Aktuell betreuen wir in unserem Level-1-Perinatalzentrum jährlich rund 3.400 Geburten. Wir sind inzwischen 34 Hebammen, die die Familien in verschiedenen Arbeitszeitmodellen als freiberufliche Dienst-Beleghebammen auf der Präpartalstation, im Kreißsaal und auf der Wochenstation versorgen.
Rechtsform und vertragliche Kooperation
Wir arbeiten als Einzelunternehmerinnen mit jeweils eigenem Institutionskennzeichen (IK), eigenständigem Behandlungs- und Belegvertrag und auf eigene Rechnung. Unsere Rechte und Pflichten untereinander haben wir in einem Statut niedergeschrieben. Ein Kooperationsvertrag mit dem Haus regelt Zuständigkeiten, Dienstzeiten, Hinzuziehungspflichten.
Uns steht ein Bereitschaftszimmer für bis zu zwei Hebammen zur Verfügung, welches mit einem Bad mit Dusche und einer kleinen Kochzeile ausgestattet ist. Zwei Bereitschaftsparkplätze lösen die manchmal schwierige Parksituation. Alle Aufgaben, die nicht zur originären Hebammenarbeit gehören, werden regelmäßig in interdisziplinären Besprechungen mit der Verwaltung kooperativ vereinbart. Entscheidungen treffen wir demokratisch und kollegial, was bei einer so großen Anzahl von Hebammen zunächst mühsam bis unmöglich erscheint. Größere Projekte, Entscheidungen und Veränderungen werden in kleinen Arbeitsgruppen bearbeitet, die mögliche Konzepte zur Umsetzung in der Sitzung vorstellen und zur Abstimmung aufbereiten. Regelmäßige Teamsitzungen und bei Bedarf außerordentliche Besprechungen – auch interdisziplinär – sichern dabei die Kommunikation.
Dienste gestalten
Wir arbeiten im Kreißsaal in Acht- und Zwölf-Stunden-Diensten mit zwei Teams, die sich wöchentlich abwechseln . Auf diese Weise sind längere Freizeiten gesichert. Wir vertreten uns gegenseitig bei Krankheit oder Urlaub. Die Schwangeren- und Wochenstation sowie eine aus der Not der Frauen entstandenen Wochenbettambulanz wird von einem weiteren Hebammenteam mit eigenen Dienstzeiten und Vertretungsregeln betreut. Durch sich immer wiederholende Dienstabfolgen ist der Dienstplan bereits Monate im Voraus bekannt, was sich positiv auf die Freizeitgestaltung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirkt.
Die vier fest geplanten Dienste im Kreißsaal haben bei uns bestimmte Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten. So entscheidet etwa der erste Dienst, wer welche Frau betreut, und übernimmt die Schichtleitung. Die Dienste sind als Präsenz- oder als Bereitschaftsdienste mit unterschiedlichen Anfahrtszeiten geregelt. Darüber hinaus sind noch zwei weitere Hebammen im Dienst, die sich um die stationär liegenden Schwangeren und die bereits geborenen Kinder und deren Mütter kümmern. Insgesamt sind bis zu sechs Hebammen gleichzeitig im Einsatz.
Da jede Kollegin abwechselnd jeden Dienst nach einem festen Ablaufschema hat, gibt es hier wenig Reibungspunkte. Unterstützt werden wir von einem Reinigungsdienst, der sieben Tage in der Woche rund um die Uhr verfügbar ist, und vor allem vormittags durch Medizinische Fachangestellte, die in erster Linie das Telefon übernehmen und Eingaben in Verwaltungsprogramme vornehmen.
Individuelle Geburtshilfe
Eine spezielle Betreuungsphilosophie haben wir nicht verschriftlicht. Jede Hebamme hat ihr eigenes Konzept und ihre Herangehensweise, was unsere Geburtshilfe sehr individuell gestaltet. Scherzhaft gilt bei uns, dass man sich einen Kaiserschnitt wirklich verdienen muss. Das heißt, wenn man bei uns eine sekundäre Sectio erhält, ist es wirklich nicht anders gegangen. Die Rate sekundärer Sectiones lag im Jahr 2020 in unserer Klinik bei 15,2 %.
Die Geburtsleitung obliegt bei formal ärztlich geleiteter Geburtshilfe weitestgehend der Hebamme, insbesondere bei physiologischen Verläufen, mit regelmäßiger Information der Dienstärztin oder des Dienstarztes. Bei Problemen werden Ärztin oder Arzt hinzugezogen und die Frauen gemeinsam weiterbetreut. Standard-Prozeduren wie beispielsweise Einleitungen sind in SOPs (Standard Operating Procedure) niedergeschrieben, aber unsere Arbeitsabläufe sind nicht generell standardisiert. Auf Grundlage der SOPs können wir die Betreuung, Gebärpositionen, CTG-Kontrollen, Schmerzmittelauswahl und die Anlage eines Periduralkatheters in festgelegten Spielräumen bei fortlaufender Information und Absprache autonom gestalten.
Was unsere Geburtshilfe besonders macht, ist, dass wir tatsächlich unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten vollständig ausschöpfen können und insbesondere bei prolongierten Verläufen oder Geburtsstillständen alles an Lagerung, Analgesie und Ruhe versuchen dürfen, um die Dystokie zu überwinden, bevor eine Sectio indiziert wird. Wir erachten Plateaus im Geburtsverlauf für normal und pathologisieren eine lange Latenz- oder Geburtsphase nicht unnötig. Diese tatsächliche Selbstwirksamkeit und Herangehensweise empfinden wir als elementar für die Arbeitszufriedenheit, was uns in die glückliche Lage versetzt, nicht über Hebammenmangel klagen zu müssen.
Interdisziplinär arbeiten
Die Zusammenarbeit zwischen ÄrztInnen und Hebammen erleben wir stets als kollegial, wertschätzend und auf Augenhöhe. Wir verstehen wir uns als gutes Team, das eng und kooperativ zusammenarbeitet. Insbesondere ÄrztInnen-Hebammen-Besprechungen und gemeinsame Simulationstrainings bieten Raum zur Klärung und Fortbildung. Wir achten und fördern die gegenseitigen Kompetenzen, unterstützen einander und lernen voneinander. Zuständigkeiten sind klar geregelt. Jede und jeder ist bereit, Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen zu übernehmen.
Benefit für die Frauen
Die Frauen melden uns regelmäßig zurück, dass sie diese gute Kooperation und interdisziplinäre Teamarbeit wahrnehmen und schätzen. Insbesondere durch die Freiberuflichkeit können wir auf die normalen Schwankungen des Arbeitsanfalls individuell reagieren und bei Bedarf auf unsere Bereitschaftsdienste oder weitere Kolleginnen zurückgreifen, die hier kein Überstundenkonto befüllen, sondern ihre Leistungen direkt mit den Kostenträgern abrechnen können.
Das Belegsystems ermöglicht uns Hebammenvisiten auf der Schwangeren- und Wochenstation. Durch unser Stationshebammenteam können stationär liegende Schwangere neben der ärztlichen und pflegerischen Versorgung von individueller Hebammenbetreuung profitieren, insbesondere wenn der Geburtsvorbereitungskurs durch den Krankenhausaufenthalt weggefallen ist, bei spezielleren Fragen oder bei Stillschwierigkeiten.