Nutzen für die Versicherten schaffen
Wenn es um die Gestaltung der Leistungen im Interesse der Versicherten geht, sind die gewählten VertreterInnen in der Selbstverwaltung am Zug. Ihr Ziel sollte immer sein, dass bei allen notwendigen Auseinandersetzungen um die Finanzierung unseres Gesundheitssystems der Mensch im Mittelpunkt steht und die Teilhabe am medizinischen Fortschritt gesichert bleibt.
Das muss meines Erachtens auch für das Arbeitsfeld von Hebammen gelten. Für die Schwangerenvorsorge, die Geburtshilfe und die Wochenbettpflege würde das konkret bedeuten, einen Paradigmenwechsel im Interesse der (werdenden) Mütter und Väter zu vollziehen: von der Risiko- und Krankheitsdefinition, in die Schwangerschaft und Geburt heutzutage viel zu oft „verschoben” werden, zum salutogenetischen Ansatz, der von der Fähigkeit der Frauen zu gebären und der Kinder, geboren zu werden, ausgeht. Unterstützung und Beratung: ja, aber keinesfalls die fast automatische Verbuchung als Krankheitsfall.
Das ist nicht nur für die Familien und die Hebammen ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er ist auch im Sinne der Krankenkassen, denn in einer von sicherer Erwartung und Vertrauen geprägten Haltung geschieht weniger Schaden als in einer von unterschwelliger Unsicherheit und Angst bestimmten Situation. Eine solche Entwicklung kann sicherlich nicht von heute auf morgen gelingen. Sensibilisieren für die Situation und versuchen, eine Veränderung anzustoßen, das kann und muss aber dringend geschehen, auch in den Verwaltungsräten der Krankenkassen.
Schließlich legen die Verwaltungsräte mit ihren Impulsen oftmals den Finger in die Wunde und greifen Themen auf, die im Alltag eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere Mädchen, oder die ausufernden Individuellen Gesundheitsleistungen – kurz IGeL. Immer häufiger werden PatientInnen in Wartezimmern mit Informationen zu speziellen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Labortests konfrontiert. Was als objektive Information daherkommt, ist in Wirklichkeit oftmals Beleg für die zunehmende Kommerzialisierung der Medizin.
Gerade für werdende Eltern ist dies eine Herausforderung. Wer sich vor überflüssigen, unter Umständen sogar schädlichen und teuren Angeboten schützen möchte, sollte erst kritisch hinterfragen und den Nutzen klären. Aus dem Grund hat zum Beispiel der Verwaltungsrat der Barmer GEK konkrete Informationsmöglichkeiten initiiert und befördert, um Versicherten eine fundierte Entscheidungshilfe zu bieten. Dies sind beispielsweise Broschüren zur Entscheidungsfindung für die mögliche Teilnahme am Mammografiescreening, zur Normalität der Wechseljahre, zum Schwanger-Sein-„Können” – also gegen die Risikozuschreibung oder zur Problematik des Kaiserschnittes. Wieso sollten die Verwaltungsräte demnach nicht auch bei den Themen Schwangerenvorsorge, Geburtshilfe und Wochenbett den Finger in die Wunde legen?