Die Beatmung des Neugeborenen und die Beurteilung ihrer Effizienz sollten – falls erforderlich – innerhalb der ersten 60 Sekunden nach der Geburt erfolgen. Foto: © HfP – Hebammen für Patientensicherheit

Wenn eine vaginal-operative Geburt nötig wird, liegt meist eine akute Notsituation vor. Den Ausschlag kann beispielsweise eine drohende Asphyxie des Kindes geben. Daher sollten die Beteiligten darauf eingestellt sein, dass das Neugeborene in den ersten Minuten medizinische Unterstützung benötigen kann. 

Nur wenige Neugeborene benötigen unmittelbar nach der Geburt neben Wärme und Stimulation noch weitere Unterstützung durch Beatmung oder gar Thoraxkompressionen. Für diese Kinder jedoch ist ein schnelles und geübtes Handeln überlebenswichtig. Es entscheidet über ihre Prognose. Die perinatale Asphyxie ist immer noch einer der Hauptgründe für neonatale Mortalität und oft mit erheblicher Morbidität verbunden.

Zur Erstversorgung von Neugeborenen gibt es Leitlinien, die alle Betreuenden kennen müssen (Wyllie et al. 2015). Hier finden sich auch die Algorithmen zur Neugeborenenreanimation. Diese Leitlinien stellen im Wesentlichen eine Übersetzung internationaler Empfehlungen dar und werden regelmäßig aktualisiert. Sie sind auf der Seite des Deutschen Rates für Wiederbelebung kostenfrei zugänglich (> www.grc-org.de). Eine übersichtliche deutschsprachige Zusammenfassung mit Praxistipps bietet die Übersichtsarbeit des Neugeborenen-Intensivmediziners Dr. Jens-C. Schwindt und KollegInnen aus dem Jahr 2016 (Schwindt et al. 2016). Daneben sind nationale Empfehlungen zu berücksichtigen, zum Beispiel die AWMF-Leitlinien, und regionale Versorgungsstrukturen, etwa: Wo ist die nächste Kinderklinik? Hinzu kommen Vereinbarungen zur Neugeborenenversorgung, zum Beispiel klinikinterne Zuständigkeiten. (> www.awmf.org: Leitlinien 024/002, 024/004, 024/005)

Aspekte der hebammengeleiteten Geburt

Um eine zielgruppenorientierte Zusammenfassung zu bieten, folgen einige Aspekte der hebammengeleiteten Geburt. Die Kontroversen zur außerklinischen Geburt werden hier nicht diskutiert.

In Deutschland sind die Geburts­helferInnen für die Versorgung des Neugeborenen verantwortlich.
Dies gilt auch für die hebammen­geleitete Geburtshilfe!

Selten jedoch ist die Hebamme mit Mutter und Kind alleine und auf sich gestellt. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten im Team sich ihrer Aufgabe und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst sind.

Die Reanimation Neugeborener beginnt bereits vor der Geburt!

Notfälle sind auch in der Geburtshilfe oft nicht vorhersehbar. Dennoch gibt es einige Risikokonstellationen, in denen mit Komplikationen in der postnatalen Anpassung gerechnet werden muss (siehe Tabelle 1). Diese müssen frühzeitig dazu führen, Hilfe für die potenziell notwendige Unterstützung des Neugeborenen hinzuzuziehen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

Vorbereitung ist die halbe Miete: Antizipiere und plane im Voraus!

Falls eine hebammengeleitete Geburt geplant ist, sollte im Team und mit den Eltern besprochen werden, wie die Versorgung eines anpassungsgestörten Neugeborenen ablaufen würde, welche Eskalations- und Alarmierungsstufen dazu gehören würden. Ein Neugeborenen-Beatmungsbeutel mit entsprechender Gesichtsmaske, eine Absaugmöglichkeit sowie trockene und warme Tücher sind auch bei Hausgeburten oder im Geburtshaus Minimalanforderungen.

Auch in der Klinik trägt der Equipmentcheck bei jedem Dienstantritt wesentlich dazu bei, dass eine fachgerechte Neugeborenenversorgung gelingen kann. Die Zuständigkeit dafür muss klar geregelt sein. Im Notfall müssen alle MitarbeiterInnen in einer Notfallsituation sofort adäquat handeln können.

Im Fall einer Risikosituation sollte vor der Geburt kurz der Ablauf einer Versorgung des möglicherweise anpassungsgestörten Neugeborenen mit den Eltern besprochen werden. Denn für unvorbereitete Eltern wäre es ein Schock, wenn ihr Kind für die Reanimation unmittelbar in einen Nebenraum gebracht werden muss.

Ziehe frühzeitig Hilfe hinzu!

Allgemein ist es unabdingbar, frühzeitig emotional unbelastete Fachleute hinzuziehen. Vor der Geburt sollte der erhebliche, umgebungsbedingt schwankende Zeitverlust geklärt werden, bis Hilfe eintreffen kann. Davon abhängig unterscheiden sich die diversen Alarmierungsstufen.

Alles in trockenen Tüchern?

Nur wenige Neugeborene brauchen nach der Geburt unterstützende Maßnahmen (Wyllie et al. 2015). Alle Neugeborenen benötigen aber Wärme. Zugluft, kalte Unterlagen oder eine niedrige Raumtemperatur und Wärmeverlust durch Verdunstung sind im gesamten Verlauf der Versorgung zu vermeiden. Der mit dem initialen Abtrocknen einhergehende Stimulus kann zur Anpassung nach der Geburt beitragen. Oft setzt dadurch eine adäquate Spontanatmung ein.

Welche Kinder brauchen nun weitere Unterstützung?

Schreiende Kinder mit gutem Muskeltonus haben in der Regel eine Herzfrequenz von >100/min und bedürfen keiner besonderen Unterstützung. Kinder mit insuffizienter Eigenatmung und/oder einer Herzfrequenz unter 100/min sowie offensichtlich avitale Neugeborene ohne Muskeltonus und Spontanatmung brauchen in der ersten Lebensminute Unterstützung (Wyllie et al. 2015). Die Ableitung eines EKG ist dabei der sicherste Weg, um die Herzfrequenz zu bestimmen. Die Palpation der kindlichen Pulse ist am unsichersten. Im außerklinischen Setting kann die Herzfrequenz auch postnatal einfach und schnell über das Dopton ermittelt werden.

Es kommt auf die Minute an!

Um eine sofortige Versorgung zu gewährleisten, muss die Geburtszeit unbedingt notiert werden. Dafür ist eine Stoppuhr zu empfehlen, zum Beispiel eine Apgar-Uhr oder das Handy.

Spätestens jetzt – und fortan immer wieder – fragt sich, ob genügend qualifiziertes Personal und entsprechendes Equipment für eine adäquate Behandlung vorhanden ist. Das gilt besonders für die begrenzten personellen Ressourcen bei außerklinischen Geburten.

Effektive Beatmung ist der Schlüssel zum Erfolg – kurz: Luft muss ins Kind!

Braucht ein Neugeborenes nun Unterstützung, dann benötigt es Luft in die Lunge! Die effektive Beatmung ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein Absaugen ist nicht obligat, kann bei offensichtlichen Sekretionen im Mund-Rachen-Raum jedoch erwogen werden. Dann gilt es, rasch den Mundraum abzusaugen, danach eventuell auch kurz die Nase. Durch Absaugmanöver darf jedoch die Beatmung nicht unnötig verzögert werden. Dies gilt auch bei Verdacht auf Mekoniumaspiration.

Die initiale Beatmung erfolgt mit Raumluft (21 % O2). Die ersten fünf Beatmungshübe haben eine Inspirationszeit von 2 – 3 Sek. Zur Beatmung eignen sich Masken-Beutel-Systeme und einfache T-Stück-Beatmungssysteme. Die exakte Kenntnis des verwendeten Systems und ein sicherer Umgang in der Anwendung sind unentbehrlich. Sauerstoffvorlage allein ist keine Beatmung!

Sind mehrere HelferInnen an der Reanimation eines Neugeborenen beteiligt, sollte eine Person einzig und allein die Aufgabe haben, Atemweg und Beatmung zu überwachen!

Unter adäquater Beatmung sollte die Herzfrequenz des Neugeborenen rasch ansteigen. Steigt sie nicht über 100/min, muss die Effektivität der Beatmung angezweifelt und alles unternommen werden, um sie zu steigern. Sind keine Thoraxexkursionen sichtbar, sind unmittelbar eine Fehlpositionierung des Kopfes, eine Maskenundichtigkeit oder eine unerwartete erheblichere Sekretverlegung zu beheben. Der Beatmungsdruck kann angehoben werden. Nur, wenn unter optimierten Bedingungen und weiteren fünf Beatmungen unter Nachweis von Thoraxexkursionen als Zeichen der effektiven Beatmung kein Anstieg der Herzfrequenz über 60/min zu verzeichnen ist, werden Thoraxkompressionen im Verhältnis 1:3 (Beatmung/Kompressionen) empfohlen.

Aus pragmatischen Gründen kann hierfür die zugeführte Sauerstoffkonzentration auf 100 % angehoben werden. Unter effektiver Ventilation ist eine Herzdruckmassage bei Neugeborenen selten notwendig!

Übung macht den Meister: Training für alle beteiligten Berufsgruppen!

Die Leitlinien fordern, dass die ersten Schritte der Unterstützung bis zur Wiederbeurteilung der Beatmungseffektivität in den ersten 60 Sek. nach der Geburt erfolgen. Das kann nur mit regelmäßigem praktischem Training gelingen. Ideal ist das Training in realistischen Teams.

Der Wärmeerhalt des Neugeborenen kann nicht genug betont werden.

Egal, wie viel Unterstützung das Kind am Ende erfährt, können die begleitenden Maßnahmen zum Temperaturerhalt nicht genug betont werden. Die optimale Körpertemperatur des Neugeborenen liegt zwischen 36,5° und 37,5° C. Die rektale Messung mit einem digitalen Fieberthermometer ist einfach und kostengünstig.

Nachsorge – Post Resuscitation

Wenn das Neugeborene nun in sprichwörtlich trockenen Tüchern ist, gilt es kritisch abzuwägen, ob eine weitere Versorgung durch ein kinderärztliches Team notwendig ist. Das hängt auch stark von den lokalen Bedingungen ab. Liegen Kreißsaal und Neugeborenenstation Tür an Tür, ist eine Monitorüberwachung des Kindes auf der Brust der Mutter möglich. So ist ein abwartendes Verhalten leichter zu vertreten als in einer peripheren Geburtsklinik oder zu Hause.

Generell ist eine Überwachung aller Kinder mit Anpassungsschwierigkeiten zu fordern, da behandlungsbedürftige Ursachen zugrunde liegen können. Zudem können, wenn auch nur selten, durch die initialen Unterstützungs- und Reanimationsmaßnahmen Verletzungen herbeigeführt worden sein. Kinder mit perinataler Asphyxie müssen unbedingt in ein pädiatrisches Zentrum verlegt werden. Hierbei sollte Rücksprache zur Möglichkeit und Notwendigkeit einer Hypothermiebehandlung gehalten werden, gegebenenfalls zusammen mit dem Neugeborenen-Notarzt.

Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass die exakte Dokumentation der Erstversorgung einen hohen forensischen Stellenwert hat! Als Tipp dazu in aller Kürze: »Schreib’s auf!«

Zitiervorlage
Jasper-Birzele C et al.: Leitliniengerechte Versorgung von Neugeborenen im Notfall: Wärme, Stimulation, Beatmung. DEUTSCHE HEBAMMEN ZEITSCHRIFT 2019. 71 (6): 52–54
Links

Deutscher Rat für Wiederbelebung:
www.grc-org.de

Leitlinien: www.awmf.org

Literatur

AWMF Leitlinie 024/002: Verlegung von Früh- und Reifgeborenen in Krankenhäuser der adäquaten Versorgungsstufe. Registrierungsnummer: 024-002, Entwicklungsstufe: S1 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024-002l_S1_Verlegung_von_Früh-_und_Reifgeborenen_in_Krankenhäuser_der_adäquaten_Versorgungsstufe_2013-04-abgelaufen.pdf (letzter Zugriff: 6.4.2019)

AWMF Leitlinie 024/004: Strukturelle Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland, Empfehlungen. Registrierungsnummer: 087-001, Entwicklungsstufe: S1https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/087-001l_S1_Perinatologische_Versorgung_2015-05.pdf (letzter Zugriff: 6.4.2019)

AWMF Leitlinie 024/005, Betreuung des gesunden reifen Neugeborenen in der Geburtsklinik Registrierungsnummer: 024-005, Entwicklungsstufe: S2k. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024-005l_S2k_Betreuung_von_gesunden_reifen_Neugeborenen_2012-10-abgelaufen.pdf (letzter Zugriff: 6.4.2019)

Schwindt J-C et al.: Stabilisierung und Reanimation des Neugeborenen direkt nach der Geburt, Monatsschr Kinderheilkd 2016. 164:203–217, DOI 10.1007/s00112-016-0045-7

Wyllie J, Bruinenberg J, Roehr C et al.: Die Versorgung und Reanimation des Neugeborenen, Kapitel 7 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council. Notfall Rettungsmed 2015. 18: 964. https://doi.org/10.1007/s10049-015-0090-0

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