Das traditionelle Eisenkraut »Verbena officinalis« kann Wehen anregen, schmeckt aber bitter. Foto: © Johanna Köppel

Pflanzenhormone sind Substanzen, deren Wirkung im Menschen noch nicht gänzlich erforscht ist. Welche Phytohormone können während der Geburt hilfreich sein? Neben den pflanzlichen Wirkstoffen sorgen auch ätherische Pflanzenöle und Massagen für Wohlbefinden, was die Geburt unterstützen kann.

Frauen nutzten seit Urzeiten die Pflanzen aus ihrer Umgebung, denn sie waren die Hausärztinnen der Familie. Sie gaben ihr Wissen zur Heilkraft von Pflanzen untereinander weiter – auch rund um die Geburt und das Wochenbett.

Im Mittelalter war die Klostermedizin in den Händen von Mönchen, die ihr Wissen zu Papier brachten. Wenig berichtet wurde vom Wissen der Nonnen über pflanzliche Heilanwendungen. Denn Lesen, Schreiben und Forschen waren bis ins 16. Jahrhundert in Männerhänden. Mitte des 19. Jahrhunderts hat dann der französische Arzt Henri Leclerc den Begriff der Phytotherapie eingeführt. Daraus entwickelten sich auch rationale Phytopharmaka: Klinische Untersuchungen und wissenschaftlich überprüfbare Grundlagen müssen vorliegen zur Heilaussage von Pflanzenwirkstoffen.

Die rationale Phytotherapie sieht sich als ein Teil der heutigen naturwissenschaftlichen Schulmedizin. Die traditionelle Phytotherapie stellt die Erfahrungsmedizin der Pflanzenheilkunde dar, die auf überliefertem Wissen beruht.

Inzwischen liegen viele wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Vielstoffgemischen der Pflanzen vor. Allerdings sind noch längst nicht alle Wirkstoffe aus Pflanzen exakt zu benennen und schon gar nicht deren Wirkungen im menschlichen Organismus, da es noch immer an analytischen Methoden fehlt, um alle diese Moleküle und deren Mechanismen im menschlichen Gewebe (in vivo) nachzuweisen. Bis heute beruhen viele Erkenntnisse auf der Grundlage von In-vitro-Studien. Ein großes Hindernis sind in der Geburtshilfe die fehlenden und – richtigerweise – aus ethischer Sicht nicht vertretbaren Wirkstoffstudien in Schwangerschaft, Geburt, Still- und Kleinkindzeit. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Pflanzenheilkunde, sondern ist generell in der Arzneimittelwelt ein bekanntes Problem. So ist in der Geburtshilfe ein Off-Label-Use ebenso an der Tagesordnung wie in der Pädiatrie.

Tabelle: Inhaltsstoffe von Borretsch-, Granatapfel-, Nachtkerzensamenöl (ähnlich der γ-Linolensäure): Fettbegleitstoffe und ungesättigte Fettsäuren in Pflanzenölen Quelle: Steflitsch, Wolz, Buchbauer, Stadelmann. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Stadelmann Verlag. 2. Aufl. 2023

Pflanzen und ihre Phytohormone

Pflanzen bilden in ihrem Primärstoffwechsel Fette, Kohlenhydrate und Proteine. Im Sekundärstoffwechsel ätherische Öle, Alkaloide, Bitterstoffe, Flavonoide, Gerbstoffe, Glykoside, Saponine, Schleimstoffe, Senföle (Glucosinulate) und Phytamine. Zu den letzteren zählt die Gruppe der gesundheitsfördernden Polyphenole, zu denen auch die Phytoestrogene gehören.

Eine der Stoffgruppen sind Isoflavone, die beim Menschen die biologische Aktivität der Sexualhormone beeinflussen können. Sie binden bevorzugt an den Estrogen-Rezeptoren beta (ER-β) und kaum an den Estrogen-Rezeptor alpha (ER-α) (Wenigmann, 2017). Zum Verständnis: Der Estrogen-Rezeptor-α vermittelt Proliferation und Wachstum und begünstigt damit auch die Entwicklung von hormonabhängigen Tumoren. Der Estrogen-Rezeptor-β begünstigt die Zelldifferenzierung und bietet damit einen Schutz vor Tumoren. Daher gelten sie als natürliche Selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (Selektive Estrogen Receptor Modulator = Phyto-SERMs).

Der Begriff der Phytoestrogene gilt in der phytotherapeutischen Wissenschaft als nicht korrekt und wird ungern bis nicht mehr benutzt. Wichtig zu wissen ist, dass Phyto-SERMs das Wachstum (Proliferation) von ER-α-Gewebe wie Brust und Uterus nicht fördern und auch keinen Einfluss auf den weiblichen Zyklus ausüben, sondern Estrogeneffekte an ER-β-Rezeptoren ausüben.

Phytoestrogene – innerlich

Die Diplombiologin und Heilpraktikerin Ruth von Braunschweig schreibt, dass Phytoestrogene den Hormonhaushalt harmonisieren, indem sie einen Mangel an Estrogen ausgleichen können (Braunschweig, 2023). Das sollte genauer betrachtet werden: Zu bedenken ist, dass diese Phytoestrogene nur in geringen Mengen in Pflanzen vorhanden sind. Und: Sie sind keine Steroidhormone, binden daher eben nicht an ER-β-Rezeptoren und können kein Humanestrogen ersetzen. Die Pflanzenstoffe wirken weitaus schwächer und müssen daher immer über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, beziehungsweise werden meist in Fertigpräparaten mit hoch konzentrierten Extrakten angeboten.

Es liegen immerhin erfolgreiche Studien unter anderem zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden mit Pflanzen-SERMs vor, die die Wirksamkeit etwa von Soja- und Rotklee-Extrakten belegen. Hier werden hoch dosierte Phytopharmaka, meist mit isolierten Einzelstoffen bei einer Tagesdosis von 45 mg verwendet, um das Ziel zu erreichen (Gruber, 2024). Beispielsweise Mönchspfeffer, Traubensilberkerze, Damiana, neben den hochwertigen Pflanzenölen aus Nachtkerzen- und Granatapfelsamenöl. Auch diese zählen zu den Pflanzen mit nachgewiesenen SERMs-Wirkungen.

Wässrige Aufgüsse (Tee) von Phytoestrogen-haltigen Pflanzen oder auch fette Pflanzenöle sowie ätherische Öle in Form von Aromamischungen zur Hautpflege können jedoch nicht die Wirkung von Extrakten erreichen. Ob »steter Tropfen« und regelmäßiger Teegenuss über eine kurmäßige Anwendung von mehr als drei Wochen bis drei Monaten den Hormonhaushalt einer Frau beeinflussen, beruht derzeit noch auf Überlieferungen von zahlreichen Frauen mit positiven Beobachtungen. Ob alle Heilkräuterkundige es wirklich wünschenswert finden, dass hier klinische Studien gemacht werden und auf diesem Weg Frauen-Heilpflanzen als Arzneimittel zu positionieren, muss an anderer Stelle diskutiert werden.

Tee zur Wehenanregung
Eisenkraut, Ingwer, Nelke und Zimt
Sowohl das Kraut wie die Gewürze können als erwärmendes und wehenanregendes Getränk angeboten werden. Hierzu werden eine Stange Zimt, zehn Nelken und eine kleine Ingwerwurzel zehn Minuten geköchelt, dann die Verbena officinalis hinzugegeben, die fünf Minuten ziehen durfte. Das ergibt einen Liter Getränk zur Wehenunterstützung. Die Frau trinkt dieses dann schluckweise (Stadelmann, 2024; Kaisenberg et al., 2024).

Pflanzenöle mit Phyto-SERMs – innerlich

Native fette Pflanzenöle werden aus Samen und Kernen von Pflanzen mittels Kaltpressung gewonnen. Sie sind reich an essenziellen Fettsäuren, müssen bei konstanter Temperatur in Braunglasflaschen gelagert werden und sind maximal ein Jahr haltbar.

Das Öl der Borretschsamen enthält viele essenzielle ungesättigte Fettsäuren. Foto: © Stadelmann Verlag, 2019

Der hohe Anteil der essenziellen ungesättigten Fettsäuren, die γ-Linolensäuren, sind neben den enthaltenen Phyto-SERMs in den hochwertigen fetten Pflanzenölen wie Borretschsamen-, Granatapfelsamen- und Nachtkerzensamenöl enthalten.

Diese Pflanzenöle zählen zu den wichtigen Lebensmitteln, die insbesondere in der Frühschwangerschaft als wertvolle »Estrogen-Lieferanten« bezeichnet werden, wenn sie über mehrere Wochen eingenommen werden. Sie versorgen den Organismus – bei innerlicher Anwendung – auch mit hochwertigen ungesättigten Fettsäuren. Eine Tagesdosis von zweimal täglich 1–2 Teelöffeln wird empfohlen. Die Dosierungsgrenze zeigt die Stuhlbeschaffenheit: Wird dieser zu flüssig, muss die Ölmenge reduziert werden. Da aber viele Frauen in den ersten Schwangerschaftsmonaten unter Obstipation leiden, ist dies meist kein Problem.

Pflanzenöle mit Phyto-SERMs – äußerlich

Bei äußerer Anwendung der hochwertigen fetten Pflanzenölen wie Borretschsamen-, Granatapfelsamen- und Nachtkerzensamenöl können die Phyto-SERMs die ER-β-Rezeptoren der Keratinozyten in der menschlichen Haut beeinflussen. Zudem enthalten sie viele Anteile der essenziellen ungesättigten Fettsäuren, die γ-Linolensäuren. Diese erstklassigen Hautöle sind wichtig für die Hautpflege von empfindlicher oder kranker Haut, da sie reiz- und juckreizlindernd wirken. Wie bei der inneren Einnahme bedarf es eines längeren Zeitraumes der Anwendung, da die ungesättigten Fettsäuren nur langsam in die Zellen eingebaut werden können (Braunschweig, 2023)

Eine Pumpflasche garantiert optimale Hygiene. Eine direkte Berührung des Flaschenhalses muss vermieden werden, denn ungesättigte Fettsäuren oxidieren unter Luft- und Lichtzufuhr schnell durch mikrobielle Verkeimung. Sie werden dann als »ranzig« bezeichnet und somit weder hautfreundlich noch als Lebensmittel genießbar – sie entwickeln dann sogar gesundheitsschädigende Substanzen.

Bei hochwertigem Pflanzenöl aus Granatapfelsamen konnte die Phyto-SERMs-Wirkung nachgewiesen werden. Foto: © Johanna Köppel, 2015

Massagen aktivieren Oxytocinrezeptoren

Eine nicht zu unterschätzende Maßnahme sind Massagen, um die Oxytocinausschüttung und damit einen Geburtsbeginn anzuregen. Es muss allerdings eine entsprechende hormonelle Bereitschaft zur Oxytocinproduktion vorhanden sein, denn ansonsten dürfte keine Frau in der Schwangerschaft sich selbst pflegen oder massiert werden. Alle natürlichen Maßnahmen besitzen nicht per se die Fähigkeit, eine frühzeitige Wehentätigkeit auszulösen.

Berührung bedeutet Zuneigung und Zuwendung. Geschieht dies liebevoll, wird über jeden Quadratzentimeter Haut das zentrale Nervensystem aktiviert, um die Ausschüttung von Serotoninen (Glücksbotenstoffen) und Oxytocin anzuregen (Uvnäs Moberg, 2016). Voraussetzung dafür ist die Empathie. Sonst geschieht das Gegenteil und der Abwehrmechanismus über Adrenalin bremst jede noch so kleine Oxytocinaktivität. Nicht umsonst sucht eine Frau traditionell einen sicheren Ort der Geborgenheit und erfahrene Frauen, die ihr volles Vertrauen in die Fähigkeit des Gebärens vermitteln.

Hautberührungen sind eine »haltende Geste«, die schon im Namen der Hebamme enthalten ist: Heben – Halt geben, Ammen – da sein und mental nähren. So liegt es in der Natur einer zuwendungsorientierten Geburtshilfe, die Frau zu halten und zu massieren. Die Massage sollte richtungsweisend sein – also nach unten und weitend, begleitend zur Ausatmung. So kann eine Massage auch hilfreich werden für einen langsamen Atemrhythmus, sofern die Frau sich darauf einlassen kann.

Aus Mönchspfeffer werden hoch dosierte Phytopharmaka hergestellt, sie werden meist mit isolierten Einzelstoffen bei einer Tagesdosis von 45 mg verwendet. Foto: © Stadelmann Verlag

Keinesfalls geben die Hände den Rhythmus vor, sondern die Hände richten sich nach dem Atem der Frau und diese konzentriert sich dadurch auf »Nach unten und weit«, was sie auch mit Tönen verbinden kann wie »uunnten – aaauf – weeeeit« und was ihr den Weg des Kindes vor ihr inneres Auge führt. Dass dies eine Eins-zu-eins-Betreuung erfordert, ist selbstredend. Das bedeutet eine wirklich gute Anleitung für die begleitende Person. Die Frau sollte auch mental und emotional gehalten werden. Unsicherheit und Angst ist bei einer Berührung ebenso wahrnehmbar wie Geborgenheit, Vertrauen und Zuversicht.

Ätherische Öle im Massageöl

Bei jeder Massage sind Pflanzenöle der Garant für eine gute und gleitende Wirkung, um jede Art von Reibung oder gar Schmerz zu vermeiden. Mit einem Pflanzenöl gleiten die Hände der Hebamme oder Begleitperson geschmeidig und weich auf dem Körper der Frau, so wird das Gewebe »geschmeidig«. Es entsteht ein Gefühl von Weichheit, Lockerheit, Dehnbarkeit. Während der Geburtsstunden eignen sich grundsätzlich native, kalt gepresste Pflanzenöle, da sie alle eine hautpflegende Eigenschaft aufweisen.

Werden ätherische Öle in ein fettes Pflanzenöl (Massageöl) eingemischt, dienen diese nicht nur dem Duft, sondern auch der Stabilität. Ätherische Öle verlängern die Haltbarkeit der nativen fetten Pflanzenöle auf etwa zwei Jahre.

Ohne die fetten Öle wären ätherische Öle im Prinzip hautreizend und schleimhautätzend, da es sich um extreme Pflanzenkonzentrate handelt. Reine ätherische Öle sind unterschiedlich haltbar (von sechs Monaten bis zu mehreren Jahren), sie sind ebenfalls sauerstoff- und lichtempfindlich. Für die innere Einnahme sind sie nicht geeignet. Mittels Wasserdampfdestillation werden sie gewonnen und weisen große Duftvarianten auf.

Aromatherapie geht immer zunächst über die Nase, egal wo ein Duft appliziert wird. Ätherische Öle aktivieren binnen hundertstel Sekunden die Riechsinneszellen, somit das zentrale Nervensystem und besitzen aufgrund ihrer kleinen Molekülgröße (weniger als 1.000 Dalton) zellgängige Eigenschaften, um die Hautbarriere zu überwinden. Die Öle überwinden auch die Plazentaschranke und werden über den Stoffwechsel der Mutter metabolisiert und ausgeschieden. Allerdings verflüchtigt sich ein großer Teil auf dem Weg von der Haut in die Blutbahn. Doch gelangen sie auch über die Muttermilch zum Kind, laut Forschungen zu einem Anteil von unter 1 % (Steflitsch et al., 2023).

Eisenkraut zur Förderung der Wehen

Eisenkraut in einer wehenfördernden Massage – warum hat sich das bewährt? Zunächst gilt es zu wissen, dass es vor beinahe vier Jahrzehnten eine große Irritation gab. Die Welt der ätherischen Öle eroberte die Hebammenarbeit. Es begann gut zu riechen rund um Geburt. Zunächst war es das Ziel, ein Öl zu haben, um Episiotomien zu verhindern. Dazu sollte der Damm weich und geschmeidig sein. Also lag es nahe, native fette Pflanzenöle zu verwenden. Das wussten schon unsere Vorgängerinnen und wendeten es traditionell an.

Neben dem von mir 1988 entwickelten Dammmassageöl folgte ein wehenanregendes Öl, um Einleitungen zu vermeiden. Die Aromatherapie war für viele grandios. Doch auch Fehlinformationen griffen um sich. So kam es zu der Verwechslung der diversen Eisenkrautpflanzen.

Überlieferungen wurden publiziert oder berichtet, dass Hebammen das europäische beziehungsweise das deutsche Eisenkraut (Verbena officinalis) nutzten, um Wehen anzuregen oder diese zu unterstützen. Dieses duftet jedoch nicht und enthält kein ätherisches Öl. Für Verwirrung sorgte das destillierte und in den 1980ern hochgelobte Eisenkrautöl aus Frankreich. Das duftende Eisenkraut (Verbene, Verbena, Vervain, Zitronenverbene, Zitronenstrauch: Lippia citrodora) wurde von Ölfirmen angepriesen. Zusätzlich verwirrte die Rarität eines Eisenkrautöls aus den Anden Perus (Aloysia citrodora). Festzuhalten ist: Das wohlriechende französische Eisenkraut schmeckt zwar Gebärenden fein als Teedroge, aber es pflegt höchstens die Magen- Darmschleimhäute.

Das traditionelle Eisenkraut (Verbena officinalis), das sich zur Wehenanregung eignet, ist dagegen überhaupt nicht wohlschmeckend, sondern eher bitter. Alle diese Eisenkrautpflanzen zählen zu der Familie der Verbenacea.

In einem der ältesten Lehrbücher der biologischen Heilmittel (Madaus, 1938) wird dem Kraut eine uterustonisierende Wirkung aufgrund des enthaltenen Verbenalins zugeschrieben, jedoch liegen bis heute keine klinischen Forschungen vor. Im aktuellen Fachbuch »Der Wichtl« (Blaschek, 2016) wird auf Befunde von 1998 zur wehenfördernden und emmenagogen (die Monatsblutung anregenden) Wirkung hingewiesen. Synergetische Effekte zu Prostaglandin E2, also auch LH- und FSH-Steigerungen, sind ebenso genannt wie eine HCG-Sekretionshemmung der Plazenta durch Verbena-Extrakte. Leider liegen bis heute keine Prüfungen der Kommissionen ESCOP (European Scientific Comitte of Phytotherapie) oder HMPC (Herbal Medical Products Committee) vor. Die Geburtshilfe ist nicht interessant für Forschungen, da dies als unethisch gilt.

Das ätherische Öl des französischen Eisenkrauts (Lippia citrodora) kann als Raumduft oder Riechfläschchen beziehungsweise ein bis zwei Tropfen auf einer Kompresse in Nasennähe deponiert werden, es wird von den Gebärenden gerne angenommen. Hebammen machen oftmals die Erfahrung, dass Frauen am Ende der letzten Geburtsphase den zitrusartigen Duft als konzentrationsfördernd und motivierend empfinden. Für Hautanwendungen kann das Öl, eingemischt in fette Pflanzenöle, als Rezepturarzneimittel in niederer Dosierung (unter 1 %) in spezialisierten Apotheken hergestellt werden.

In Aromapflegeprodukten muss jedoch das Öl aus den Anden verwendet werden, da die europäische Kosmetikverordnung den Citralgehalt des französischen Öles als zu hoch bezeichnet und eine Sicherheitsbewertung nicht erreicht werden kann.

Ingwerwurzel-, Nelkenknospen- und Zimtrindenöl

Ingwer, Zimt und Nelke zählen zu den erwärmenden Gewürzen und sind als durchblutungsfördernd bekannt. Nelken- und Zimtöl enthalten einen relativ hohen Anteil an reizenden Phenolen, daher müssen diese mit Bedacht eingesetzt werden.

Ingwerwurzelöl zählt zu den recht gut hautverträglichen Ölen. Der Duft des eher zart scharfen Öles erinnert über das limbische System an Ingwerspeisen und seine scharfe typische Gewürznote. Das Gemüsegewürz ist, wissenschaftlich bestätigt, hilfreich bei Übelkeit und Erbrechen, auch in der Schwangerschaft (Wenigmann, 2017). Zudem wird es in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wie im Ayurveda als Immunstimulans eingesetzt. Wirksam sind bei der Ingwerwurzel die wasserlöslichen Senfölglykoside. Diese großen Moleküle gehen allerdings bei der Wasserdampfdestillation nicht ins ätherische Öl über. Der Geruch jedoch aktiviert das menschliche Riechsystem und erinnert an Ingwergenuss, was das zentrale Nervensystem ankurbelt. Diese Geruchswahrnehmung und somit die Geruchserinnerung hat nicht immer direkt etwas mit den Wirkstoffen der Vielstoffgemische zu tun. Der frische und intensive Duft jedoch verändert den Geruch der Fettsäuren in den Massageölen und diese werden nasenfreundlich, daher ist Ingwer eine ideale Ergänzung zu den warm-würzigen Duftnoten von Nelke und Zimt.

Nelkenöl ist eine unklare Bezeichnung. Es muss immer das ätherische Öl aus den Nelkenknospen benutzt werden und nicht die günstigere Variante aus Nelkenblättern. Dieses beinhaltet einen zu hohen Phenolgehalt und kann viel zu sehr hautreizend sein. Dasselbe gilt beim Zimt­öl: Es muss das Zimtrindenöl und nicht das reizendere Zimtblätteröl gewählt werden. Hier ist es außerdem wichtig, das Zimtrindenöl aus Ceylon zu wählen und nicht das kostengünstigere ebenfalls reizende Cassiazimtöl.

Nelken- und Zimtöl sind wegen des Phenolgehalts sehr durchblutungsfördernd und dadurch erwärmend, aber auch hautreizend. Die Öle müssen daher immer achtsam dosiert werden und sollten nicht mehr in der letzten Geburtsphase zum Einsatz kommen, sondern anstelle von geburtseinleitenden Maßnahmen als Kreuzbein- oder Uterusfundusmassage, als Badezusatz (1–2 EL vermischt in Flüssigseife) oder als Fußmassage oder warmes Fußbad (1–2 TL vermischt in Flüssigseife).

Ist eine ausreichende Wehentätigkeit vorhanden, wird das Öl nicht mehr benutzt. Ab diesem Zeitpunkt sind dann Massageöle mit entspannenden Wirkstoffen wichtiger. Diese bewirken mit ihren sinnlichen Duftnoten eine vermehrte Freisetzung von Serotoninen. Diese wiederum wirken in der Kombination mit Oxytocin, das zusätzlich durch eine einfühlsame Massage aktiviert wird, als »natürliche, körpereigene« Schmerzmittel. Nicht umsonst sprechen Frauen und Hebammen vermehrt von einer »Lustgeburt«, denn es werden vermehrt Steroidhormone (Sexualhormone) ausgeschüttet, ebenfalls beeinflusst über das limbische System. Daher bringen nicht die Wirkstoffe oder die Massage allein den Erfolg, sondern das Zusammenspiel von Zuwendung, Duft und Wirkstoffen.

Achtsame Dosierung

Eine achtsame Dosierung von ätherischen Ölen in fetten Pflanzenölen ist Voraussetzung für den Erfolg. Aromamischungen müssen mit Fachkenntnissen und geprüfter Qualität hergestellt werden und sind über Apotheken zu beziehen. Sie sind als Hautpflegeprodukte unter dem Label der Kosmetikverordnung im Handel, da es derzeit keine Möglichkeit gibt, sie als Fertigarzneimittel in den Handel zu bringen. Doch letztlich ist das für Hebammen auch besser, da sie nicht mit Arzneimitteln handeln dürfen.

Werden hauseigene Rezepturen verordnet, müssen diese, von Fachpersonen verordnet, in einer spezialisierten Apotheke angefertigt werden, um den Vorschriften gerecht zu werden und zudem die Haftung auf zwei Schultern zu verteilen: auf Hersteller:innen und Anwender:innen. Produkte als Kosmetikpflege ad hoc herzustellen, ist nicht möglich, da aufwendige und umfangreiche Sicherheitsbewertungen viele Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.

Nicht nur in der Aromatherapie, sondern auch in der Phytotherapie, also bei allen Einsatzgebieten von pflanzlichen Wirkstoffen, hat noch immer der Satz von Paracelsus aus dem 15. Jahrhundert Gültigkeit: »Nichts ist ohn` Gift, nur die Dosis allein macht`s, dass ein Ding zum Gift wird.«

Pflanzenpräparate in der Hebammenberatung

Hebammen müssen achtsam sein, was die rechtliche Situation betrifft: Beraten und sich von Frau zu Frau unterhalten, Wissen austauschen, Rat geben ist immer erlaubt – so wird Wissen weitergegeben. Therapieren ist den Ärzt:innen und Heilpraktiker:innen vorbehalten. Wissen zu besitzen, ob und welche Pflanzen im Tee, als Hautpflegeprodukt oder potenziert im homöopathischen Arzneimittel hilfreich sein können, um die Gesundheit zu erhalten oder präventiv zu wirken und um medikamentöse Interventionen zu vermeiden, gehört im Prinzip zu einer fachkompetenten Hebammenberatung, wenn die Frau entsprechende Fragen stellt oder Auskunft benötigt.

Nach wie vor gilt der Satz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Pflanzen und ihre Wirkstoffe zu verharmlosen, ist ebenso falsch, wie Warnungen auszusprechen, weil neue Einzelstoffstudien beweisen wollen, dass Mütter seit Jahrhunderten sich und ihre Kinder unwissentlich mit angeblich kritischen Pflanzenwirkstoffen versorgt haben (Stadelmann, 2024).

Wirkstoffstudien von Pflanzen müssen immer mit Fachkenntnis gelesen werden, um sie bewerten zu können. Einfacher ist es, Pharmazeut:innen zu fragen. In unzähligen Beipackzetteln ist bei Phytopharmaka zu lesen: »Mangels vorliegender Daten wird xy nicht in Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen.« Diese Aussage impliziert jedoch kein Verbot. Es benötigt das Wissen der Hebamme, welcher Wirkstoff, welche Pflanze in welcher Dosierung und Anwendungsform in Eigenverantwortung empfohlen beziehungsweise von der Frau angewendet werden kann oder eben nicht.

Leider wurde in der Vergangenheit in den Ausbildungen von Hebammen wenig dazu gelehrt und auch im Hebammenstudium wird das Wissen über komplementäre Medizin vernachlässigt. Dabei zeigen wiederholte Umfragen, dass 50–70 % der Bevölkerung sich die Behandlungsmethoden der komplementären, integrativen Medizin wünschen (Allensbach Institut, 2014). Phytotherapeutische Gesellschaften, Berufsfachverbände von Ärzt:innen und Phytopharmaka- als auch Aromaprodukt-Hersteller bieten hierzu Fort- und Ausbildungen an.

Ausblick

Für die Zukunft ist sicher retrospektive Beobachtungsforschung eine wichtige Aufgabe der neuen Hebammengeneration. Jedoch immer unter Beachtung der beruflichen Möglichkeiten. Alle Heilaussagen rund um Pflanzen und ihre Wirkstoffe machen diese zum Arzneimittel, somit zum Therapeutikum. Jede fachkundige Hebamme kann eine Frau an Apotheken oder Allgemeinarztpraxen verweisen, um phytotherapeutische Maßnahmen in Schwangerschaft, Wochenbett und Stillzeit zu unterstützen.

Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten, sofern eine Verordnung von Ärzt:innen oder Heilpraktiker:innen vorliegt. Wird dazu ein grünes Rezept bei der Krankenkasse eingereicht, werden die Kosten von einigen Krankenkassen im Nachgang erstattet. Ob die Verordnung das Ziel ist oder gutes Allgemeinwissen, um eine wirksame Selbsthilfe nutzen zu können, ist ebenfalls eine Frage der kommenden Generationen. Einst waren die Mütter die »Hausärztinnen« der Familie und die Hebammen ihre Fürsprecherinnen.

Zitiervorlage
Stadelmann, I. (2024). Wie Pflanzen wirken. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 76 (9), 44–50.
Literatur
Blaschek, W. (2016). Wicht-Teedrogen und Phytopharmaka. DAV Stuttgart 6. Auflage S. 687-689.

Braunschweig, R. (2023). Pflanzenöle. Stadelmann Verlag 8. Auflage, S. 38.

Fachzeitschrift FORUM (2024). Forum Essenzia e.V.: Qualität im Fokus. Ausgabe 63, 2-5.

Gruber, M. (2024). Seminarunterlagen. Gesellschaft für Phytotherapie.

Kaisenberg, v C., Klaritsch, P., Hösli-Krais, I. (2024). Die Geburtshilfe. Springer Reference Medizin.

Madaus, G. (1987). Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Mediamed Verlag Leipzig, Nachdruck von 1938. Band 11 S. 2798-2800.

Stadelmann, I. (2024). Die Hebammen-Sprechstunde. Stadelmann Verlag. 6. Auflage.

Steflitsch, W., Wolz, D., Buchbauer, G., Heuberger, E., Stadelmann, I. (2023). Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Stadelmann Verlag. 3. Auflage, 24-34, 397.

Teuscher, E.,Melzig, M., Lindequist, U. (2012). Biogene Arzneimittel. DAV 7. Auflage S. 222.

Uvnäs Moberg, K. (2016). Oxytocin, das Hormon der Nähe. Springer Spektrum.

Wenigmann, M. (2017). Phytotherapie: Arzneidrogen – Phytopharmaka – Anwendung, Urban & Fischer Verlag/Elsevier, München, S. 386.

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