In den ersten Lebensmonaten verbringen Babys etwa 50 % ihrer Schlafzeit im aktiven REM-Schlaf und 50 % im Tiefschlaf.

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Neugeborene haben einen ureigenen Schlafrhythmus, der altersgemäßen Mustern folgt. Wenn Eltern das wissen, können sie die Müdigkeits­zeichen besser lesen und ihre Kinder leichter in den Schlaf begleiten.

Die Schlafgewohnheiten von Babys und Kleinkindern sind ein zentrales Thema in der Betreuung von jungen Familien. Oft fühlen sich Eltern unsicher oder überfordert, wenn ihr Kind nicht »durchschläft« oder Schlafprobleme hat. Hebammen spielen eine Schlüsselrolle in der Beratung und können den Familien mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung helfen, den Schlaf des Babys besser zu verstehen und gesunde Schlafgewohnheiten zu fördern.

Wissenschaftliche Hintergründe

Die Schlafstruktur von Neugeborenen unterscheidet sich stark von der von Erwachsenen. In den ersten Lebensmonaten verbringen Babys etwa 50 % ihrer Schlafzeit im aktiven Rapid-Eye-Movement-Schlaf (REM-Schlaf) mit raschen Augenbewegungen und 50 % im Tiefschlaf (Non-REM-Schlaf). Der REM-Schlaf spielt eine zentrale Rolle in der Hirnentwicklung und ist für das Wachstum des Nervensystems entscheidend. Neuere Forschungen der Max-Planck-Gesellschaft zeigen, dass das Gehirn von Babys im Schlaf nicht nur allgemeines Wissen festigt, sondern auch Details einzelner Erlebnisse speichert. Dies unterstreicht die Bedeutung des REM-Schlafs für die frühkindliche Gedächtnisentwicklung (Max-Planck-Gesellschaft, 2020). Diese Phase des aktiven Schlafs ist bei Neugeborenen typisch und erklärt, warum sie sich im Schlaf häufig bewegen oder Geräusche von sich geben, strampeln oder sogar schreien.

Mit diesem Wissen können Eltern sich besser informiert fühlen. Viele reagieren instinktiv auf jede Bewegung oder jedes Geräusch ihres Neugeborenen, was häufig dazu führt, dass sie das Kind unbeabsichtigt wecken. Es kann aber ratsam sein, einen Moment abzuwarten und zu beobachten. Oft wird das Baby von allein weiterschlafen, ohne dass es gestört werden muss.

Die Bedeutung der Wachphasen

Für erholsamen Tag- sowie Nachtschlaf von Neugeborenen sind gut strukturierte Wachphasen entscheidend, um Übermüdung zu vermeiden und einen gesunden Schlafrhythmus zu unterstützen. Aus mehr als 2.000 Beratungen haben sich folgende Richtwerte als bewährte Orientierung herauskristallisiert. In den ersten vier Lebenswochen sollte eine Wachphase etwa 30 bis 45 Minuten dauern. Diese Zeit umfasst alles – vom Stillen oder Füttern über das Wickeln bis hin zu kurzen Momenten der Interaktion mit dem Baby. In dieser Phase ist es besonders wichtig, auf die Müdigkeitssignale des Babys zu achten, um es rechtzeitig wieder zum Schlafen zu legen.

In den darauffolgenden Wochen verlängern sich die Wachphasen allmählich. In der vierten bis sechsten Woche sind Wachphasen von 40 bis 60 Minuten typisch, während in Woche sechs bis acht Zeiträume von 40 bis 70 Minuten als normal gelten. Ab Woche acht bis zwölf kann die Wachphase auf 50 bis 80 Minuten ansteigen (siehe Abbildung 1, Seite 74).

Abbildung 1: Wachphasen      Abbildungen: © Nina Weingarten

 

Tagschläfchen können in dieser Zeit variieren und es ist völlig normal, dass sie zwischen 20 und 120 Minuten dauern. Wichtig ist, dass die Schlaf- und Wachphasen aufeinander abgestimmt sind, um das Baby weder zu übermüden noch unnötig wach zu halten. Eltern können dies unterstützen, indem sie nach jedem Schläfchen eine altersgerechte Wachphase einplanen. Während die Dauer der Schläfchen oft nicht steuerbar ist, lassen sich die Wachphasen gezielt anpassen, um eine gute Tagesstruktur zu schaffen.

Für frühgeborene Babys, die vor der 37. Woche geboren wurden, sollte der errechnete Geburtstermin als Grundlage für die Berechnung der Wachphasen genommen werden. Wann Frühgeborene, die zwischen der 34. und 36. Schwangerschaftswoche zur Welt kamen, ihren Entwicklungsrückstand aufgeholt haben, sollte individuell mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin beurteilt werden. Das ist wichtig, um zu entscheiden, ab wann die Wachphasen nicht mehr am korrigierten, sondern am tatsächlichen Alter des Kindes ausgerichtet werden können.

Übermüdung oder Koliken?

Studien zeigen, dass exzessives Schreien sowohl mit Koliken als auch mit Übermüdung in Verbindung stehen kann, was die Unterscheidung für Eltern erschwert (Ziegler et al., 2023). Es wird hervorgehoben, dass exzessives Schreien häufig in den Abendstunden auftritt und mit kurzen Tagschlafphasen sowie einer zunehmenden Übermüdung und Überreizung des Säuglings verbunden sein kann. Es ist daher besonders wichtig, die Anzeichen von Müdigkeit frühzeitig zu erkennen, um Übermüdung zu vermeiden. Babys durchlaufen dabei typische Stufen, die Eltern als Hinweise nutzen können (siehe Kasten).

Von Müdigkeit zur Übermüdung

Stufe 1 – Erste Müdigkeitsanzeichen: Das Baby starrt ins Leere, wirkt abwesend und die Augen oder Augenbrauen beginnen sich leicht zu röten. Es ist Zeit, die Stimulation zu reduzieren.

Stufe 2 – Deutliche Müdigkeitszeichen: Das Baby fängt an zu gähnen, reibt sich die Ohren oder Augen und wird zunehmend nörgelig. Jetzt sollte es ins Bett gebracht werden.

Stufe 3 – Übermüdung: Wenn diese vorangegangenen Signale übersehen werden, ist das Baby übermüdet. Oft schreit es heftig, drückt den Rücken durch und wölbt sich vom Arm der Eltern weg. In diesem Zustand häuft sich das Stresshormon Cortisol im Körper an, was das Einschlafen erheblich erschwert. Auch wenn es in diesem Moment keine schnelle Lösung gibt, hilft es Eltern oft, zu verstehen, warum das Baby so stark reagiert. Jetzt ist es wichtig, das Kind mit voller Unterstützung und Co-Regulation zu begleiten – durch Nähe, sanfte Beruhigung und eine reizarme Umgebung, bis es sich wieder entspannen kann.

Die Vier-Monats-Regression

Ab dem vierten Lebensmonat beginnt sich die Schlafstruktur des Babys zu verändern – eine Phase, die oft als »Vier-Monats-Schlafregression« bezeichnet wird. In dieser Zeit entwickelt sich der Schlaf des Kindes allmählich zu einem Muster, das dem von Erwachsenen ähnlicher ist. Babys durchlaufen nun zunehmend längere Phasen von Tiefschlaf und kürzere Phasen von REM-Schlaf, was zu einer differenzierten Schlafstruktur führt, die aus Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf besteht (Mindell et al., 2016).

Wie verändert sich durch diese Schlafentwicklung der Tag- und Nachtschlaf und wie können Eltern die Etablierung gesunder Schlafgewohnheiten gezielt unterstützen?

Gesunder Tagschlaf

Nach der Vier-Monats-Regression dauert der Schlafzyklus am Tag etwa 30 bis 45 Minuten (siehe Abbildung 2). Am Ende eines solchen Zyklus kann das Baby entweder in den nächsten Schlafzyklus übergehen oder für kurze Zeit aufwachen. Oftmals brauchen Babys hierbei die Unterstützung der Eltern, um wieder in den Schlaf zu finden und den nächsten Zyklus zu beginnen. In diesen 30 bis 45 Minuten durchläuft das Baby verschiedene Schlafphasen (siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2: Tagschlafphasen

In der Schlafberatung lernen Eltern von Babys ab etwa fünf Monaten, wie sie ihr Kind dabei unterstützen können, entspannt und selbstständig einzuschlafen. Dies ist entscheidend, damit das Baby nach einem Schlafzyklus eigenständig wieder in den Schlaf findet. Ziel ist es, dem Baby die Fähigkeit zu vermitteln, von selbst in den nächsten Schlafzyklus überzugehen – ein wichtiger Schritt für einen erholsamen und regenerativen Tagschlaf.

Darüber hinaus werden in der Schlafberatung bewährte Strategien vermittelt, um das selbstständige Einschlafen sanft zu fördern – ohne das Baby schreien zu lassen. So können Eltern von Anfang an eine gesunde Schlafroutine aufbauen, die langfristig zum Wohlbefinden des Kindes und der gesamten Familie beiträgt.

Nachtschlaf und Schlafzyklen

Wie in der Schlafforschung allgemein anerkannt ist, verlängern sich die Schlafzyklen von Säuglingen im Laufe der ersten Lebensmonate. Ab einem Alter von etwa fünf Monaten erreichen Babys Nacht-Schlafzyklen von durchschnittlich 60 bis 90 Minuten. Diese Entwicklung spiegelt den Reifungsprozess des Schlaf-Wach-Systems wider. In diesen 60 bis 90 Minuten durchläuft das Baby verschiedene Schlafphasen, darunter Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Nachtschlafphasen

Nach jedem Schlafzyklus wachen Babys in der Regel kurz auf und müssen oft in den nächsten Schlafzyklus begleitet werden. Im ersten und zweiten Drittel der Nacht fällt das jedoch weniger auf, da sie meist nicht vollständig erwachen, sondern nur an die Oberfläche des Schlafes kommen. In den frühen Morgenstunden befinden sich Babys fast ausschließlich im Leichtschlaf, was erklärt, warum sie zu dieser Zeit häufiger aufwachen – oft stündlich oder alle eineinhalb Stunden (Jenni et al., 2007).

Diese Veränderung im Schlafmuster in den frühen Morgenstunden ist gut dokumentiert und lässt sich durch die natürliche Schlafarchitektur erklären, bei der der Anteil an Leichtschlafphasen im Verlauf der Nacht zunimmt (Jenni et al., 2007). Dies macht es für Babys schwieriger, ungestört weiterzuschlafen, da sie in dieser Phase sensibler auf äußere Reize reagieren.

Dunkelheit hilft

Dunkelheit spielt eine entscheidende Rolle in der Schlafregulation von Babys, insbesondere ab dem dritten bis vierten Lebensmonat, wenn sie beginnen, eigenständig Melatonin zu produzieren. Während Neugeborene zunächst auf Melatonin aus der Plazenta und später aus der Muttermilch angewiesen sind, steigt die körpereigene Produktion ab dieser Zeit an, was zur Stabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus beiträgt (Abdelgadir et al., 2018).

Studien zeigen, dass eine dunkle Schlafumgebung diesen Prozess unterstützt, da Licht die Melatoninproduktion hemmt. Besonders bei Babys, die mit der Flasche gefüttert werden, ist eine reizarme, dunkle Umgebung in den ersten Monaten wichtig, da sie hier keinen zusätzlichen Melatonin-Transfer über die Muttermilch erhalten (Abdelgadir et al., 2018).

Die Forschung von Emily Westwood und Kolleg:innen aus dem Jahr 2023 bestätigt, dass Dunkelheit nicht nur die körpereigene Melatoninproduktion fördert, sondern auch die Schlafqualität positiv beeinflusst. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Dunkelheit ein natürlicher biologischer Signalgeber für den Schlaf ist und gezielt genutzt werden kann, um einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen (Westwood et al., 2023).

Fazit

Durch die Vermittlung von Strategien für erholsamen Schlaf und die Unterstützung, Übermüdung zu erkennen und zu vermeiden, ermöglichen Hebammen es den Eltern, einen gesunden Schlafrhythmus für ihr Baby zu etablieren. Dies führt zu ruhigeren Nächten, weniger Stress und einer verbesserten Lebensqualität für die Familie. Der Mehrwert,den Hebammen durch ihre Beratung bieten, geht weit über die unmittelbare Betreuung hinaus und trägt dazu bei, das Fundament für eine gesunde, harmonische Familienentwicklung zu legen.

Schwerpunktthema Schlafen
Mit diesem Beitrag möchten wir Sie auf das Schwerpunktthema Schlafen in unserer Maiausgabe neugierig machen.

Zitiervorlage
Weingarten, N. (2025). Die Schlafarchitektur verstehen. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 77 (4), 72–75.
Literatur
Abdelgadir, I. S., Gordon, M. A., & Akobeng, A. K. (2018). Melatonin for the management of sleep problems in children with neurodevelopmental disorders: a systematic review and meta-analysis. Archives of disease in childhood, 103(12), 1155–1162. https://doi.org/10.1136/archdischild-2017-314181

Jenni, O. G., & Carskadon, M. A. (2007). Sleep behavior and sleep regulation from infancy through adolescence: Normative aspects. Sleep Medicine Clinics, 2(3), 321–329. https://doi.org/10.1016/j.jsmc.2007.05.001

Max-Planck-Gesellschaft (2020). Babys behalten selbst detaillierte Ereignisse im Schlaf. Abgerufen von: https://www.mpg.de/babys-behalten-selbst-detaillierte-ereignisse-im-schlaf

Mindell, J. A., Sadeh, A., Kohyama, J., & How, T. H. (2016). Parental behaviors and sleep outcomes in infants and toddlers: A cross-cultural comparison. Sleep Medicine, 19, 67–73. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2015.10.004

Westwood, E., Smith, S., Mann, D., Pattinson, C., Allan, A., & Staton, S. (2023). The effects of light in children: A systematic review. Journal of Environmental Psychology, 89, 102038. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S027249442300110X

Ziegler, M., Wollwerth de Chuquisengo, R., Mall, V., & Licata-Dandel, M. (2023). Frühkindliche psychische Störungen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 66(7), 752–760. https://doi.org/10.1007/s00103-023-03717-0

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