Ute Fryda Bauer, Leiterin der Hebammen­schule in Speyer, rät zum Externat im Ausland – jedoch niemals in Krisen- oder Kriegsgebieten Foto: © Peggy Glaubrecht

Welche Fragen stellen sich, wenn Hebammen in der Ausbildung ein Externat im europäischen oder außereuropäischen Ausland absolvieren möchten? Ute Fryda Bauer, Leiterin der Hebammenschule Speyer, kann Empfehlungen geben. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich.

Dr. Angelica Ensel: Wie lange gehen die Auszubildenden derzeit ins Externat?

Ute Fryda Bauer: Seit 2014 dauert das Externat insgesamt zwölf Wochen. Davon planen wir acht Wochen mit unseren freiberuflichen Kooperationshebammen. Anfang des dritten Jahres hat die Auszubildende die Möglichkeit, ihr vierwöchiges Externat frei zu wählen. Dieser Einsatz kann in Deutschland, EU- oder weltweit sein. Für diese Zeit wird eine „außerordentliche Kooperation” geschlossen. Entweder mit der leitenden Hebamme oder mit dem freiberuflichen Hebammenteam, der ärztlichen Leitung oder Geschäftsführung. In den südamerikanischen Kliniken muss ich mit allen Hebammen eine Kooperation schließen. Manche Kliniken verlangen Formulare mit Wasserzeichen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Praktikum der Schülerinnen weltweit? Wie waren die Anfänge und wo überall waren Ihre Schülerinnen schon?

Die Idee, ein Externat im Ausland zu absolvieren, kam von den Auszubildenden. Dabei haben sie die Organisation meist selbst übernommen, manche hatten in diesen Ländern schon vorher Kontakte geknüpft. Die ersten Einsätze unserer Schülerinnen waren 1998 bis 2000 in England, organisiert von der damaligen Praxisanleiterin unserer Schule, die aus der Nähe von Nottingham kam und jetzt schon seit Jahren wieder dort tätig ist. Weitere Externate folgten im Geburtshaus Nussdorf in Wien und dann ging es weltweit weiter. Im April 1999 ging eine Schülerin nach Ghana in das St. Dominic Hospital in Akwatia. Diesen Kontakt bekam die Auszubildende über die Dominikanerinnen in Speyer. Seitdem waren unsere Schülerinnen an vielen Orten der Welt im Einsatz: in Tansania, wo sie auf einer Mutter- und Kind-Station mitten im Busch arbeiteten, in Äthiopien, damals leider im Krisengebiet auf der geburtshilflichen Mutter- und Kind-Station oder in Oregon/USA, wo sie bei einer Art Heilpraktikerin mit Geburtshilfe, Schwangerenberatung und Wochenbett hospitierten. Hausgeburten waren dort damals nicht erlaubt.

Das ist ein weites Spektrum. Gibt es Orte, wo häufiger Schülerinnen hingehen?

Eine Zeit lang hatten wir eine Regelung mit der Hebammenschule in Prag, aber das hat nicht gut funktioniert. Außerdem waren Schülerinnen in Krankenhäusern in Australien und in Israel, in einem kleinen Dorf in Georgien, wo Hausgeburtshilfe üblich war, in einem Krankenhaus in Lima und in den Slums von Peru, dort allerdings nur mit Polizei- oder Militärschutz. 2006 waren zwei Schülerinnen in Indien in einem kirchlichen Krankenhaus, zwei waren in Neuseeland in einer Klinik, wo sie Kontakte zur Kultur der Maori und deren Geburtshilfe und Pflanzenheilkunde kennenlernten.

Zwischen 2007 und 2017 war eine Hebammenschülerin in Bolivien in einem Geburtshaus, das gleichzeitig zu einer Hebammenausbildungsstätte ausgebaut wurde, dreimal waren Schülerinnen in Ghana in der Nähe von Accra, viermal in Johannesburg in Südafrika – in einer Klinik und auf Mutter-Kind-Stationen im Land. Auch Neuseeland und die Philippinen waren vertreten (siehe Seite 46ff.).

In welchem Land können die Auszubildenden aus Ihrer Sicht Alternativen zu unserer derzeitigen Geburtshilfe in Deutschland kennen lernen?

Dafür lohnt sich das Externat bei einer freiberuflichen Hebamme in Neuseeland. Es ist zwar manchmal aufwändig, dort eine Hebamme zu finden, die nicht bereits eine andere Hebamme in Ausbildung hat, aber abseits der Universitätsstädte, wo man einen Bachelor of Midwifery absolvieren kann, ist es leichter. Eine Hebamme in Neuseeland ist beispielsweise selbstständig für Vorsorge, Geburt und Wochenbettbetreuung verantwortlich, es sei denn, Pathologien erfordern die Hinzuziehung eines Arztes. Während des Externats in Neuseeland kann die Hebammenschülerin Geburten mit weniger Interventionen als in Deutschland erleben, zum Beispiel in Bezug auf das Vorgehen bei Blasensprung oder das Schreiben eines CTGs. Hier lässt sich erfahren, wie Frauen in ihren Fähigkeiten bestärkt werden, so dass sie sich auf die Geburt mit dem Gefühl einlassen, es zu schaffen.

Wie werden die Schülerinnen von der Schule unterstützt?

Alle Auslandseinsätze werden erst Anfang des dritten Ausbildungsjahres geplant. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, da die Physiologie der Geburtshilfe und pathologische Verläufe in der Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett weitgehend abgeschlossen sind. Außerdem haben die Schülerinnen in der Praxis in Level-1-Häusern schon sehr viel gesehen.

Wir beraten die Schülerinnen und bereiten sie zum Teil auch vor, indem wir Themen wie Geburtshilfe und Notfälle unter einfachen Bedingungen, Eigenschutz und Hygiene behandeln – zum Teil in freiwilligen Seminaren, Übungs- oder Förderstunden neben dem regulären Unterricht. Ansonsten braucht es von uns einiges an Organisationstalent, diesen Einsatz zu integrieren. Spenden für Impfungen, Handschuhe, Kanülen, Spritzen und vieles andere erhalten wir von den Krankenhäusern oder auch von der Schwesternschaft aus dem Mutterhaus in Speyer. 1999 haben wir sogar ein Kreißbett und ein VE-Gerät nach Ghana verschifft.

Da bei uns oft die Diakonie, der Verein der inneren Mission in Stuttgart oder die Caritas und die Mission Institut St. Dominikus Speyer die Einsatzplätze in den Dritt-Welt-Ländern mit vermittelt haben, gab es auch hier viel Unterstützung. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass wir ein kirchlicher Träger sind und viele Pfarrerstöchter in der Ausbildung haben. So gab es über deren Herkunftsgemeinden weitere Unterstützung.

Mit welchen Erfahrungen kommen die Auszubildenden zurück?

Einen großen Raum nimmt das Erleben der „natürlichen” Geburt in allen Facetten ein, außerhalb Europas allerdings manchmal unter miserablen hygienischen Bedingungen. Die Auszubildenden erleben, dass Kanülen und Infusionsbestecke mehrfach verwendet werden oder dass Auffangsiebe bei Blutungen eingesetzt werden. Das verlorene Blut wird verdünnt, gesiebt und als Infusion wieder zugeführt. Auch dass eine Flüssigkeitsgabe über ein Darmrohr erfolgt – früher hätten wir dazu „hoher Schwenkeinlauf” gesagt – wird berichtet. Vor allem aber erleben die Schülerinnen viele spontane Beckenendlagengeburten, Gemini, manuelle Plazentalösungen – alles zum Teil ohne Handschuhe. Die Mütter und ihre Kinder liegen in einem Bett, in einem Saal mit weiteren 25 bis 20 Frauen, zum Beispiel in Indien, oder in Stockbetten mit 20 bis 30 Frauen im Saal, wie in Georgien. Das Stillen ist meistens kein Problem, obwohl viele Frauen wunde Mamillen haben. Die Frauen und Kinder werden in der Klinik oft von den eigenen Familien versorgt.

Bei jedem Externatseinsatz, egal wo, lernen die Hebammenschülerinnen viele Varianten der Geburtshilfe, Schwangerenvorsorge und Unterschiede im Umgang mit den Neugeborenen und den Wöchnerinnen kennen.

Was ist formal zu beachten, wenn die Schülerinnen ins Ausland gehen?

Die Haftpflichtversicherung muss geregelt sein. Das wird über den Deutschen Hebammenverband oder andere Versicherer angeboten. Außerdem braucht die Hebammenschülerin ein ausreichendes Versicherungspaket für sich selbst. Darin sollte unbedingt die Hilfe im Krankheitsfall mit Rückflug enthalten sein. Daneben braucht sie ausreichenden Impfschutz. Die Auszubildende bekommt von uns ein Anschreiben, in dem steht, wie sie eingesetzt werden darf und wo nicht. Sie darf keine Geburtsleitung alleine übernehmen und keine Hausbesuche ohne Hebamme durchführen. Dieses Anschreiben übersetzen wir je nach Bedarf in Englisch oder Spanisch. Wir haben außerdem Formblätter mit Hinweisen, dass die Auszubildende die Kosten selbst trägt, beispielsweise für Flug, Unterkunft und so weiter. Ihr Ausbildungsgehalt läuft in dieser Zeit natürlich weiter.

Haben Sie Tipps für Ihre lehrenden Kolleginnen?

Keinesfalls sollten die Schülerinnen in Krisen- oder Kriegsgebiete geschickt werden! Oftmals möchten die Auszubildenden „nur” helfen und das Leid lindern. Dabei begeben sie sich eventuell in größte Lebensgefahr. Wir hatten einmal von einer Auszubildenden eine E-Mail mit der Botschaft: Geburtshilfe traumhaft – mit einer „Bombenstimmung” draußen vor der Tür. Das war für mich absolut alarmierend.

Die Erfahrungen, die die Auszubildenden erleben können und dürfen, sind von unschätzbarem Wert. Und auch wir Lehrerinnen profitieren davon – allein durch die Erzählungen und die Wertschätzung unserer Auszubildenden gegenüber den Kursleitungen und der Hebammenschule.

Die Interviewte

Ute Fryda Bauer ist seit 1974 Hebamme und seit 1993 Lehrerin für Hebammenwesen und Schulleiterin in Speyer.

Zitiervorlage
Ensel A: Interview mit Ute Fryda Bauer: Erfahrungen fürs Leben. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2017. 69 (6): 50–51
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