Sonja Wangler und Karolina Luegmair besuchen die EMA-Konferenz in Athen. Dort können sie einen Kurzvortrag halten über ihr Thema Nachhaltigkeit in der Hebammenarbeit im Curriculum in der Hebammenausbildung. Foto: privat

Die Konferenz der European Midwives Association in Athen stand unter dem Motto »Midwifery Education in the Future«. Dazu haben auch zwei deutsche Wissenschaftlerinnen ihr Modul zum Thema Nachhaltigkeit vorgestellt. Klimaschonend nach Athen zu reisen, stellte sie allerdings vor Herausfor­derungen, bescherte ihnen aber auch nachhaltige Erfahrungen. 

Ende Oktober kamen in Athen circa 400 Hebammen zusammen zur 7. EMA Education Conference. Die meisten waren europäische Lehrende im Hebammenstudium, aber auch Kolleg:innen aus anderen Berufsgruppen und Kontinenten nahmen teil. Als Hebammenwissenschaftlerinnen und Lehrende folgten auch wir dem Ruf nach Athen zur Vernetzung mit den Kolleg:innen aus Europa. Zudem stellten wir unser Konzept zur Integration des Themas Nachhaltigkeit in das Hebammenstudium international vor.

Nachhaltigkeit im Hebammenwesen

Bereits 2014 rief die International Confederation of Midwives (ICM) in ihrem Statement zum »Impact of climate change« Hebammen dazu auf, Verantwortung zu übernehmen für die Bedrohung von Schwangeren, Frauen und Familien, die sich aus den Auswirkungen der Klimakrise und der Überschreitung planetarer Grenzen ergibt (ICM, 2014). Ergänzend wurde im Lancet Policy Brief für Deutschland 2019 die Notwendigkeit formuliert, umgehend die Themen Planetare Gesundheit und Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit in die Curricula von Gesundheitsberufen und Medizin aufzunehmen (klimagesund.de, 2019). Bis dato ist in der Hebammenwissenschaft in Deutschland eine systematische Integration dieser Schwerpunkte nicht bekannt.

Ziel der neuen Curriculum-Inhalte ist eine notwendige Kompetenzerweiterung, um die durch die Klimakrise entstehenden Handlungsfelder zu bedienen. Diese beziehen sich auf erforderliche Maßnahmen, um die Klimakrise zu begrenzen (Mitigation) und unvermeidliche Auswirkungen für die Gesundheit von Frauen, Kindern und deren Familien abzumildern (Adaptation). Für Deutschland und die hier geleistete Hebammenarbeit sind neue Themenfelder entstanden, zum Beispiel die Notwendigkeit für Hitzeschutzkonzepte in der täglichen Arbeit.

Hitzeschutz beinhaltet dabei nicht nur unmittelbare Maßnahmen in einer Hitzeperiode und Beratung der Frauen und Familien, sondern auch das Wissen um die Gefährdung und die langfristigen Folgen für Schwangere und Kinder durch anhaltende Hitze (Yüzen et al., 2023).

Ebenso ist die Reflexion einer beruflichen Verantwortung für den Klimaschutz ein Schritt, um mögliche Änderungsbedarfe zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. So könnte durch klimasensible Gesundheitsberatung ein Beitrag zum Klimaschutz gelingen. Zum Beispiel könnten Hebammen die Beikostberatung an evidenzbasierten Empfehlungen zur klimasensiblen Ernährung ausrichten (Willett et al., 2019).

Neue Handlungsfelder

Eine Handlungsfelderweiterung knüpft an die im Hebammengesetz formulierten Kompetenzen an (Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen/HebStPrV, 2020) und orientiert sich an den Essential Competencies des ICM (ICM, 2019).

Wir haben in Athen ein entsprechendes eigenständiges Modul vorgestellt – alternativ könnte das Thema auch als Querschnittsaufgabe über den gesamten Studienverlauf gestaltet werden. Ziel dieses Moduls ist die Ergänzung der Betreuung und Versorgung von Frauen und Familien durch die Handlungsfelder, die zur planetaren und individuellen Gesundheit beitragen, außerdem eine Integration der entstehenden Verantwortlichkeit als Hebamme in die tägliche Praxis.

Das Modul besteht inhaltlich aus drei Säulen: Grundlagen, Auswirkungen der Klimakrise auf die reproduktive Phase und klimasensible Gesundheitsberatung (Luegmair & Wangler, 2023). Dabei bezieht sich die zweite Säule besonders auf die Hebammen-Disziplin, während die beiden anderen Säulen interdisziplinär angelegt sind. Es ist angedacht, das Modul auf Bachelor- und Masterlevel zu verankern, auch eine wissenschaftliche Weiterbildung mit Zertifikat und Hinterlegung von ECTS ist möglich. Eine Akkreditierung ist zeitnah geplant.

Die EMA-Konferenz in Athen

Das wissenschaftliche Organisations-Komitee der Konferenz bot uns bereits im Vorfeld an, statt der geplanten Posterpräsentation einen kurzen Vortrag zu halten. Rund 30 Teilnehmer:innen der Konferenz waren interessiert. Nachfragen im Anschluss ließen auf Überlegungen zur Integration des Moduls in verschiedenen Studiengängen aus unterschiedlichen Ländern schließen.

Auf der Konferenz befassten sich zwei weitere Beiträge mit den Folgen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit. Unter anderem stellten Kolleg:innen aus der Schweiz ein interdisziplinär verankertes Konzept im Studium vor (Eggenschwiler & Hammer, 2023). Ein Beitrag befasste sich mit der Frage, wie gesundheitliche Auswirkungen der Klimakrise in den Medien präsentiert werden und machte darauf aufmerksam, dass erstmals auch im Rahmen der im Dezember stattgefundenen UN-Klimakonferenz in Dubai (COP 28) dem Thema Gesundheit ein ganzer Tag gewidmet wurde (Ganapathy, 2023). Zeitgleich mit der Konferenz wurde der Vorstoß von Wissenschaftler:innen in über 200 wissenschaftlichen Journalen zu einer Erklärung der Klimakrise als gesundheitlicher Notfall kommuniziert (Abbasi et al., 2023). Würde die WHO diesen gesundheitlichen Notfall anerkennen und verkünden, so wären weitreichende Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit notwendig und möglich.

Nachhaltig reisen

Wünschenswert und wichtig erschien uns im Rückblick auch eine nachhaltiger gestaltete Umsetzung von Konferenzen hinsichtlich Verpflegung, Werbematerialien und Austragungsort. Um unseren persönlichen Ansprüchen und denen als »Midwives for Future« gerecht zu werden, wollten wir die Reise nach Athen so emissionsarm wie möglich gestalten. So machten wir uns nach zeitaufwendiger Recherche und Planung mit Zug und Schiff auf den Weg. Unsere Stationen waren Stuttgart, München, Venedig, Patras, Vravrona. Wir investierten mehr Zeit (jeweils zwei Tage und zwei Nächte), als wenn wir geflogen wären, hatten dafür aber eine wunderschöne Reise, die in der Umsetzung sehr gut funktionierte.

Außerdem konnten wir Land und Leute kennenlernen. Immer wieder wurden wir unterwegs mit dem aufmunternden Satz »Don’t worry, it will be fine« zu mehr Gelassenheit animiert.

Zitiervorlage
Wangler, S. & Luegmair, K. (2024). EMA-Konferenz in Athen: »Don’t worry – it will be fine«. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (1), 84–86.
Literatur
Abbasi, K., Ali, P., Barbour, V., Benfield, T., Bibbins-Domingo, K., Hancocks, S., Horton, R., Laybourn-Langton, L., Mash, R., Sahni, P., Sharief, W. M., Yonga, P., & Zielinski, C. (2023). Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency. BMJ (Clinical research ed.), 383, 2355. https://doi.org/10.1136/bmj.p2355

Eggenschwiler, R., & Hammer, K. (2023). Climate change and health in health care professions. European Journal of Midwifery, 7. Supplement 1.

Ganapathy, D. (2023). Climate impacts on health–communicating with care. European Journal of Midwifery, 7, Supplement 1.

ICM (2014). Position statement: Impact of climate change. www.internationalmidwives.org/assets/files/statement-files/2021/09/ps2014_en_impact-of-climate-change.pdf

ICM. (2019). Essential competencies for Midwifery practice. Poster. 2019 update. https://www.internationalmidwives.org/assets/files/general-files/2019/11 /poster-icm-competencies-en-screens–final-oct-2019.pdf

klimagesund.de (2019). The Lancet Countdown on Health and Climate Change. Policy Brief für Deutschland. November. https://klimagesund.de/wp-content/uploads/2021/05/Policy-Brief-2019.pdf

Luegmair, K., & Wangler, S. (2023). Sustainability in midwifery work-Development of a curricular element for midwifery primary training and further education. European Journal of Midwifery, 7, Supplement 1.

Willett, W., Rockström, J., Loken, B., Springmann, M., Lang, T., Vermeulen, S., Garnett, T., Tilman, D., DeClerck, F., Wood, A., Jonell, M., Clark, M., Gordon, L. J., Fanzo, J., Hawkes, C., Zurayk, R., Rivera, J. A., De Vries, W., Majele Sibanda, L., Afshin, A., … Murray, C. J. L. (2019). Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet (London, England), 393(10170), 447–492. https://doi.org/10.1016/S0140– 6736(18)31788–4

Yüzen, D., Graf, I., Tallarek, A. C., Hollwitz, B., Wiessner, C., Schleussner, E., Stammer, D., Padula, A., Hecher, K., Arck, P. C., & Diemert, A. (2023). Increased late preterm birth risk and altered uterine blood flow upon exposure to heat stress. EBioMedicine, 93, 104651. https://doi.org/10.1016/j.ebiom. 2023.104651

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