Zur optimalen Stilldauer
Auch im Geburtsvorbereitungskurs ist ein Block mit Stillthemen ein absolutes Muss. Zu den „Stillbasics“, wie das optimale Stillmanagement der ersten Wochen, gehört auch immer die Information über die von der WHO empfohlene Stilldauer: So erfahren Eltern gleich, dass es ein halbes Jahr ausschließlich Muttermilch fürs Baby gibt – kein Wasser, keinen Tee, keinen Brei – und dass anschließend neben der Beikost weitergestillt werden sollte bis zum zweiten Geburtstag und darüber hinaus. Idealerweise liegt die Stunde, in der das Stillen und die Ernährung des Babys behandelt werden, nicht in der Mitte oder am Ende des Kurses, sondern möglichst am Anfang. Das hat den Hintergrund, dass man werdende Mütter mit Themen, die Dinge nach der Geburt betreffen, in den letzten Wochen der Schwangerschaft nicht mehr gut erreicht, weil sie den Fokus völlig auf die Geburt gelegt haben. Alles, was danach kommt, so denken die meisten Schwangeren, das wird schon irgendwie laufen. Möchte man also schwangere Frauen gut übers Stillen und andere Themen im Wochenbett informieren, so dass die Information auch im Langzeitgedächtnis bleibt, ist das erste Trimenon ein guter Zeitpunkt dafür.
Eine Möglichkeit, eine längere Stillberatung schon in der Schwangerschaft abzurechnen (unabhängig von einem Geburtsvorbereitungskurs), ist zum Beispiel die Inrechnungstellung eines Stillvorbereitungskurses an die Frau über einen Betrag, der diese Beratungsleistung für die Hebamme wirtschaftlich macht. Die gesetzlichen Kassen zahlen für Beratung nur einen Pauschalbetrag von 6,53 Euro. Für diesen Betrag ist eine einstündige Beratung wirtschaftlich gesehen nicht leistbar. Ich biete diese Stillvorbereitungskurse als Einzelberatung der werdenden Eltern bereits beim Erstgespräch an. Dazu habe ich eine Checkliste erarbeitet, welche Themen ich hierbei anspreche und welche Handouts ich den Eltern dazu überlasse. Alle nötigen Materialien dazu habe ich in einer Fächermappe (für die Broschüren und selbsterstellten Handouts) und einer separaten Tasche dabei: Eine Puppe, mein bevorzugtes Stillkissenmodell, ein Brustmodell, Magenbällchen und anderes mehr. Gerne empfehle ich den werdenden Eltern auch die DVD „Mamas Milch“, ein Film, der bei den Eltern gut ankommt und den ich fachlich gut finde.
Das Wissen der anderen
Eine weitere gute Möglichkeit, über die Beikost zu informieren, bieten von Hebammen geleitete Baby- oder Stillgruppen. Hier haben Schwangere und Mütter die Möglichkeit, nicht nur vom Wissen der Hebamme, sondern auch von den praktischen Erfahrungen anderer Frauen zu profitieren, zuzuhören und sich vom Gehörten das mitzunehmen, was gut zu ihnen und ihrem Baby passt. Das gibt vielen Müttern zusätzliche Bestätigung in ihrem Handeln.
Die Hebammenbetreuung endet idealerweise nicht nach der achten Lebenswoche des Kindes, sondern erstreckt sich bis zum Ende der Stillzeit beziehungsweise bei nicht stillenden Frauen bis zum vollendeten neunten Lebensmonat des Kindes. Es gibt bei der Stillberatung absichtlich kein definiertes Ende, denn jede Frau kann für sich selbst entscheiden, wie lange sie stillen möchte. Als Hebamme können wir auch nach der achten Lebenswoche noch insgesamt acht Beratungen anbieten und abrechnen, die mit dem Stillen und der Ernährung des Kindes zu tun haben. Nutzen wir diese Möglichkeit!
Bei Stillproblemen bietet sich über diese acht Beratungen hinaus die Möglichkeit für die Frauen, sich von einem Arzt ihrer Wahl formlos die Notwendigkeit für eine verlängerte Wochenbettbetreuung über die achte Woche hinaus attestieren zu lassen. Diese Bescheinigung belastet nicht das Budget des Arztes und bislang hat sie jede Frau problemlos erhalten, wenn ich ihr einen entsprechenden Vordruck (aus HebRech gleich mit Versichertendaten ausdruckbar) mitgegeben habe. Ohne diesen Vordruck tun sich Ärzte oft schwer damit, die notwendige Leistung zu attestieren. So brauchen sie nur ihren Stempel und die Unterschrift unter das fertige Formular zu setzen. Insbesondere bei Gedeihstörungen des Säuglings, rezidivierenden Milchstaus oder Mastitiden, Vorerkrankungen der Mutter oder nach stationärem Aufenthalt des Kindes oder der Mutter ist es sinnvoll, auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
Unsicherheiten vorbeugen
Ich verabrede mich mit den von mir betreuten Familien gerne noch alle vier bis sechs Wochen nach der Wochenbettzeit, um offene Fragen zum Stillen und die sich verändernde Stillbeziehung zu klären. Je weiter die Betreuung fortschreitet, desto weniger stehen körperliche Untersuchungen im Vordergrund und desto wichtiger werden Beratungsthemen. So werden Unsicherheiten aufgefangen, wie zum Beispiel „Reicht meine Milch noch? Lukas ist jetzt immer schon nach fünf Minuten fertig mit dem Trinken!“. Das ist insbesondere um den vierten Lebensmonat herum wichtig: Die Kinder sind jetzt häufig tagsüber vom Stillen abgelenkt, weil sie alles interessiert aufnehmen möchten, was um sie herum geschieht und haben so „keine Zeit zum Stillen“. Das holen sie dann natürlich nachts nach, wenn alles still und dunkel ist und keine Ablenkung droht. Viele Mütter glauben dann, dass die Milch nicht mehr reicht, weil das Baby nicht mehr durchschläft. Und hier kommt dann eine weitere Verunsicherung der Eltern ins Spiel: Etliche Kinderärzte sagen den Eltern bei der U4, dass sie mit der Beikost beginnen können, sobald das Kind vier Monate alt ist. Diese Empfehlung beruht auf der Veröffentlichung eines Artikels im British Medical Journal im Jahr 2011, in dem die offiziellen Empfehlungen der WHO zum Zeitpunkt der Beikosteinführung in Frage gestellt wurden. Sie argumentierten, dass andernfalls ein erhöhtes Risiko für Zöliakie, Eisenmangel und Allergien für Babys bestehe. Außerdem führe die frühere Einführung von Beikost möglicherweise zu einer besseren Gewöhnung an Nahrungsmittel wie Gemüse mit Bitterstoffen, so dass Kinder später lieber und häufiger Gemüse essen würden als Kinder, die erst später mit Beikost in Kontakt kamen. Der Artikel ist als „Analyse“ betitelt worden, beschreibt also weder eine neue Studie noch ist er ein offizielles Review vorhandener Studien, weil hierzu die vorgeschriebenen Methoden nicht eingehalten wurden. Drei der vier Autoren gaben an, dass sie innerhalb der letzten drei Jahre auch an Projekten gearbeitet haben, die von der Babynahrungsindustrie finanziert wurden. Viele Organisationen und Stillexperten haben auf den Artikel geantwortet und sehr differenziert dargelegt, warum die Vorschläge der Autoren teilweise sogar kontraproduktiv sein können und wo die Schwächen ihrer Argumentation liegen.
Dennoch gibt es immer noch viele Eltern, die von der U4 nach Hause kommen und verunsichert bei mir anfragen, ob sie denn tatsächlich jetzt schon mit der Beikost anfangen sollten. Hier ist wieder Aufklärungsarbeit durch die Hebamme gefragt. Wir können hier aufgrund der gewachsenen Beziehung unterstützend eingreifen. Erklären Sie, wie diese irreführende Empfehlung zustande gekommen ist und dass es heute nicht auf einen starren Zeitpunkt ankommt, sondern auf die Beikostreifezeichen. Bieten Sie einen Beratungstermin zur Einführung von Beikost nach dem vierten Lebensmonat an. Ein kurzes Handout zu allen wichtigen Punkten und eine Buchempfehlung empfinden viele Eltern als sehr hilfreich. Ein Hinweis an dieser Stelle, dass es bei Problemen mit der Beikost oder weiteren Fragen dazu, die im Verlauf noch auftreten können, noch Anspruch auf weitere Beratungen durch die Hebamme gibt, für die die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, ist durchaus angebracht.
Individuelle Beratung zu Hause
Eine weitere gute Gelegenheit, um die Beikost noch einmal in Erinnerung zu bringen, ist der Rückbildungskurs. Hier können zu Beginn der Kursstunde Flyer verteilt werden, in der diese Hebammenleistung angeboten wird. Die Frauen sind oft erstaunt, dass ich anbiete, dafür zu ihnen nach Hause zu kommen und dass sie zu diesem Thema eine etwa einstündige PowerPoint-Präsentation erwartet, die ihnen zeigt, wie einfach und schön die Einführung von Beikost gestaltet werden kann. Diese PowerPoint-Präsentation habe ich selbst erstellt nach Besuch entsprechender Fortbildungen und Lektüre diverser Fachbücher zum Thema. Auch meine eigenen Erfahrungen mit der Beikost mit meinen Kindern sind dabei mit eingeflossen. Sie umfasst 53 Folien und ist reich bebildert – überwiegend mit Bildern von Kindern beim Start ihrer Beikost, die die Familien mir zur Verfügung gestellt haben. Ich führe sie bei einem Einzelgespräch/Hausbesuch mit den Eltern neben mir auf der Couch auf meinem Laptop vor. Um diese Leistung auch für mich wirtschaftlich sinnvoll anbieten und abrechnen zu können, habe ich sie auf zwei Termine zu je circa 35 Minuten aufgeteilt. Oft kommt dann noch die Frage, ob ich diese Leistung auch für Frauen anbiete, die nicht von mir im Wochenbett betreut wurden. Natürlich mache ich das, denn leider bietet nicht jede Kollegin Beikostberatung an, obwohl der Bedarf dafür groß ist. Zunächst ist für Eltern die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt interessant und wichtig. Wenn es dann soweit ist, meistens um den sechsten Lebensmonat herum, kommen die vielen anderen Fragen auf:
- Womit fange ich an?
- Zu welcher Tageszeit?
- Was biete ich als Erstes an?
- Brei selbst kochen oder Gläschen kaufen oder gar die neue Möglichkeit des fertigen Tiefkühlbreis?
- Oder geht es tatsächlich auch ganz ohne Brei?
- Welche Nachteile hat die Breifütterung?
- Welche Getränke sind für ein Baby geeignet und wie viel und woraus soll es trinken?
- Wie geht es mit dem Stillen in der Beikostphase weiter, wie mit der Flaschennahrung?
- Woran erkenne ich, ob mein Baby ein Nahrungsmittel nicht verträgt?
- Wie sieht es mit Kuhmilch aus?
- Was kann ich zur Verringerung des Allergierisikos tun?