzt: »Auch wenn wir Down-Syndrom haben, gehören wir dazu.«

Zitiervorlage
Leichtfuß, A. (2024). »Ich bin nicht down, sondern up!«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (2), 54–55.
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